Wände voller Energie: Forscher entwickeln stromspeichernden Zement
Die Energiewende kann nur gelingen, wenn Strom aus Solar- und Windkraft in großen Mengen gespeichert wird, um wetterbedingte Schwankungen auszugleichen. Noch gibt es dafür kein optimales Verfahren. US-Forscher meinen nun, eine Möglichkeit gefunden zu haben: stromspeichernden Zement.
Die Forschungsgruppe des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den Vereinigten Staaten hat ihr Projekt kürzlich in einer Studie vorgestellt. Das Prinzip: Herkömmlicher Zement wird mit Ruß vermischt. Die winzigen Rußpartikel – nur so dick wie ein Tausendstel eines Haars – bilden ein Netz aus ultrafeinen Drähten in der Zementmasse. Weil Ruß eines der am besten leitenden Materialien sei, würde man so einen Energiespeicher direkt in den Baustoff hineinbauen, erläutert Franz-Josef Ulm das Projekt. Der Bau- und Umweltingenieur leitet die MIT-Forschungsgruppe.
"Der Zement muss zu Beton verarbeitet werden, um stromspeichernde Gebäude daraus zu bauen. Diese können Sonnenenergie aufnehmen und wieder abgeben", so Ulm. Laut des Forschungsleiters bräuchte man 45 Kubikmeter Zement, um zehn Kilowattstunden und somit genug Energie für den täglichen Bedarf eines Einzelhauses zu speichern. Das entspräche ungefähr der Fundamentplatte des Gebäudes.
Ruß und Wasser macht Zement weniger belastbar
Ein Knackpunkt bei dem Forschungsprojekt ist die Belastbarkeit des stromspeichernden Zements. Ingenieur Ulm räumt ein: "Wenn man die Speicherungskapazität durch mehr Ruß erhöht, kommt es zu einer Reduzierung der Festigkeit." Die richtige Balance zwischen Speicherfähigkeit und Festigkeit des Materials müsse für jeden Bau individuell herausgefunden und durch Ingenieurlösungen bewältigt werden.
Pietro Lura, Zementexperte des Schweizer Forschungsinstituts für Materialwissenschaften und Technologie (EMPA), sieht ein weiteres Problem. Seiner Meinung nach enthält der MIT-Zement mit einem Wert von 1,4 zu viel Wasser, um wirklich belastbar zu sein. "Die Wasser-Zementwerte machen es unmöglich, dass man mit diesen Materialien baut", sagt er. "Maximal 0,6 wäre ein guter Wert für einen Normalbeton. Bei Hochleistungsbeton gehen wir deutlich tiefer."
Offene Fragen zu Speicherfähigkeit von Beton
Lura kritisiert zudem, dass es noch keine Erkenntnisse dazu gebe, wie sich der stromspeichernde Zement verändert, wenn er zu Beton verarbeitet werden würde. Luna: "Mit Zementstein kann man nicht bauen. Zement ist nicht volumenstabil, deswegen muss man mit Beton bauen. Beton hat aber etwa 70 Prozent Volumengesteine in der Matrix. Diese Gesteine würden die elektrischen Eigenschaften des Materials sicher ändern."
Auch andere Forschungsgruppen arbeiten an stromspeichernden Baustoffen, so Lura. Aber noch hapere es an der realen Umsetzung.
In Massachusetts setzt das Forscherteam seine Arbeit fort. Ob und wann die offenen Fragen beantwortet werden können, ist noch unklar. Aber dieSuche nach neuen Energiespeichern drängt: Deutschland benötigt bis 2030 um die 100 Gigawattstunden Speicherleistung – das ist 20-mal mehr, als bislang vorhanden.