Kindesmord-Prozess: Psychiater zweifelt am Geständnis des Vaters
Ein Konditor hat eingeräumt, 2013 in einem Wald bei Schwerin seinen kleinen Sohn getötet zu haben. Ein psychiatrischer Gutachter glaubt jedoch, der Angeklagte sage nicht die volle Wahrheit.
Im Prozess um den Tod eines knapp dreijährigen Kindes hat ein Gutachter das Geständnis des angeklagten Vaters angezweifelt. Er habe bei der Untersuchung den Eindruck gewonnen, dass der 50-jährige Konditor bewusst nicht die volle Wahrheit sage, so der Hamburger Psychiater Christoph Lenk vor dem Landgericht Schwerin. Zwar hatte der Angeklagte mehrfach zugegeben, im Winter 2013 seinen Sohn getötet zu haben. Allerdings lieferte er zwei Versionen. Einmal berichtete er, er habe seinen knapp drei Jahre alten Sohn in einem Wald bei Schwerin erstickt. Das andere Mal sagte er, er habe es im Auto getan. Lenk sagte, das Kerngeschehen eines Mordes könne man nicht vergessen, auch nach zehn Jahren nicht. Das war einer von mehreren Gründen, warum er vermutet, dass der Angeklagte etwas Wichtiges verschweigt. Was da möglicherweise verschwiegen wird, konnte er allerdings nicht benennen.
Angeblich der Auswanderung im Weg
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, im Januar 2013 seinen Sohn ermordet zu haben. Das Kind war zwei Jahre und neun Monate alt. Der Junge sei aus Sicht des Vaters sehr anstrengend gewesen, postuliert die Anklage, das Kind habe dem Vorhaben der Familie im Wege gestanden, nach Spanien auszuwandern. Vor Gericht schweigt der Angeklagte. Eingeräumt hat er die Tat schon 2013 gegenüber seiner Frau, dann 2022 bei der Polizei und gegenüber dem Psychiater.
Totes Kind nach Spanien geholt
Seit dem Beginn des Prozesses im Mai mussten sich die Richterinnen und Richter mit vielen bemerkenswerten Details beschäftigen. Viele Fragen drehen sich um die Rolle der Mutter. Sie ging erst acht Jahre nach dem Tod ihres Kindes zur Polizei und zeigte ihren Mann an. Angeblich hatte er sie und den großen Bruder des getöteten Jungen für den Fall einer Anzeige mit dem Tod bedroht, nun aber hielt sie den Druck nicht mehr aus. Sie berichtete auch, ihr Mann habe unmittelbar vor der Abreise nach Spanien behauptet, den kleinen Sohn zu den Großeltern zu bringen; der Umzug sei zu anstrengend für den Lütten. Vom Tod habe sie erst drei Wochen später erfahren, nachdem ihr Mann nach Deutschland fuhr und mit dem Leichnam nach Spanien zurückkam. Allerdings fanden die Ermittler auf ihrem Handy einen Brief an ihr totes Kind, der offenbar geschrieben wurde, bevor der Vater den Leichnam nach Spanien holte. Der Konditor sagte aus, er habe sein Kind spontan getötet, seine Frau habe vorher davon nichts gewusst. Er will es ihr jedoch auf der Fahrt nach Spanien gesagt haben, behauptete er gegenüber dem Psychiater.
Der Sarg ging mit auf Reisen
Zumindest ungewöhnlich war auch der Umgang der Eltern mit dem Leichnam. Noch in Spanien zimmerten sie einen Sarg, kleideten ihn aus und legten drei Teddybären, ein rotes Spielzeugauto und zwei Plastikblumen zu ihrem toten Kind. Den Sarg wickelten sie in Teichfolie und klebten ihn zu. So nahmen sie ihn im Frühjahr 2013 zurück mit nach Deutschland – erst in ein Gartenhaus in Schwerin, dann nach Bayern. Als das Paar sich trennte, nahm der Vater den Sarg mit in die Schweiz, später brachte er ihn zur Mutter nach Niedersachsen. Dort fand die Polizei ihn im November 2020 auf einem Dachboden.
Auf einem Dorffriedhof begraben
Inzwischen ist der Leichnam des Kindes begraben – auf einem Dorffriedhof im Osten von Schwerin. Der Prozess wird im September fortgesetzt. Bevor die Richterinnen und Richter ein Urteil fällen, müssen sie all die ungewöhnlichen Puzzle-Teile dieses Falls zu einem stimmigen Bild zusammensetzen.