LNG-Pläne für Rügen: Habeck kommt für Treffen nach Mukran
Der Bund hat sich im monatelangen Streit über den Bau eines neuen LNG-Terminals in Mecklenburg-Vorpommern festgelegt. Nach den Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) soll die Flüssig-Erdgas-Station im Hafen Mukran auf Rügen entstehen.
Der Bund will ein neues LNG-Terminal im Hafen von Mukran auf Rügen errichten. Ein entsprechendes Schreiben von Habeck an Landes-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) liegt dem NDR vor. Jetzt soll es schnell gehen: Schon im Juni will der Bund die Genehmigungsanträge beim Bergamt Stralsund und dem Staatlichen Umweltamt einreichen. Es geht um eine rund 50 Kilometer lange Pipeline durch den Greifswalder Bodden vom Hafen Mukran zum zentralen Einspeiseort ins Gasnetz in Lubmin.
Bundeswirtschaftsminister Habeck will am Freitag mit der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns über das Terminal sprechen. Er werde am Freitag nach Mukran im Osten der Insel reisen, teilte eine Sprecherin des Ministeriums am Mittwoch auf Anfrage mit. Es solle für die LNG-Pläne geworben und die Notwendigkeit erläutert werden.
Enttäuschung auf der Insel Rügen
Der Binzer Bürgermeister, Karsten Schneider, zeigte sich bei NDR MV Live am Dienstag über die Entscheidung des Bundes enttäuscht. Ihm zufolge werde immer von Kommunikation gesprochen, die aber offenbar nicht stattfindet. Er warf dem Bund vor, nicht mit offenen Karten zu spielen und die Menschen auf Rügen vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Gemeinde Binz hat rechtliche Schritte angekündigt.
Umwelthilfe plant Treffen
Die Deutsche Umwelthilfe will ebenfalls rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen. Die Menschen würden in ihren Bedenken nicht ernst genommen und erst recht nicht beteiligt, heißt es in einer Mitteilung von Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Die massiven Eingriffe in den sensiblen Naturraum der Ostsee seien nie ernsthaft gegen die mögliche Vorteile des LNG-Terminals abgewogen worden. In knapp zwei Wochen will die Umwelthilfe zu einem Treffen auf der Insel einladen - um mit Umweltschutzverbänden, Behörden, Tourismusverantwortlichen und Einwohnern über das geplante Projekt zu sprechen.
FDP: Verständnis für Bedenken
Der FDP-Landtagsabgeordnete David Wulff äußerte Verständnis für die auf Rügen vorherrschenden Bedenken. Deshalb gelte es, das Bestmögliche für die Region aus der Situation herauszuholen. "Wenn Rügen mit dem LNG-Terminal einen enormen Nutzen für ganz Deutschland und halb Europa schafft, dann müssen die Menschen vor Ort auch davon profitieren", so Wulff. Zudem müsse der Ausbau der Infrastruktur für den Tourismus und die Wirtschaft vorangebracht werden.
Pro Terminal: Unternehmerverband Vorpommern
Eine Pro-Stimme zu den LNG-Plänen des Bundes kommt vom Unternehmerverband Vorpommern. Dessen Präsident, Gerold Jürgens, sprach sich bei NDR MV Live klar für ein Terminal in Mukran aus. Durch ein Terminal entstünden Arbeitsplätze, Familien würden in die Gegend ziehen und so würden auch mehr potenzielle Fachkräfte für die Tourismusbranche vor Ort generiert. Außerdem sei das Terminal bedeutend für den Hafen. "Industrie brauchen wir da in Sassnitz auf alle Fälle für den Hafen, der Hafen ist sonst auch bald tot", sagte Jürgens. Mukran sei seit 15 Jahren ein "Energiehafen", daher sei es folgerichtig, dort LNG-Terminals anzusiedeln. Er zeigte sich auch überzeugt vom Bedarf nach Flüssigerdgas und von der Verantwortung Rügens, einen Beitrag zur bundes- und europaweiten Energieversorgungssicherheit zu leisten.
Grüne fordern Nachweis von Bedarf
Kritik kommt auch vom Grünen-Abgeordneten Hannes Damm. Es sei unklar, wie die Bundesregierung den Bedarf für die Errichtung des LNG-Terminals auf Rügen nachgewiesen habe. "Folgt die Landesregierung nun widerspruchslos den Plänen des Bundes, missachtet sie den Landtagsbeschluss vom März dieses Jahres", erklärt er. Darin hätten die Fraktionen von SPD, Linke, FDP und Grüne beschlossen, dass die Landesregierung vom Bund einen Beleg für die Notwendigkeit des Terminals für die Versorgungssicherheit einfordert. Vorliegende Daten zeigten, dass die europäische Energieversorgung auch ohne zusätzliches LNG-Terminal gesichert ist.
Gasversorgung weiterhin "auf Kante genäht"
Bundeswirtschaftsminister Habeck hatte das Land bereits am vergangenen Freitag über die Pläne in Mukran informiert. Es gehe darum, "zügig eine Lösung für den LNG-Standort Mukran zu finden". Deutschlands Gasversorgung bleibt nach Ansicht des Bundes "auf Kante genäht", vor allem, wenn die kommenden Winter ungewöhnlich kalt sein sollten. Außerdem müsse man vorsorgen für den Fall, dass Russland seine noch laufenden Gas-Lieferungen über Land-Pipelines einstellt, bisher beziehe Europa über diesen Weg noch viel Erdgas.
LNG-Terminal auf See "technisch schwierig"
"Dass wir eine angespannte Versorgungssituation und kurzfristig weiteren Bedarf an LNG-Kapazitäten haben, steht damit außer Frage", schrieb Habeck an seinen Schweriner Amtskollegen. Deshalb will der Grünen-Minister Vorkehrungen treffen. Der Seehafen Rostock falle als alternativer LNG-Standort aus, dort gehe es um den Öl-Umschlag. Eine LNG-Station weit draußen auf der Ostsee aufzubauen, sei technisch schwierig und ökologisch bedenklich. Der Hafen Mukran ist dagegen nach Habecks Ansicht am besten als LNG-Standort geeignet. Tanker mit Flüssiggas sollen dort ihre Ladung anlanden, in zwei FSRUs (Regasifizierungsschiffe) soll die Fracht in Erdgas umgewandelt werden und durch die neue Pipeline nach Lubmin transportiert werden.
Entlastung für Lubmin geplant
Der Hafen Mukran hat mit mehr als 14 Metern einen Tiefgang, der das Einlaufen von LNG-Schiffen ermöglichen soll. Außerdem bietet er ausreichend Platz für zwei FSRUs. Davon ist nur eines zusätzlich. Denn das zweite, das bisher in Lubmin liegende Regasifizierungsschiff "Neptune", soll nach Mukran verlegt werden. Das Betreiberunternehmen, die Deutsche ReGas, würde die Pipeline zwischen Mukran und Lubmin nutzen.
ReGas soll auch Betreiber der Anlage in Mukran sein, Habeck spricht von einer "vereinfachten Projektstruktur". Ursprünglich war für das Terminal in Mukran das Energie-Unternehmen RWE im Gespräch. Der als Belastung für den Bodden angesehene Shuttleverkehr zwischen dem LNG-Terminal und dem Hafen Lubmin würde wegfallen, ebenso wie die Lärmbelastung am Standort Lubmin.
Minister will Gespräch mit der Bevölkerung suchen
In Mukran soll außerdem ein festes Terminal entstehen, das grünen Wasserstoff ins Netz einspeisen kann. Nach vorläufigen Plänen soll am Standort Ammoniak durch grünen Windstrom in Wasserstoff umgewandelt werden. Details dazu müssen noch geklärt werden. Landes-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) sagte dem NDR, er halte die Vorschläge Habecks im Ganzen für überzeugend. Er halte es für schwierig, sie komplett abzulehnen. "Wir müssen gemeinsam darüber reden, was möglich ist, was zumutbar ist, was akzeptabel ist", so Meyer, "der Bund muss die Frage beantworten: Was haben die Bürgerinnen und Bürger speziell davon, wenn solche Schiffe dort stationiert werden?" Darüber hätten sich Land und Bund bereits Gedanken gemacht.
Widerstand seit Monaten
Der Bund hatte den Hafen Mukran bereits bei einem Besuch auf Rügen vor fast drei Wochen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Bundeswirtschaftsmininster Robert Habeck (Grüne) ins Spiel gebracht. Seit Monaten schon sorgen die LNG-Pläne auf Rügen für heftigen Widerstand auf der Insel. Am Montag erst erläuterten LNG-Gegner vor dem Petitionsausschuss des Bundestags die Gründe für ihre Ablehnung. Einige von ihnen hatten danach den Eindruck, auf offene Ohren gestoßen zu sein. Kritiker fürchten um die Umwelt und den für Rügen besonders wichtigen Tourismus. Auch die Schweriner Landesregierung hatte Zweifel angemeldet, dass das Terminal benötigt wird, und eine Darlegung des Bedarfs eingefordert.