Auf der Suche nach dem Batteriespeicher der Zukunft
Für die Energiewende kommt es auch auf Batteriespeicher an. Mit ihnen lassen sich einerseits die Netze entlasten, andererseits können Wind- und Sonnenenergie als Reserve für Tage vorgehalten werden, an denen es wolkig ist und der Wind nicht weht. Oder: Tagsüber wird Solarstrom eingespeichert, der dann nachts abgerufen werden kann. Wie weit ist die Technologie?
Nastran Krawczyk tüftelt mit Hingabe an der Batterie der Zukunft. Die Chemikerin malt sich eine Zukunft aus, in der Batteriespeicher im großen Stil einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Sie ist schon seit vielen Jahren fasziniert von den Möglichkeiten, die eine neuartige Batterie bieten kann. Eine Batterie, die - anders als die jetzigen Lithium-Ionen-Batterien - nicht brennbar ist. Und die eine sehr lange Lebensdauer hat. Das heißt: Man kann sie sehr viel öfter aufladen und entladen. "Mir war immer klar: Wenn es gelingt, eine solche Batterie zu entwickeln und das sogar noch kommerziell nutzbar zu machen, ist das ein Game-Changer", sagt Nastran Krawczyk. "Für die Umwelt, für die Natur, für uns Menschen wird das eine sehr, sehr große Bedeutung haben."
Wer sie treffen will, fährt am besten nach Alzenau, eine kleine Stadt in Bayern, in der Nähe von Hanau. Dort ist sie die Technik-Chefin des Start-Ups CMBlu, das Batteriespeicher auf den Markt bringen will. Das Unternehmen gibt es seit knapp zehn Jahren, 190 Menschen arbeiten dort.
Ein Wendepunkt für die Menschheit
Chef von CMBlu ist Peter Geigle. Auch er wollte eine nicht-brennbare Batterie bauen und hat darin ein großes Geschäftsmodell gesehen. Denn wenn die Energiewende gelingen soll, müssen die Gesellschaften anders mit der Energie haushalten. "Die Menschheit kann seit mehr als 100.000 Jahren Energie speichern", sagt Geigle. "Wir haben zunächst Feuerholz neben dem Feuer gestapelt. Das war unser Energiespeicher. Und wenn wir Energie gebraucht haben, haben wir ein bisschen Holz nachgelegt. Später haben wir eigentlich nur das Feuerholz ersetzt durch Kohle, Gas oder Erdöl. Letztlich haben wir immer einen Energiespeicher gehabt, den wir angezündet haben, in Wärme umgewandelt haben. Und aus dieser Wärme haben wir dann wiederum technische Energie gemacht. Und das ist mit Erneuerbaren Energien nicht möglich. Da müssen wir die erzeugte Energie speichern." Eine mögliche Lösung hierfür sind Batteriespeicher.
Viele Batterien für einen großen Speicher
Gerade sind bei CMBlu die ersten Modelle ihrer Batterien montiert worden, die demnächst in Deutschland und in Österreich eingesetzt werden sollen. Ein Verkaufsargument: Weil die neuartigen Batterien nicht brennbar sind, können sie zu beliebig großen Speichern zusammengefügt werden. Lithium-Ionen-Batterien hingegen sind wegen der Brandgefahr nicht beliebig stapelbar. Und selbst, wenn sie nebeneinander stehen, müssen noch Abstände eingehalten werden. Das bedeutet: Ein umfassender Speicher mit Lithium-Ionen-Batterien bräuchte sehr viel Platz.
Ein geheimnisvolles schwarzes Granulat
Was macht die Batterien von CMBlu so besonders? Es ist ein schwarzes Granulat, das Nastaran Krawczyk mit ihrem Team entwickelt hat. Das Granulat heißt Organic Solid. Als Rohstoff wird ein Kohlenstoff verwendet. Mehr will die Chemikerin nicht verraten. Ein großer Vorteil für die Produktion: Die Vorprodukte stellt die Chemie-Industrie in Deutschland massenhaft her. Die Lieferketten sind hier also sicher. Der Clou: Das Granulat verschleißt nach Angaben von CMBlu nicht bei den Ladevorgängen. Anders als beispielsweise ein Handy-Akku, der mit jedem Ladezyklus ein bisschen schwächer wird.
Eine Batterie bei CMBlu besteht aus einem großen würfelförmigen Kanister, in dem das Granulat eingefüllt ist. Die Batterie ist so entworfen, dass sie genau auf eine Europalette passt. Das hilft später, wenn die Batterien in Lagerhallen übereinander gestapelt werden. Ergänzt wird das Granulat durch Elektrolyt, eine nicht-brennbare Flüssigkeit. Wenn Energie - etwa Windstrom - "reinkommt”, transportiert das Elektrolyt die Energie in die Batterie - und auch wieder "raus", wenn der gespeicherte Strom gebraucht wird.
Wie die Energie-Zufuhr beim Menschen
Peter Geigle sagt im Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise", das funktioniere so ähnlich wie im menschlichen Körper. "Wir Menschen führen uns ja Energie über das Essen zu. Über wässrige Lösungen, sei es zum Beispiel Blut, transportieren wir die Energie irgendwohin. Und was dann davon übrig bleibt, speichern wir in Form von Fett, was auch ein Feststoff ist. Und im Prinzip macht unser Modul nichts anderes: Die wässrige Lösung ist das Transportmedium und das Granulat ist das Fett."
Noch läuft viel über Handarbeit
Jede Batterie von CMBlu fasst 200 Kilowattstunden Energie: Das ist in etwa 20 Mal mehr als die meisten Speicher, die Hausbesitzer mit Solaranlage auf dem Dach in ihrem Keller haben. Im Moment stellt CMBlu zwei Batterien pro Tag her. Vieles ist noch Handarbeit, zum Beispiel das Einfüllen des Elektrolyts. Aber die Firma ist gerade dabei, die Produktion zu automatisieren. Wenn alles gut läuft, soll die Produktion in diesem Jahr vollständig automatisiert werden. Und langfristig ist in der Halle ausreichend Platz für mehrere Produktionslinien. Dann könnte das Werk täglich Speicher mit einer Kapazität von 90 Megawattstunden bauen - also gut 200 Mal so viel wie momentan.
Der richtige Praxistest steht noch aus
Der Praxistest für die Batterien steht allerdings noch aus. Für zwei Großprojekte baut CMBlu seine Speicher gerade. Das eine liegt in Österreich. Das Bundesland Burgenland produziert heute schon mehr Ökostrom, als es verbraucht. Bis 2030 will das Bundesland aber weg von Öl- und Gas und lässt sich deshalb dezentrale Energiespeicher von CMBlu bauen - mit insgesamt 1.500 Batterien. Die stehen dann dort, wo der Strom produziert wird - also an Wind- oder Solaranlagen. Oder da, wo der Strom gebraucht wird - zum Beispiel an E-Ladesäulen für Autos.
Wenn es um Millisekunden geht
Das zweite Großprojekt läuft im hessischen Kraftwerk Staudinger. Dort wird seit 1963 Kohle und Gas verbrannt, inzwischen ist nur noch ein Block des Kohlekraftwerks in Betrieb. Nun soll in einem stillgelegten Teil getestet werden, ob Batteriespeicher das Stromnetz kurzfristig stabilisieren können. Kurzfristig heißt hier: im Millisekunden-Bereich. Solche Kurzzeitspeicher sind dafür gedacht, Stromspitzen im Netz zu bestimmten Tageszeiten auszugleichen. Diese Aufgabe erfüllen bislang fossile Kraftwerke, die schnell hoch- und runtergefahren werden können. Aber diese Kraftwerke sollen ja im Zuge der Energiewende aufgegeben werden.
Deshalb schwebt CMBlue-Chef Peter Geigle und dem Betreiber des Kraftwerks in Hessen eine Art Energie-Lagerhaus vor: jede Menge Batterien miteinander verbunden und mit Anschluss ans große Stromnetz. Das ist ein großer Vorteil dieses Standorts: Alle Anschlüsse sind schon vorhanden. Die Batterien sollen zudem große Mengen Strom für längere Zeit einspeichern - sprich: für mehrere Stunden.
Status: Noch ganz am Anfang
Sobald der Probebetrieb erfolgreich abgeschlossen ist, sollen im Kraftwerk Staudinger Batterien mit einer Kapazität von 250 Megawattstunden aufgestellt werden. Das wäre dann immer noch nur halb so viel, wie das Kraftwerk aktuell mit Kohle in einer Stunde produzieren kann. CMBlu steht also erst am Anfang. Aber das tun gerade alle in der Branche. Es gibt viele Firmen und Forschungsinstitute, die Großspeicher entwickeln. Auch andere Batteriespeicher - mit der etablierten Lithium-Ionen-Technologie oder zum Beispiel mit Natriumbatterien - sind vorerst nicht wesentlich größer.
Auch Wasserstoffspeicher sind eine Lösung
Bei der für den Klimaschutz erforderlichen Energiewende können Batteriespeicher allein nicht die Lösung sein. So sagt es der Wissenschaftler Wolf-Peter Schill vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Um den viel beschworenen Blackout zu vermeiden, brauche es neben dem Netzausbau und Großbatterien wie von CMBlu noch eine ganz andere Speichertechnik: "Zukünftig wird es im Wesentlichen auf wasserstoffbasierte Speicher hinauslaufen", sagt Schill. "Mit Wasserstoff-Kavernen wird es zum Beispiel möglich sein, mit sehr niedrigen Kosten große Mengen Wasserstoff zu speichern, der dann rückverstromt werden kann." Aber noch gebe es diese Langzeitspeicher für umweltfreundliche Energie nicht. "Im nennenswerten Umfang werden wir die Wasserstoff-Speicher ab Mitte der 30er-Jahre brauchen. Das heißt: Wir müssen langsam mal anfangen, die Speicher tatsächlich zu bauen", so Schill.
Viel Zeit bleibt nicht mehr
Die Zeit drängt tatsächlich. Die Klimakrise schreitet voran. Und die Ziele der Bundesregierung in Sachen Energiewende sind ambitioniert: Schon 2030 sollen 80 Prozent unseres Stroms aus Erneuerbaren Energien kommen - zurzeit sind es nur etwa 50 Prozent. Bald wird sich zeigen müssen, welche Technologien in Deutschland bei den Großspeichern für Erneuerbare Energien das Rennen machen. Oder ob es ein Nebeneinander an verschiedenen Lösungen geben wird - also Langzeitspeicher auf Basis von grünem Wasserstoff und Batteriespeicher wie von CMBlu.