Drängen Ausländerbehörden in MV Syrer zur Ausreise?
Die Städte Rostock und Schwerin haben mit ungewöhnlichen Briefen an Syrer Kritik ausgelöst. Die kommunalen Ausländerbehörden weisen offenbar nicht nur Flüchtlinge und Asylbewerber, sondern auch Menschen mit Arbeitserlaubnis auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise hin.
Die Lage in Syrien gilt nach dem Sturz des Assad-Regimes auch unter den neuen Machthabern als unübersichtlich und brüchig. Die Migrationsämter in Rostock und Schwerin sehen dennoch "Möglichkeiten der Heimreise". In unterschiedlichen Schreiben, die von Dritten auf Social Media verbreitet werden, weisen sie Syrer auf die entsprechende Förderung und Hilfe hin. Konkret geht es um Programme des Bundes, die auch eine Starthilfe im Heimatland vorsehen. Allerdings wird diese Förderung nur auf Antrag gezahlt.
Ämter zu schnell?
Die Migrationsämter wollen diese Anträge offenbar nicht abwarten, sondern sind ungefragt direkt auf die Betroffenen zugegangen. In dem Brief des Rostocker Amtes heißt es: "Wir verstehen, dass die Entscheidung nach Syrien zurückzukehren, für Sie eine große persönliche Herausforderung darstellt. Daher möchten wir Sie darüber informieren, dass wir bereit sind, Sie bei Ihrem Wunsch freiwillig nach Syrien zurückzukehren, zu unterstützen." Weiter heißt es, nach dem Sturz des Assad-Regime würden die neuen Machthabern für eine Neuordnung im Land sorgen - auch um den unterdrückten Menschen besser zu dienen.
Innenministerium mit Musterbrief
Die Kommunen setzen nach Informationen des NDR mit dem Schreiben Vorgaben des SPD-geführten Innenministeriums in Schwerin um. Das Referat Asyl- und Aufenthaltsrecht hatte die Ausländerbehörden per E-Mail gebeten, "dass Sie die Syrerinnen und Syrer, die sich in Ihrer Zuständigkeit befinden, aktiv über Fördermöglichkeiten informieren". Das Ministerium fügte als Service einen Mustertext bei, den die beiden Ämter übernommen haben. Außerdem hieß es in der Mail des Ministeriums, "in einer ersten Phase könnte es zielführend" sein, auf ausreisepflichtige Syrerinnen und Syrer zuzugehen".
"Völlig daneben"
Offenbar ist diese Phase zumindest in Rostock übersprungen worden. Davon geht jedenfalls der Flüchtlingsrat in Mecklenburg-Vorpommern aus. Er spricht von einer überzogenen Aktion, die "völlig daneben" sei. Denn nach seinen Informationen soll zumindest das Rostocker Schreiben auch an Syrer mit Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis gegangen sein - beispielsweise an Ärzte und Ärztinnen. Die Vorsitzende des Flüchtlingsrats, Ulrike Seemann-Katz, erklärte, solche Briefe würden vor allem angesichts der aktuellen ausländerfeindlichen Migrationsdebatte massive Besorgnis auslösen. Betroffene würden fragen, ob dann nicht auch bald eine Abschiebung erfolge.
Kaum Wünsche nach freiwilliger Rückkehr
Statt alle Syrer anzuschreiben, wäre es besser gewesen, die Beratungsstellen zu informieren, so Seemann-Katz. Diese könnten dann gezielt auf Rückreise-Wünsche eingehen. Der Wunsch, nach Syrien zurückzukehren, sei auch unter Geflüchteten eher gering. Auch die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, die Schweriner SPD-Bundestagsabgeordnete Reem Alabali-Radovan, hatte sich zuletzt kritisch zu Rufen nach einer beschleunigten Rückkehr von Syrern in ihr Heimatland geäußert. Nach einem Gespräch mit Betroffenen im Bundeskanzleramt erklärte sie im vergangenen Dezember, die Lage in Syrien müsse sich nach dem Ende des brutalen Assad-Regimes erst gründlich klären und die Lage sei "extrem volatil". Deutschland stehe weiter an der Seite der Menschen, "die in den letzten Jahren aus Syrien zu uns geflohen sind, die Schutz und Sicherheit gefunden haben".
Rostocks OB reserviert
Nach NDR Informationen wusste Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke) nichts über den Brief ihres Migrationsamtes, das nach einem bundesweiten Aufschrei erst vor gut einem Jahr die Bezeichnung "Remigrationsamt" ablegte. Intern soll die Verwaltungschefin alles andere als begeistert gewesen sein über den Inhalt. Auf Anfrage erklärte sie, sie könne verstehen, dass der Brief kritisiert werde. Die politische Lage in Syrien sei nicht stabil, sondern ungewiss. In Gesprächen mit Menschen aus Syrien erfahre sie Sehnsucht nach Heimat, "aber eben auch Ängste, Ungewissheit und zunehmende Anfeindungen in Deutschland". Wer das Gefühl habe, hier nicht mehr willkommen zu sein, "kann ein solches Anschreiben missverstehen".
Willkommenskultur gilt weiter
Der Brief solle jedoch keine Ausladung sein. Kröger erklärte: "Wir wollen in Rostock eine Willkommenskultur pflegen und ein friedliches Zusammenleben stärken." Rostocks Oberbürgermeisterin warb aber auch um Verständnis für ihre Behörde: Die Zeiten seien schwierig. "Manche Menschen fordern noch strengere Regeln für Migration, andere befürworten eine Verbesserung der Integration und mehr Empathie für Geflüchtete. Mittendrin arbeiten Kolleginnen und Kollegen einer Stadtverwaltung, die jeden Tag diese Herausforderung, eine ansteigende Arbeitsbelastung und gesellschaftlichen Druck von allen Seiten bewältigen müssen."
Schwerin schickt Schreiben an Asylbewerber
Die Stadtverwaltung Schwerin erklärte, es seien insgesamt 59 syrische Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften angeschrieben worden. Die Menschen hätten sich noch im Asylverfahren befunden. Warum nicht ausschließlich ausreisepflichtige Syrer angeschrieben wurden, wie es das Ministerium empfohlen hatte, wurde nicht erklärt. Innenminister Christian Pegel (SPD) erklärte dem NDR Nordmagazin, seinem Ministerium sei es darum gegangen, vor allem Syrer, die Deutschland ohnehin verlassen müssen, zu einer freiwilligen Ausreise zu bewegen. Das sei einfacher und auch billiger als eine Abschiebung.
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