Taugt der Rotterdamer Hafen als Vorbild für Hamburg?
Der Rotterdamer Hafen treibt die Energiewende voran - mit grünem Wasserstoff und viel Windenergie. Immer wieder ist zu hören, der Hamburger Hafen hinke den Niederländern hinterher. Ist dem wirklich so?
Das westliche Ende des Rotterdamer Hafens ist der beste Ort, um zu sehen, was die Zukunft bringen soll. Dort - rund 40 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt - zeigt Hafenmanager Randolf Weterings sein liebstes Kind: die Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff, die hier gerade gebaut wird. Auf einem künstlich aufgeschütteten Landstrich namens Maasvlakte 2. "Es ist ein wichtiges Projekt, weil hier zum ersten Mal eine Wasserstoff-Fabrik im großen Stil gebaut wird", sagt der 40-Jährige. "Wir werden in der Zukunft sehr viel grünen Wasserstoff brauchen."
Der größte Elektrolyseur Europas entsteht
Viel zu sehen gibt es allerdings nicht. Nur eine Industriehalle, die aussieht, wie Industriehallen eben so aussehen. Hellgrau, langweilig. Aber in der Halle wird ab dem kommenden Jahr ein Elektrolyseur stehen, der mit Hilfe von Windenergie aus Wasser sogenannten grünen Wasserstoff gewinnen soll. Mit 200 Megawatt Leistung wird es fürs Erste der größte Elektrolyseur Europas sein. Der Name: Holland Hydrogen 1. Der nötige Strom soll von gigantischen Windparks vor der Küste kommen.
Es ist ein Milliarden-Projekt, finanziert von Shell. Der Energiekonzern will damit vor allem den CO2-Fußabdruck seiner eigenen Raffinerien verbessern. "Es wird eine riesige Anlage", sagt Weterings. "Aber im Grunde ist sie noch sehr klein, wenn man bedenkt, was wir in Zukunft so brauchen werden."
Grüner Wasserstoff aus aller Welt
Rotterdam hat große Pläne beim grünen Wasserstoff: Bis zum Jahr 2030 sollen es im gesamten Hafen mindestens 2.000 Megawatt an Leistung sein. Also das Zehnfache von dem, was gerade entsteht. Und bis 2050 sind sogar 20.000 Megawatt geplant, also dann das Hundertfache. Klar ist aber auch: Der Rotterdamer Hafen wird beim grünen Wasserstoff den allergrößten Teil aus dem Ausland einführen - nämlich rund 90 Prozent. So sieht es die Strategie des Hafens vor. Rotterdam will Europas Drehkreuz für nachhaltige Energie sein.
Der grüne Wasserstoff soll aus aller Welt kommen. "Wir haben aktuell 180 Partner in unserer Datenbank, mit denen wir in irgendeiner Form in Kontakt sind", verrät Randolf Weterings im NDR Info Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". Gespräche laufen, Handfestes gibt es noch nicht. Fix hingegen sind die Pläne für zwei große "Bio-Raffinerien" im Rotterdamer Hafen, in denen nachhaltige Brennstoffe hergestellt werden.
Rotterdam setzt auf CO2-Speicherung
Das Wichtigste für Randolf Weterings ist, die Ziele des Pariser Klima-Abkommens zu erreichen. Bis 2050 will der Hafen klimaneutral sein, genauso wie die Niederlande als Ganzes. Wenn der Rotterdamer Hafen mit seinem riesigen CO2-Fußabdruck das nicht schafft, schaffen es auch die Niederlande nicht. Der Hafen kommt auf rund 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Das sind fast ein Fünftel aller Emissionen in den Niederlanden.
Und weil die Zeit drängt, haben die Niederländer auch keine Berührungsängste mit der CCS-Technologie. Gemeint ist das Speichern von klimaschädlichem CO2 tief unter dem Meeresboden. "In unserer Strategie ist es eine wichtige Schlüssel-Technologie", sagt Weterings. Die Kohlendioxid-Speicherung könne dabei helfen, das selbstgesteckte Klimaziel für das Jahr 2030 zu erreichen. Dann soll es im Hafen schon 55 Prozent weniger CO2-Emissionen geben - im Vergleich zu 1990.
Auch deutsche Unternehmen sollen profitieren
Mehr als 40 Prozent der angepeilten Einsparungen sollen auf das Konto der CO2-Speicherung gehen. "Das Speichern von CO2 unter dem Meer ist einfach und billig. Warum sollten wir es dann nicht nutzen?" fragt der Hafenmanager. Er weiß, dass viele Menschen in Deutschland diesen Ansatz kritisch sehen.
Die ersten Rohre für die CO2-Verpressung werden gerade im Rotterdamer Hafen verlegt. Vor der Küste gibt es leere Gasfelder, die für das Projekt geeignet sind. Profitieren könnten in den 2030er-Jahren auch Industrie-Unternehmen in Westdeutschland. Geplant ist, dass sie schädliches Kohlendioxid per Pipeline nach Rotterdam bringen können.
Häfen in Europa: Die gleichen Herausforderungen
Der Rotterdamer Hafen sieht sich bei der Energiewende keineswegs als Einzelkämpfer in Europa. Die Zusammenarbeit mit den anderen großen Häfen in Hamburg und Antwerpen sei wichtig, findet Weterings. “Bei der Energiewende sollten wir uns nicht als Konkurrenz sehen. Wir können viel voneinander lernen und sollten sowohl Erfolge als auch Rückschläge miteinander teilen."
Schon seit Längerem laufen Gespräche - auch zwischen den Hafenbehörden in Rotterdam und Hamburg. Schließlich sind die Herausforderungen überall gleich: Der Abschied vom Öl muss möglichst schnell gelingen. Und klimafreundliche Alternativen sollen bald zur Verfügung stehen.
Energiewende im Hamburger Hafen läuft an
So tut sich auch im Hamburger Hafen einiges Neues - auch wenn man im Zeitplan den Niederländern mitunter hinterhinkt. Aber das liegt auch daran, dass die Hamburger nicht wie die Niederländer den Luxus haben, über nahezu unbegrenzte Landflächen für den Hafen zu verfügen. Es ist vielmehr so: Neues kann in der Hansestadt erst dort entstehen, wo Altes verschwindet. So hat Shell seine Öl-Raffinerie in Hamburg aufgegeben, nun wird das Grundstück saniert. Diese Fläche reserviert die Hafenbehörde für Projekte, die zur gewünschten Energiewende passen.
Und ein paar Hundert Meter weiter wird bereits ein Teil des stillgelegten Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg abgerissen. Dort soll ab Mitte 2025 eine Anlage für grünen Wasserstoff entstehen. In der ersten Bauphase sind 100 Megawatt vorgesehen, also die Hälfte des Projektes von Shell in Rotterdam. Aber es gibt schon Pläne für eine 800-Megawatt-Anlage.
Auch die Produktion von nachhaltigen Kraftstoffen läuft bald an. Auf dem Gelände der letzten großen Ölraffinerie im Hamburger Hafen erfolgte Mitte September der Startschuss für Deutschlands größte Anlage für "grünen Diesel". Dort werden ab 2027 klimaschonende Kraftstoffe hergestellt, die beispielsweise für Lkw, Trecker und Flugzeuge gedacht sind.
CO2-Speicher in Norwegen nutzen?
Sogar die CO2-Speicherung ist im Hamburger Hafen ein Thema. Zwar gibt es keine leeren Gasfelder vor der Haustür wie in Rotterdam. "Aber man könnte doch das klimaschädliche Kohlendioxid nach Norwegen transportieren und dort die Anlagen zur CO2-Verpressung nutzen!" So ist es neuerdings häufiger im Hamburger Hafen zu hören.
"Der Hamburger Hafen ist bei der Energiewende insgesamt auf einem sehr guten Weg", lobt Randolf Weterings aus der Ferne. Er verfolgt das Geschehen an der Elbe genau. "Wir haben viele ähnliche Herausforderungen, die wir gemeinsam meistern wollen." Die Zusammenarbeit mit Hamburg will er auf jeden Fall weiterführen.