Nach Behördenangaben werden im Laufe des Jahres 2022 etwa 40 Millionen Kubikmeter Schlick aus der Fahrrinne gebaggert, was rund zehn Millionen Kubikmeter mehr Material ist, als für die Elbvertiefung 2019 und 2020 bewegt wurde. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes nennt drei Gründe als Ursache für das aktuelle Schlickproblem: Die neu gebaggerten Böschungen unter Wasser seien offenbar nicht stabil genug, immer wieder breche daraus Sediment heraus. Daneben habe es im Winter 2021/22 mehrere Sturmfluten gegeben, die mehr Schlick gebracht hätten. Und drittens sei weniger Wasser als sonst vom Oberlauf der Elbe gekommen.
Laut Hamburgs Wirtschaftsbehörde sind die Prognosen zum Sediment-Aufkommen in der Elbe nicht so eingetroffen wie vorhergesehen. Nach Ansicht von Experten liegt das am Klimawandel. Stürme hätten zudem für mehr Schlick gesorgt. Die Elbe sei nicht das einzige betroffene Gebiet. Weltweit habe die Menge an Sedimenten in fast allen Häfen zugenommen.
Aus Sicht von Umweltverbänden und Krabbenfischern haben auch die Vertiefungen der Elbe-Fahrrinne selbst dazu geführt, dass Sand und Schlick nicht mehr vom Binnenland ins Meer wandern, sondern umgekehrt stromauf vom Meer in Richtung Binnenland. Das liege daran, dass die Flut im Tidebereich des vertieften Flusses kürzer wird und mit größerer Strömungsgeschwindigkeit komme als die Ebbe, die länger dauere und langsamer fließe. Auch Nebenflüsse der Elbe zwischen Hamburg und Nordsee sind von dem Schlick-Problem betroffen.
Nach der jüngsten Elbvertiefung sollten Schiffe mit mehr Tiefgang den Hamburger Hafen ansteuern können. Mit der mehr als 800 Millionen Euro teuren Elbvertiefung sollte der zulässige Tiefgang für Frachter auf 14,50 Meter bei Flut und auf 13,50 Meter tideunabhängig erhöht werden. Doch weil zu viel Schlick in der Elbe ist, entschied die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes Anfang November 2022, die schiffbare Wassertiefe zwischen Hamburg und der Nordsee um einen Meter zu reduzieren. Die Einschränkung gilt vorerst bis zum 30. November 2023. Für die erst Ende Januar 2022 vom Bund für abgeschlossen erklärte Elbvertiefung bedeutet dies nun nur noch Verbesserungen im Tiefgang von 20 bis 90 Zentimetern.
Die Frage, wo die Sediment-Massen entsorgt werden können, ist immer wieder Anlass für Streit, Verhandlungen und Diskussionen zwischen Hamburg und seinen Nachbarländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Aktuell werden viele der Sedimente unmittelbar vor dem Hamburger Hafen auf Höhe Neßsand wieder abgelagert. Sie gelangen dadurch sehr rasch wieder in den Hafen, wo sie wiederum ausgebaggert werden müssen. "Die zahlreichen Umlagerungsvorgänge sind ökologisch äußerst nachteilig", räumt der Hamburger Senat ein. Ein weiterer Ort, an dem Elbschlick verklappt wird, ist vor Helgoland bei dem Seezeichen Tonne E3. Der Vorteil: Dort fallen die Sedimente nach unten und bleiben dort auch langfristig liegen.
Im Dezember 2022 einigte sich Hamburg mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein darauf, dass "eine erhöhte Menge von Sediment" in der Nordsee bei Helgoland (Seezeichen Tonne E3) verbracht werden kann. Dieser Schritt soll die Verbringung im Bereich der Außenelbe zunächst ersetzen. Eine langfristige Lösung ist das aber nicht. Die drei Nordländer wollen deshalb gemeinsam mit dem Bund nach neuen Schlick-Deponien in der Nordsee suchen. Erklärtes Ziel ist, Verbringstellen zu schaffen, die sich noch weiter in der Nordsee befinden. Konkret im Gespräch sind die Tiefwasserreede südwestlich von Helgoland und die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ). Diese Zone beginnt an der 12-Seemeilen-Grenze vor der Küste. Die genannten Alternativen sind aufwendiger und teurer, sorgen aber wohl dafür, dass die Sedimente nicht so schnell zurückkommen. Eine langfristige Lösung wird nach Angaben des Hamburger Senats voraussichtlich ab 2025 vorhanden sein. Geklärt werden soll auch, ob künftig ein Teil des Schlicks beispielsweise im Küstenschutz für den Deichbau verwendet werden kann.
Bei den Vereinbarungen mit den Nachbarländern zur Verklappung geht es für Hamburg nicht nur um Schlick, sondern auch um viel Geld. Bislang ist die Verklappung bei Helgoland so geregelt, dass Hamburg pro Tonne abgelagertem Schlick "freiwillig" fünf Euro zahlt - an die Stifung Nationalpark Wattenmeer. Bei den großen Schlick-Mengen ergeben sich dabei Millionenbeträge. Bislang waren das laut Schleswig-Holsteins Rechnungshof 50 Millionen Euro. Insgesamt muss Hamburg pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro aufbringen, um den Schlick aus der Elbe zu baggern. Die jüngste Elbvertiefung hat zudem rund 800 Millionen Euro gekostet.
Für Hamburg hätte die Verbringstelle nahe der Insel Scharhörn einen großen Vorteil: Sie ist Hamburger Staatsgebiet und liegt nicht in einem Naturschutzgebiet und außerhalb des Unesco-Welterbes Wattenmeer. Aber: Die Pläne sind inzwischen vom Tisch, auch weil sie bei der Stadt Cuxhaven und dem Land Niedersachsen auf große Ablehnung stießen. Die rot-grüne Landesregierung in Hannover hatte diese Ablehnung in ihrem Koalitionsvertrag verankert. "Wir lehnen Schlick-Verklappungen vor der Vogelschutzinsel Scharhörn strikt ab und werden nötigenfalls rechtliche Schritte ergreifen", heißt es da. Das Land befürchtet, dass Sedimente, die noch dazu mit Schadstoffen belastet sein könnten, an die niedersächsische Küste geschwemmt werden. Auch Schleswig-Holstein lehnt eine Verklappung bei Scharhörn ab: "Eine solche Lösung wäre auch rechtlich nicht möglich, da eine konkrete Gefahr für nahe gelegene schleswig-holsteinische Schutzgebiete zu erwarten wäre." Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF begrüßen, dass Hamburg darauf verzichtet, belastetes Baggergut aus Elbe und Hafen vor Scharhörn zu verklappen.
Die Umweltverbände NABU, BUND und WWF fordern eine langfristige Lösung für das Schlick-Problem. "Es ist eine politische und behördliche Bankrott-Erklärung, wenn Hamburg ohne Not die Fahrrinne der Elbe einen Meter tiefer halten möchte und mit dauerhaften, massiven Baggerarbeiten den ganzen Fluss zugrunde richtet. Es muss Schluss sein mit der sinnlosen Baggerei, bevor die ökologischen Schäden irreparabel sind." Hamburg und die Bundesregierung dürften jetzt nicht mehr, sondern müssten weniger baggern, damit sich das Ökosystem der Elbe stabilisieren könne, erneuerten die im Aktionsbündnis lebendige Tideelbe zusammengeschlossenen Verbände ihre Forderungen. Es sei nicht erforderlich, dass jedes Schiff zu jeder Zeit den Hamburger Hafen anlaufen könne, wenn in Wilhelmshaven ausreichend Kapazitäten für die Abfertigung der größten Schiffe der Welt vorhanden seien.
In Hamburg wird die Elbvertiefung gerade wieder kontrovers diskutiert. Hamburgs Grüne bezeichnen die Elbvertiefung als gescheitert. Die Hafenwirtschaft fordert ein Machtwort des Ersten Bürgermeisters, Peter Tschentscher. Dieser sieht nach eigenen Worten die Wettbewerbsfähigkeit des Hafens in Gefahr und kritisierte die Entscheidung, die schiffbare Wassertiefe der Elbe um einen Meter zu verringern. Große Containerschiffe haben damit weniger Spielraum für den Warentransport über die Elbe, was auch die Hafenwirtschaft erbost. Tschentscher beklagt zudem eine seiner Ansicht nach unzureichende personelle und technische Ausstattung der Wasserstraßenverwaltung.
Die Krabbenfischer in Schleswig-Holstein befürchten, dass die Krabbenbestände durch die Schlick-Verklappung zurückgehen. Die ausgebaggerten Sedimente sollten entweder an Land oder weit draußen im Meer entsorgt werden, fordern sie. Wenn der Schlick in der Elbmündung verklappt würde, würde er flussaufwärts ziehen, so die Argumentation der Krabbenfischer. Das hätte negative Auswirkungen auf den Bestand der Krabben. Der Vorsitzende der Sparte Krabbenfischerei im Landesfischereiverband, Jan Möller, erklärte: "Im Gegensatz zu früher ist das Nordseewasser deutlich klarer." Was sich im ersten Moment positiv anhöre, habe drastische Folgen für den Krabbenbestand. "Durch die fehlende Trübung sind Krabben für ihre Fressfeinde, die Wittlinge, deutlich leichter auszumachen." Die fehlende Trübung führen die Krabbenfischer auf eine Sandschicht zurück, die sich auf dem Boden des Wattenmeeres vor den Küsten gelegt hat, sodass weniger Sediment im Wasser gelöst ist.
Die Küstenfischer fordern ein Ende der "Kreislaufbaggerei". Mit dem Begriff ist gemeint, dass Sedimente ausgebaggert und fortgebracht werden und sie sich nach kurzer Zeit wieder in der Elbe ablagern. Die Küstenfischerei fordert deshalb, die Sedimente entweder an Land nachhaltig zu entsorgen beziehungsweise weiterzuverwenden oder sie soweit draußen auf See zu verbringen, dass sie nicht weiter die Fanggründe und Wattenbereiche belasten.