Defizite bei Notfallrettung in MV: Kommt die Landretter-App für ganz MV?

Stand: 17.07.2024 17:41 Uhr

Lange Fahrtzeiten sind nur eine der Herausforderungen, mit denen die Rettungsdienste in Mecklenburg-Vorpommern kämpfen. Integrierte Leitstellen, Laien-Reanimation und App-basierte Lösungen werden deswegen immer wichtiger im Flächenland. Die Kommunen, das Land und der Bund arbeiten an Lösungen.

von Katharina Tamme, Frank Breuner

Bei einem Herzstillstand sind Rettungskräfte in Mecklenburg-Vorpommern selten rechtzeitig vor Ort. Das ergibt eine Datenanalyse des Südwestdeutschen Rundfunks (SWR). Gerade dünn besiedelte und flächenmäßig große Landkreise wie die Mecklenburgische Seenplatte und der Landkreis Rostock schaffen es häufig nicht, innerhalb von zehn Minuten bei Notfallpatienten einzutreffen, wie es im Landesrettungsdienstgesetz (RDG) festgelegt ist. Gerade bei Herz-Kreislauf-Versagen zählt jede Sekunde. Standardisierte Abfragen und Priorisierung in den Leitstellen, digitale Unterstützungs-Systeme und Laien-Reanimation werden deshalb in Flächenländern immer wichtiger.

Neue Konzepte gegen überlastete Rettungsstellen

Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) betonte im Interview mit dem NDR, sie nehme die Recherche des SWR sehr ernst. "Auch ich möchte, dass in Mecklenburg-Vorpommern - einem dünn besiedelten Flächenland - das Rettungsmittel ankommt, das wirklich gebraucht wird." Aus diesem Grund werde bereits in zwei Landkreisen mit sogenannten integrierten Leitstellen gearbeitet. "Egal, ob jemand die 112 oder die 116117 wählt", so Drese, "sitzt dort geschultes Personal, das gut vernetzt ist mit dem Kassenärztlichen Notdienst und den Notaufnahmen in den Krankenhäusern und eben auch mit dem Rettungsdienst". Dort würde anhand standardisierter Abfragen entschieden, ob jemand ein Fall für das Krankenhaus ist, ob es reicht, dass ein Notdienst mit einem Rettungssanitäter kommt oder ob ein Notarzt nötig ist. Dies sei wichtig, damit das vorhandene Rettungspersonal dort hingeschickt wird, wo die Situation am lebensbedrohlichsten ist.

Telenotärzte als Modellprojekt bewährt

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Um die lebensrettenden ersten Minuten zu überbrücken, bis der Notarzt eintrifft, hat sich in Mecklenburg-Vorpommern seit 2017 der sogenannte Telenotarztdienst in zwei Landkreisen etabliert. Das System ermöglicht es, Notärzte zum Beispiel von einem Krankenhaus aus im Rettungswagen am Umfallort zuzuschalten und so wichtige Minuten zu überbrücken, bis ein Notarzt vor Ort eintrifft. Live übertragene Messwerte wie Blutdruck und Sauerstoffsättigung können so schon vorab aus der Ferne beurteilt werden. Seit 2018 gibt es für den Telenotarzt auch eine gesetzliche Grundlage im Rettungsdienstgesetz Mecklenburg-Vorpommerns. Das Modell wird beispielsweise von der Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern und dem DRK-Landesverband MV als wichtiges Element der Rettungskette angesehen. Flächendeckend eingeführt ist es jedoch nicht.

Lebensretter per Push: Die Landretter-App

Ein weiteres Modellprojekt ist die Landretter-App aus Vorpommern, bei der qualifizierte Ersthelfer per Smartphone zum Notfallort gerufen werden können, bevor der Rettungswagen eintrifft. Die Idee für die App hatte Prof. Klaus Hahnenkamp, Direktor der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Greifswald. Sein Ziel ist es, im dünn besiedelten Landkreis, in dem Retter weite Wege zurücklegen müssen, für Patienten mit Herz-Kreislaufstillstand die gleichen Überlebenschancen sicherzustellen wie in Ballungsgebieten. Denn ein Herzkreislauf-Stillstand sei immer noch eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. "Die Reanimation ist wichtig, damit der Kreislauf wieder hergestellt wird, damit das Hirn durchblutet ist," so Hahnenkamp. Die meisten, die solche Notfälle beobachten würden, "wollen ja was tun, das sieht man beispielsweise an der stabilen Seitenlage, die die Leute dann machen". Das sei in der Situation leider falsch, so Hahnenkamp. So entstand die Idee, zusätzlich mehr Laien zu trainieren, die lernen, wie man richtig reanimiert und diese ebenfalls zu alarmieren.

Das Konzept von First-Responder-Apps

Solche sogenannten First-Responder-Apps, die Ersthelfer und qualifizierte Laien zum Notfallort leiten, um die überlebenswichtigen ersten Minuten bis zum Eintreffen eines Rettungswagens oder -hubschraubers zu überbrücken, werden bundesweit noch nicht flächendeckend eingesetzt - im Nordosten bislang nur im Kreis Vorpommern-Greifswald. Wo bundesweit Landes- oder Kreisgrenzen aufeinandertreffen, bestehen meist verschiedene Systeme nebeneinander, die nicht miteinander kommunizieren können.

Woran scheitert eine landesweite Einführung der Landretter-App?

Eine landesweite Einführung des Angebots war bereits mehrfach Thema in Mecklenburg-Vorpommerns Landtag. Sie ist aber bislang unter anderem wegen fehlender Finanzierung nicht zustande gekommen. Grundsätzlich ist das Rettungswesen eine kommunale Aufgabe. Auch Ministerin Drese sagte auf NDR Nachfrage, sie halte die Landretter-App für eine gute Ergänzung. "Es wäre schön, wenn die bundeseinheitlich eingeführt würde." Sollte dies nicht passieren, sei es "natürlich ein Thema, das man im Land und mit dem Haushaltsgesetzgeber im Landtag besprechen muss", um eine landesweite App in MV einzuführen. "Aus Sicht des Gesundheitsministeriums ist das ein Weg, den man diskutieren muss", so Drese.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 17.07.2024 | 19:30 Uhr

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Herz-Kreislauferkrankungen

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