SUV vs. Kleinwagen: "Müssen mit öffentlichem Raum anders umgehen"
Sollen Fahrer großer, schwerer Autos stärker zur Kasse gebeten werden, weil deren Lärm, Abgase und schiere Größe zunehmend Probleme bereiten? Darum ging es in der Diskussion mit drei Expertinnen und Experten am Mittwoch bei NDR Info live.
Diese Entscheidung sorgte für Schlagzeilen: In Frankreichs Hauptstadt Paris müssen auswärtige SUV-Fahrer und Besitzer anderer schwerer Autos von September an dreimal höhere Parkgebühren zahlen. Dafür hat sich in einer Abstimmung eine knappe Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Paris ausgesprochen - allerdings bei sehr geringer Wahlbeteiligung. Sollten norddeutsche Städte sich an der Entscheidung ein Beispiel nehmen?
Hannovers Bürgermeister für gestaffelte Parkgebühr
Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hat bereits angekündigt, er wolle prüfen lassen, inwieweit auch in der niedersächsischen Landeshauptstadt höhere Parkgebühren für große Autos umsetzbar sind. Er habe große Sympathien für gestaffelte Preise, die sich an der Länge der Fahrzeuge orientieren, sagte Onay dem "Tagesspiegel".
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Verkehrsrechtler: Pariser Beispiel "macht uns wach"
In der Diskussion bei NDR Info live sagte der Verkehrsrechtler Roman Ringwald, er finde den Vorstoß aus Paris gut. "Das macht uns wach." Man müsse mit öffentlichem Raum in der Zukunft anders umgehen. Er warnte aber davor, es sich etwa bei höheren Parkgebühren zu einfach zu machen und lediglich etwa die Länge eines Fahrzeuges zum Kriterium zu machen. "Sonst trifft man leicht die Falschen." Es sei sicher nicht gewollt, etwa kinderreiche Familien stärker zu belasten.
Der rechtliche Rahmen, den Kommunen dabei hätten, sei "sperrig und nicht ausreichend klar", kritisierte Ringwald. Vor einigen Monaten hatte das Bundesverwaltungsgericht eine Neuregelung in Freiburg gekippt. Dort sollten Bewohner mit längeren Autos mehr fürs Parken zahlen. "Das Gericht hat aber nicht gesagt, dass es gar keine Differenzierung nach der Länge geben darf." Es sei lediglich die konkrete Ausgestaltung beanstandet worden. "Aber wenn Kommunen wirklich wissen sollen, welchen Spielraum sie haben, dann wäre der beste und einfachste Weg, in der Straßenverkehrsordnung zu sagen: Entscheidet es vor Ort." Dann könnten Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen die beste Entscheidung in ihren konkreten Situationen treffen, meint Ringwald.
ADAC-Experte: Höhere Parkgebühr nur für SUV keine gute Lösung
Christian Hieff vom ADAC Hansa warnte davor, einseitig SUV zu belasten. "Nicht jeder SUV ist ein 'Stadtpanzer'". Diese seien lediglich eine Fahrzeugklasse unter mehreren. Auch Autos anderer Klassen seien in den vergangenen Jahren größer und schwerer geworden.
Zudem merkte Hieff an, "dass diese immer behauptete Gefährdung durch große Autos gegen schwächere Verkehrsteilnehmer so in der Praxis nicht stimmt. Das können wir immer wieder an den Crashtest-Ergebnissen sehen". Dort sei zum Beispiel festgestellt worden, dass ein Fiat 500, der als Kleinwagen gelte, eine größere Gefahr für Fußgänger und Radfahrer darstelle als zum Beispiel das SUV Tesla Y. "Diese Fahrzeuge wirken bedrohlich, sie wirken bullig - ich als passionierter Radfahrer kann das bestätigen", aber daraus den Rückschluss zu ziehen, diese seien gefährlicher, "ist technisch gesehen falsch", so Hieff.
Stadt-Forscherin: "Freue mich über Beispiel aus Paris"
Uta Bauer, Diplom-Geografin am Deutschen Institut für Urbanistik, sagte bei NDR Info live, sie freue sich "über das gute Beispiel aus Paris". Parkgebühren seien ein "sehr effektives Mittel um Verkehre zu steuern". Alle Untersuchungen würden zeigen, dass die Kosten für einen Parkplatz entscheidend dafür seien, ob jemand mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt fährt. "Und wir haben in den Städten ein riesiges Platzproblem."
Große Autos seien zwar sicher für ihre Insassen, aber Fahrradfahrer und Fußgänger würden durch diese doch stärker gefährdet, sagte Bauer. Große Autos würden zum Beispiel die Sicht an Kreuzungen verschlechtern und den Platz für Radler und Fußgänger einschränken. Sie nannte es "ein bisschen zynisch", bei der Gefährdungsfrage lediglich auf Crashtests zu schauen, denn große Fahrzeuge würden viele Unfälle überhaupt erst durch ihre Größe verursachen. Ihre Bilanz: "Da muss sich eine Stadt - und muss sich die Politik auch überlegen, was sie denn will: Urbanität für Menschen und lebendige Städte oder einen Parkplatz für Autos."
Tübingen: Besitzer längerer Autos müssen mehr zahlen
Auch in Deutschland gibt es bereits erste Städte, die die Anwohner-Parkgebühren an die Größe von Autos koppeln: In Tübingen zahlen Besitzer von Verbrennern, die mehr als 1,8 Tonnen wiegen, beziehungsweise von E-Autos mit mehr als 2 Tonnen, seit zwei Jahren jährlich 180 Euro - statt 120 Euro, die für leichtere Autos fällig werden.