Wie der Mittelstand auf den Industriegipfel von Scholz blickt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Freitag zum Industriegipfel eingeladen. Firmen aus dem Mittelstand bleiben außen vor. Zwei Familien-Unternehmer aus dem Großraum Hamburg erzählen, wie sie auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland schauen - und was sich ändern müsste.
"Wir fliegen in jedem Airbus mit", sagt Geschäftsführer Arnold Mergell von Hobum - einem kleinen Chemie-Unternehmen, das in Hamburg auf der Basis von Pflanzenölen Rohstoffe für die Industrie herstellt. Für Airbus entstehen daraus Beschichtungen für Tanks. Aber die umweltfreundlichen Rohstoffe werden auch verwendet für Schaumstoffe in Polstermöbeln, im Unterboden für Autos oder in Deckeln von Gurken-Gläsern. Das familiengeführte Unternehmen - in vierter Generation - beschäftigt am einzigen Standort in der Nähe des Harburger Hafens 58 Mitarbeitende.
Die Geschäfte laufen eigentlich gut
Die wirtschaftlichen Aussichten sind gar nicht mal so schlecht. "Wir wollen unsere Produktion innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre verdoppeln", sagt Mergell. Die pflanzenbasierten Rohstoffe sind gefragter denn je, da immer mehr Kunden auf ihren CO2-Fußabdruck achten. Vergleichbare Produkte auf der Basis von Erdöl sind zwar noch günstiger. "Aber inzwischen sind die Kunden auch bereit, etwas mehr zu zahlen, wenn das Produkt umweltfreundlicher ist."
Die Energiepreise sind ein Ärgernis
Und doch ist die Stimmung bei dem Hamburger Unternehmer gerade nicht sonderlich gut. "Das größte Problem für uns sind die Energiepreise", schildert Mergell. "Im Vergleich mit Unternehmen in den USA zahlen wir in Deutschland das 3-, 4- oder 5-Fache." Hobum benötigt für die Produktion viel Energie: 90 Prozent sind Gas, zehn Prozent Strom. Sobald die Firma ab dem Jahr 2027 ans Hamburger Wasserstoff-Netz angeschlossen ist, soll das Gas schrittweise durch grünen Wasserstoff ersetzt werden. "Der grüne Wasserstoff ist noch zehn Mal teurer als Erdgas", so Mergell. Deshalb will er zunächst maximal 20 Prozent Wasserstoff beimischen.
Lieber Chemiker einstellen als Datenschutz-Beauftragte
Aber nicht allein die Energiekosten treiben den 54-Jährigen um. "Von der Politik würde ich mir wieder mehr Vertrauen in den Mittelstand wünschen - nicht immer dieses Misstrauen, diese Kontrollsucht." Der Geschäftsführer klagt über "überbordende Bürokratie". Jede einzelne Regelung für sich genommen sei zwar nicht schlimm. "Aber in der Masse erschlägt es uns." Zumal der Bund die Vorgaben aus der EU mitunter nicht einfach 1:1 umsetze. "Deutschland legt häufig noch einen drauf und macht 150 oder 200 Prozent des Geforderten. Und das ist sehr bedauerlich, weil es insbesondere mittelständische Unternehmen trifft."
Seine Kritik richtet sich keineswegs einzig an die nun gescheiterte Ampel-Regierung. "Die Merkel-Regierungen nehme ich davon nicht aus." Die negative Entwicklung habe schon vor 20 Jahren begonnen. Sein Team müsse sich viel zu viel mit Bürokratie beschäftigen. "Ich würde viel lieber zwei Chemiker einstellen als einen Datenschutz-Beauftragen und eine Compliance Managerin", sagt Mergell.
Der Hamburger fordert, dass das politische Vakuum in Berlin nach dem Ampel-Aus möglichst schnell endet. "Wir Unternehmer hassen Unsicherheit. Wir brauchen wieder eine Vision für Deutschland, die dann auch für fünf oder zehn Jahre gilt."
"Familien-Unternehmen müssen mehr geschätzt werden"
Auch Michael Hass fordert ermunternde Signale aus dem politischen Berlin. Er führt in zweiter Generation ein kleines Familien-Unternehmen in Oststeinbek bei Hamburg. Mit einem Team von 20 Mitarbeitenden stellt er Spritzgussformen und technische Plastikteile für ganz verschiedene Abnehmer her. Mal ist es eine Schnuller-Verpackung, mal ein Bauteil für ein E-Auto von Tesla oder ein Gehäuse für Brandmelder. "Ich würde mir wünschen, dass Traditionsunternehmen wieder mehr geschätzt werden", sagt Hass. Seine Firma steht im globalen Wettbewerb, aber die Kunden kommen alle aus einem Umkreis von 500 Kilometern. "Das sind alles Kunden, die unsere Nähe schätzen."
Fachkräfte-Mangel ist ein großes Thema
Schnell kommt der Unternehmer auf den Fachkräfte-Mangel zu sprechen, der ihm zu schaffen macht. "Liebend gerne würde ich mehr Leute einstellen, aber ich finde einfach niemanden. Dabei habe ich schon ein internationales Team." Mit Mitarbeitern aus der Türkei und aus Polen. "Ohne Migration bin ich völlig aufgeschmissen", so der Firmenchef. Er hofft auf Lösungen aus der Politik, damit mehr Bewerber aus dem nicht-europäischen Ausland bei ihm einen Job annehmen können.
Das Ausland lockt mit Vergünstigungen
Gibt es aus seiner Sicht weitere Hürden für erfolgreiches Wirtschaften? "Nun, wir haben in Deutschland die höchsten Steuern, die höchsten Löhne und die höchsten Energiekosten. Zumindest an zwei von diesen drei Säulen müsste man ran." Hass meint damit die Steuern und die Energiepreise. Er fordert Steuer-Erleichterungen und "planbare Energiekosten", damit sein Betrieb auch in Zukunft auf dem Weltmarkt mithalten kann. Der Geschäftsführer denkt inzwischen darüber nach, zumindest einen Teil der Produktion ins Ausland zu verlagern. "Die Verlockung ist da - im Ausland wird man mit zwei, drei Jahren Steuerfreiheit unterstützt - und auch die Sozialversicherungs-Beiträge braucht man nicht bezahlen."
Unklare Perspektive für die nächste Generation
Ob er das Unternehmen an die nächste Generation in der Familie weitergibt, ist noch nicht ganz ausgemacht. "Ich würde die Tradition natürlich gerne weitergeben. Aber man fragt sich schon: Lohnt es sich noch, für die nächste Generation Herzblut und Geld in das Unternehmen zu stecken?", meint Michael Hass. Dabei steht sein Sohn schon in den Startlöchern: Er hat seine Ausbildung zum Industriekaufmann bereits abgeschlossen.