NDR Info - Redezeit
Donnerstag, 18. April 2024, 20:33 bis
22:00 Uhr, NDR Info
Umkämpfter Paragraf 218 - dürfen Schwangerschaftsabbrüche legalisiert werden?
Hörerinnen und Hörer haben in der NDR Info Redezeit mit Experten über das Abtreibungsrecht diskutiert. Die Sendung als Video-Mitschnitt.
Ein Expertenbericht hat die Diskussion über eine Reform des Strafrechts-Paragrafen neu angefacht. Muss die gesetzliche Grundlage für Schwangerschaftsabbrüche geändert werden? Das war das Thema in der Redezeit am 18. April 2024.
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland derzeit grundsätzlich illegal. Er wird laut Paragraf 218 im Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Ein Abbruch ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aber in bestimmten Fällen nicht strafbar. Nämlich dann, wenn er in den ersten zwölf Wochen geschieht und die Frau eine Beratung in Anspruch genommen hat. Ein Schwangerschaftsabbruch ist ebenfalls straffrei, wenn die körperliche und seelische Gesundheit der Frau gefährdet ist. Oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist.
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Kommission will die Rechte der Schwangeren stärken
Die Experten einer von der Bundesregierung eingesetzten Kommission schlagen nun vor, dass eine Abtreibung künftig in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen grundsätzlich entkriminalisiert werden sollte. Die stellvertretende Koordinatorin, Frauke Brosius-Gersdorf, betonte, eine Änderung sei nicht einfach nur eine Formalie. Für die betroffenen Frauen mache es einen großen Unterschied, ob das, was sie täten, Unrecht sei oder Recht. "Außerdem hat das Auswirkungen auf die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungen." Allerdings spricht sich die Kommission zugleich dafür aus, dass Abbrüche weiter grundsätzlich verboten bleiben, sobald der Fötus eigenständig lebensfähig ist. Diese Grenze liege den Fachleuten zufolge ungefähr in der 22. Woche seit Beginn der letzten Menstruation.
Droht ein "gesellschaftlicher Großkonflikt"?
Nun sind die Sorgen vor einer polarisierenden Diskussion groß und eine schnelle Entscheidung gilt als unwahrscheinlich. Die zuständigen Minister ließen offen, ob sie noch in dieser Wahlperiode eine Gesetzesänderung angehen wollen. Am Ende brauche es dafür einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD. "Was wir nicht gebrauchen können, das sind Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen oder gar spalten", so formulierte es Justizminister Marco Buschmann von der FDP. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, die Empfehlungen der Kommission böten eine gute Grundlage für den notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs. Bereits im Vorfeld hatte Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) vor einem "gesellschaftlichen Großkonflikt" gewarnt. Die Union droht bereits mit einer Klage, sollte es zu einer entsprechenden Gesetzesänderung kommen.
NDR Info Moderatorin Nina Zimmermann begrüßte als Gäste:
Prof. Dr. Steffen Augsberg
Rechtswissenschaftler an der Justus-Liebig Universität Gießen, Mitglied im Deutschen Ethikrat
Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Doris Scharrel
Gynäkologin, Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzt*innen Schleswig-Holstein