AfD-Fraktion nennt Landtagsarbeit "undemokratisches Kasperletheater"
Die AfD-Fraktion muss wegen ihrer Angriffe auf die Spitze des Landtags und die übrigen Fraktionen deutliche Kritik einstecken. Die Oppositionspartei beklagt eine vermeintliche Ausgrenzung - die übrigen Fraktionen weisen das vehement zurück.
Mittwoch, 12 Uhr, in den Räumen der Linksfraktion in der Puschkinstraße in Schwerin: Der Parlamentarische Geschäftsführer Torsten Koplin begrüßt seine Kollegen von SPD, CDU, Grünen und FDP. Es ist das übliche Treffen einige Tage vor der nächsten Sitzungswoche, die fünf Fraktionen wollen sich austauschen. Und obwohl sie nicht offiziell eingeladen sind, verschaffen sich auch AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer und sein Kollege Thore Stein Zugang, sie hatten offenbar zufällig von dem Gespräch gehört. Die Runde scheint zunächst etwas verdutzt. Koplin begrüßt die AfD-Männer jedoch freundlich, es werden allgemeine Dinge besprochen, schließlich bittet Koplin die beiden zu gehen, das AfD-Duo sagt "Auf Wiedersehen".
AfD gibt Pressemitteilung heraus
Einen Tag später greift die rechtspopulistische "Junge Freiheit" - die als der mediale Arm der AfD gilt - den Vorgang auf und wählt die Überschrift: "Wie die AfD in Parlamenten durch Kungelrunden kaltgestellt wird". Lautstark schimpft der Parlamentarische Geschäftsführer Thore Stein über einen "Skandal" und gibt flankierend eine vorbereitete Pressemitteilung heraus. Darin beschwert sich Stein über eine vermeintliche Ausgrenzung seiner Fraktion. Er macht das Treffen der Fraktionen als "undemokratisches Kasperletheater" verächtlich und beklagt eine "Hinterzimmerpolitik", bei der auch Landtagsdirektor Armin Tebben teilgenommen habe.
Koplin: "Gespielte Empörung"
Indirekt fordert Stein Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) zum Eingreifen auf, denn die anderen Landtagsparteien würden das zentrale Gremium, den Ältestenrat, durch diese Nebenrunde "überflüssig" machen". Torsten Koplin sieht das ganz anders und weist die Vorwürfe auch mit Blick auf die Geschäftsordnung zurück: "Wir sind völlig frei darin zu entscheiden, mit wem wir reden. Das sind übliche Gesprächsformate. Das, was die AfD da abzieht, ist gespielte Empörung." Er habe außerdem keinen Gesprächsbedarf mit der AfD, die sei vorurteilsbeladen, polarisiere und bei ihr würden sich "jede Menge Rechtsradikale tummeln". Koplin wörtlich: "Da habe ich keinen Bock drauf."
AfD auch in MV als Verdachtsfall geführt
Ähnlich äußerte sich die SPD. Sie spielte in ihrer Reaktion darauf an, dass die AfD auch in Mecklenburg-Vorpommern vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird, dass ihre Spitzenleute wie der thüringische AfD-Chef Björn Höcke wegen Nazi-Sprüchen verurteilt werden oder andere - wie der ausgesonderte EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah - die Terrortruppe Waffen-SS verharmlosten. Ein SPD-Sprecher erklärte auf Anfrage: "Dass eine AfD-Fraktion, die sich durch Kooperationen mit der Identitären Bewegung selber in die rechtsextreme Ecke stellt, über ihre rechtlich verankerte Beteiligung hinaus nichts an Kooperation oder Austausch jenseits offizieller Gremien zu erwarten hat, ergibt sich von selber."
Grüne lehnen Zusammenarbeit mit AfD ab
Auch die Grünen signalisierten, das, was man als "klare Kante" bezeichnen könnte: Die Treffen der fünf Fraktionen seien "vollkommen normale Landtagsarbeit". Für die Abgeordnete Jutta Wegner ist der Aufschrei der AfD ein "billiger und leicht durchschaubarer Versuch, sich in die Opferrolle zu reden". Die Fraktionen könnten selbst entscheiden, mit wem sie bei welchen Themen kooperieren. Auch die Grünen erklärten: "Die AfD ist eine verfassungsfeindliche Partei, daher arbeiten wir nicht mit ihr zusammen."
Vielzahl von informellen Runden im Landtag
Die CDU-Fraktion versteht die Empörung der AfD ebenfalls nicht. Es gebe eine Vielzahl informeller Runden im Landtag, meinte der Parlamentarische Geschäftsführer Sebastian Ehlers. An denen sei auch die Union nicht immer beteiligt. Sinn und Zweck sei es, sich einmal außerhalb offizieller Gremien auszutauschen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, David Wulff, teilte auf Anfrage mit, es sei nicht ungewöhnlich, wenn einzelne Fraktionen sich austauschten. Es gebe auch andere Runden, beispielsweise Treffen der Koalitionsfraktionen oder der Jamaika-Opposition, also von CDU, Grüne und FDP.
Tebben weist Vorwürfe zurück
Der von der AfD angegriffene Landtagsdirektor Armin Tebben weist die Vorwürfe als "abwegig und nicht nachvollziehbar" zurück. Er begreife sich als Dienstleister der Fraktionen, wenn die ihn zu Treffen bitten würde, würde er diesen Einladungen folgen. So sei das auch am vergangenen Mittwoch gewesen. Tebben weist darauf hin, dass er auch schon "informelle Gespräche nur mit der AfD-Fraktion geführt" habe. Eine Benachteiligung, wie von der AfD beklagt, könne er nicht erkennen. Sie genieße alle parlamentarischen Rechte, die ihr zustünden.
AfD in Ausschüssen vertreten
Das machen auch die übrigen Fraktionen klar. "Es gibt keinen Ältestenrat ohne die AfD", erklärte die SPD-Fraktion. Alles andere seien falsche Behauptungen und Skandalisierungen der AfD, "die nur einem Zweck dienen: Demokratie und Meinungsvielfalt schlecht zu machen". Ein Blick in die Organisation des Landtags bestätigt das: Die AfD ist als zweitstärkste Fraktion in allen Ausschüssen des Landtags vertreten, im Wirtschaftsausschuss und im Wissenschaftsausschuss stellt sie jeweils den Vorsitzenden, ebenso im Untersuchungsausschuss zur Unimedizin.
Hesse plädiert für Gleichberechtigung
Landtagspräsidentin Hesse legt in ihrer Sitzungsleitung betont Wert darauf, alle Fraktionen gleichberechtigt zu behandeln. Auch im parlamentarischen Verfahren gilt das Demokratieprinzip. Danach entscheidet am Ende die Mehrheit. Der Landtag hat 79 Abgeordnete, davon gehören 13 der AfD an - das ist eindeutig nicht die Mehrheit.