Hochbahn-Chef Henrik Falk steht in der geöffneten Tür des autonomen Shuttles Holon Mover. © NDR Info Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Hochbahn-Chef Henrik Falk steht in der geöffneten Tür des autonomen Shuttles Holon Mover. © NDR Info Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Hochbahn-Chef Henrik Falk steht in der geöffneten Tür des autonomen Shuttles Holon Mover. © NDR Info Foto: Marc-Oliver Rehrmann
AUDIO: Wie Hamburg das eigene Auto überflüssig machen will (31 Min)

Warum Hamburg auf Tausende autonome Shuttles setzt

Stand: 23.10.2023 06:37 Uhr

In Zeiten der Klimakrise fragen sich weltweit viele Großstädte, wie sie die Mobilitätswende schaffen können. Auch Hamburg hat eine Vision für den Verkehr im Jahr 2030. Dann sollen Tausende selbstfahrende Kleinbusse eine wichtige Rolle spielen.

von Marc-Oliver Rehrmann und Arne Schulz

Hamburgs Hochbahn-Chef Henrik Falk gerät leicht ins Schwärmen. Gerade, wenn es um die Mobilität der Zukunft geht. "Also, ich finde, er sieht ganz schön stylisch aus!" Der 53-Jährige steht vor dem Holon Mover, einem ganz besonderen Kleinbus. In einigen Jahren soll das Fahrzeug als autonom fahrendes Shuttle das Hamburger Straßenbild prägen - und allein deshalb gut aussehen. "Der Holon Mover ist in Turin entworfen worden - von Designern, die sonst Ferraris designen", erzählt Falk. Bei einem Blick in den Innenraum fällt sofort auf: Da gibt es keinen Fahrersitz, kein Lenkrad, kein Gaspedal, keinen Rückspiegel. Schließlich soll der Holon Mover ganz ohne Fahrer auskommen.

Verkehr der Zukunft soll klimafreundlich sein

Die Vision des Hochbahn-Chefs für das Jahr 2030 hat es in sich: Mindestens 10.000 autonom fahrende Shuttles mit Elektro-Antrieb soll es dann auf Hamburgs Straßen geben. Sie sollen einer der wichtigsten Bausteine in der Mobilitätswende sein. Denn Hamburg hat sich viel vorgenommen: Im Jahr 2030 sollen 80 Prozent der Wege in der Stadt klimafreundlich zurückgelegt werden - also mit Bus und Bahn, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Aktuell liegt dieser Wert bei rund 64 Prozent.

Hochbahn-Chef Henrik Falk steht in der geöffneten Tür des autonomen Shuttles Holon Mover. © NDR Info Foto: Marc-Oliver Rehrmann
AUDIO: Mobilitätswende: Hamburg will 10.000 autonome Shuttles (5 Min)

Hamburg baut deshalb mit der U5 eine neue, vollautomatisierte U-Bahn-Linie. Und mit einer Digitalisierung des bestehenden U-Bahn-Netzes sollen bald mehr Züge fahren können - auf manchen Abschnitten in der Innenstadt bis zu sechs Züge innerhalb von zehn Minuten.

Das eigene Auto ist noch zu attraktiv

Für den Hochbahn-Chef gilt aber auch: Allein den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, werde nicht reichen. "Selbst wenn wir den ÖPNV bis zum Erbrechen ausbauen, kenne ich trotzdem aus meinen realen Erlebnissen in den letzten 20 bis 30 Jahren keinen, der dafür sein Auto verkauft", sagt Falk im NDR Info Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". Zu diesem persönlichen Eindruck passen Statistiken aus der Hansestadt: Zuletzt hat die Zahl der zugelassenen Pkw noch zugenommen.

Der eigene Wagen sei in vielen Lebenssituationen einfach nicht zu schlagen, meint Falk. Etwa beim Wocheneinkauf oder wenn es darum geht, die Kinder zum Fußball-Training zu bringen. Der Hochbahn-Chef hat selbst ein Auto, er wohnt mit seiner Familie am Stadtrand. "Ich bin ein typischer Allesnutzer." Mal sei er mit einem E-Scooter unterwegs, mal mit U- oder S-Bahn - und manchmal sei eben das Auto noch die beste Wahl. Aber das soll sich ändern.

"Besser als mit jedem menschlichen Fahrer"

Falks Plan ist simpel: Möglichst viele Menschen sollen in den nächsten Jahren aufs eigene Auto verzichten - für eine lebenswertere Stadt. Und hier setzt der Verkehrsmanager vor allem auf das autonome Fahren. Vor ein paar Monaten hat er in San Francisco selbst in einem autonom fahrenden Auto gesessen. Für ihn war es ein einschneidendes Erlebnis. "Da bin ich mitten am Tag zwei Stunden durch San Francisco gefahren. Und nach diesen zwei Stunden muss ich sagen: Die Fahrt war nicht ruckelig, wirklich souverän. Besser als mit jedem menschlichen Fahrer."

"Man merkt schnell, dass die Technik funktioniert"

Der Hochbahn-Chef zeigt sich überzeugt, dass die Technik für das autonome Fahren schon bald alltagstauglich sein wird - auch wenn es noch einige Herausforderungen zu meistern gelte. Und er glaubt, dass die Menschen sich schnell an Fahrzeuge wie den Holon Mover gewöhnen werden. "Bei meiner Fahrt in San Francisco war das so: Nach zehn Minuten ist das langweilig. Nach zehn Minuten merkt man, die Technik funktioniert. Das Fahrzeug weiß, wie es abbiegen muss und auf wen es achten muss", so Falk. "Da fängt man dann an rauszuschauen, sich die Stadt anzusehen oder auf dem Handy zu daddeln."

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Holon Mover: Erste Testfahrten für 2024 geplant

Mit den Shuttles von Holon sind in etwa einem Jahr erste Testfahrten im Stadtgebiet geplant, zunächst noch mit Sicherheitsfahrer an Bord. Wenn später der normale Fahrgast-Betrieb anläuft, sollen Fahrten bequem mit dem Smartphone gebucht und bezahlt werden können. Feste Routen oder feste Fahrpläne wird es nicht geben. Bei einer Fahrt ans Wunschziel kann es sein, dass unterwegs weitere Fahrgäste zusteigen, die eine ähnliche Route haben. Verkehrsexperten sprechen von "Ridepooling". Bis zu 15 Fahrgäste finden Platz in einem Holon Mover. Die im November 2022 gegründete Marke Holon gehört zum Automobil-Zulieferer Benteler mit Hauptsitz in Paderborn.

Auch MOIA setzt aufs autonome Fahren

Die Volkswagen-Tochter MOIA hat in Hamburg bereits einen Fahrdienst mit Shuttles auf Abruf etabliert - und baut nun auch auf das autonome Fahren als Geschäftsmodell für die Zukunft. Die ersten Testfahrten finden schon in diesem Herbst statt. Und ab nächstem Jahr will MOIA den autonomen Betrieb in einigen Stadtteilen mit Fahrgästen ausprobieren. Dafür entwickelt VW eine autonome Version des Elektrobusses ID. Buzz. In einigen Jahren sollen 5.000 autonome Fahrzeuge von MOIA in der Stadt unterwegs sein. Sie könnten dann Teil des geplanten Pakets von insgesamt 10.000 autonomen Shuttles in Hamburg sein.

Attraktiv sind die autonom fahrenden Shuttles vor allem für Stadtviertel in den Hamburger Randbezirken, die größere Lücken im öffentlichen Nahverkehr haben. Aber auch für ländliche Gebiete könnten die selbstfahrenden Fahrzeuge eine Alternative zum Linienbus oder zum eigenen Auto sein.

Oslo geht noch einen Schritt weiter

Hamburg folgt mit seinen Plänen für das autonome Fahren einem weltweiten Trend. "Oslo ist sogar noch mutiger", sagt der Direktor des Instituts für Mobilität an der Universität St. Gallen, Andreas Herrmann. "In der norwegischen Hauptstadt sagen sie: Bis 2030 haben wir nicht 10.000 autonome Fahrzeuge in den Straßen, sondern 30.000. Die Idee ist, im Prinzip den privaten Verkehr in dieser Metropolregion zu ersetzen."

Private Autos aus der Stadt zu verbannen, so weit geht Hamburg nicht. Hier sollen Autobesitzer ihren Wagen freiwillig abschaffen. Einfach weil es praktische, günstige und klimafreundliche Alternativen gibt.

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