Mitreden! Deutschland diskutiert
Montag, 11. November 2024, 20:15 bis
22:00 Uhr, NDR Info
Deutschland steht nach dem Kollaps der Ampel-Koalition vor Neuwahlen - und das im zweiten Jahr mit einer schrumpfenden Wirtschaft. Wirtschafts- und Sozialpolitik werden prägende Wahlkampfthemen. Wir wollten wissen: Welchen Weg sehen Sie aus der Wirtschaftskrise? Haben wir zu viel Sozialstaat?
Moderator Christian Orth begrüßte als Gäste:
Yasmin Fahimi
Vorsitzende des DGB und SPD-Mitglied
Prof. Dr. Dr. Clemens Fuest
Wirtschaftsforscher und Chef des ifo-Instituts
Rigobert Kaiser
Wirtschaftsredakteur beim Bayerischen Rundfunk
Lukas Köhler
Mitglied im FDP-Bundesvorstand und Abgeordneter
Die Sendung zum Nachschauen bei YouTube:
Deutschland steht vor einem kurzen, mutmaßlich harten Richtungswahlkampf: Der wirtschaftsliberale Partner FDP ist aus der Ampel-Koalition ausgeschieden, oder vielmehr: ausgeschieden worden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den FDP-Chef und Vizekanzler Christian Lindner rausgeworfen. Das Mittelinks-Lager aus SPD und Grünen will weiterarbeiten - als Minderheitsregierung ohne die Liberalen. So ein chaotisches Ende einer Regierung hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Der 6. November als Tag des Ampel-Kollaps ist schon jetzt historisch - und das in einer Lage, in der die deutsche Wirtschaft weiter in der Rezession steckt.
Die wirtschaftliche Lage ist ernst
Das Aus der Ampel-Koalition fällt in eine Phase, in der es bei den deutschen Autokonzernen kriselt, es droht Stellenabbau bei den Stammbelegschaften. Auch die Bauwirtschaft und die Industrie klagen über zu enge bürokratische Fesseln, zu hohe Lohnkosten und zu hohe Energiepreise. Sicher ist aktuell nur: Es wird nicht erst im September 2025 neu gewählt, sondern deutlich früher. Scholz will über einen möglichen Termin für Neuwahlen "möglichst unaufgeregt diskutieren", sagte er zwei Tage nach dem Koalitions-Aus. Zunächst hatte Scholz angekündigt, die Vertrauensfrage am 15. Januar zu stellen, was eine Neuwahl im März bedeutet hätte. Nun könnte das auch früher geschehen.
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Lässt sich die Krise ohne neue Schulden lösen?
Der Ampelzoff hat gezeigt: Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Sichtweisen auf die Lösungen der Wirtschaftskrise. Die wirtschaftsliberale Schule von Union und FDP lautet: Unternehmenssteuern runter und das Geld dafür, ohne weitere Staatsschulden, freisetzen, indem man den Sozialstaat bei Rente, Krankenversicherung oder Bürgergeld zurückstutzt. Oder - dank unterdurchschnittlichem Schuldenstand innerhalb der EU und der Euro-Zone: die Doppelkrise aus Ukraine-Krieg und Rezession zur Notlage erklären, neue Schulden machen und damit Steuern senken und zum Beispiel die Autobranche mit E-Auto-Subventionen stützen. Das schwebt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und dem Kanzler vor.
Grundkonsens bei der Ukraine und beim Umgang mit Trump
Beim Thema Ukraine-Krieg gibt es einen Grundkonsens in der politischen Mitte. SPD, CDU, CSU, Grüne und FDP wollen das von Putin angegriffene europäische Nachbarland vor Russland retten. Nur AfD und BSW suchen den Blitz-Frieden mit Moskau, der auf eine Abtretung ukrainischen Gebiets hinausläuft. Mit US-Staatschef Donald Trump werden sich alle arrangieren müssen. Nach dessen deutlichem Sieg hat die Bundesregierung eilig gratuliert. Die Erkenntnis: Man muss mit Trump arbeiten, egal wie man zu seinem Kulturkampf und seiner protektionistischen "America-First"-Haltung steht. Das wird auch für jede nächste Regierung gelten. Als Exportland will Deutschland international vernetzt bleiben - und muss sich vermutlich auf neue Zollschranken einstellen. Über die wirtschafts- und sozialpolitische Richtung wurde bereits in der Ampel-Koalition - und wird nun im Wahlkampf hitzig debattiert, denn der Wahlkampf hat mit dem Lindner-Rauswurf praktisch begonnen.