Boris Pistorius verzichtet auf SPD-Kanzlerkandidatur
Boris Pistorius hat am Donnerstagabend erklärt, nicht als SPD-Kanzlerkandidat zur Verfügung zu stehen. Zuvor hatte der ARD-DeutschlandTrend gezeigt, dass deutlich mehr Norddeutsche Pistorius für einen guten Kanzlerkandidaten der SPD gehalten hätten - Olaf Scholz landete weit hinter ihm.
In einer Videobotschaft sagte der Verteidigungsminister, dass er nicht zur Verfügung stehe. Er habe die Debatte nicht angestoßen und sich nicht ins Gespräch gebracht. Olaf Scholz sei ein "hervorragender Bundeskanzler", sagte Pistorius. "Er ist der richtige Kanzlerkandidat."
Weiter sagte Pistorius: "Das Amt des Verteidigungsministers ist für mich kein Karrieresprungbrett". Er habe sich "das Vertrauen der Truppe erarbeitet. Und das ist mir sehr wichtig". Er habe die Arbeit und die Truppe ins Herz geschlossen. Diese Arbeit sei noch nicht erledigt, er wolle sie fortsetzen, es gebe noch viel zu tun. Er freue sich deshalb auf eine zweite Amtszeit als Verteidigungsminister.
Scholz soll am Montag als Kanzlerkandidat nominiert werden
Nach dem Verzicht von Verteidigungsminister Pistorius soll Bundeskanzler Olaf Scholz am kommenden Montag vom SPD-Vorstand als Kanzlerkandidat für die Neuwahl des Bundestags nominiert werden. "Wir werden jetzt sehr schnell in den Gremien, Montag im Parteivorstand, dann auch Klarheit schaffen: Wir wollen mit Olaf Scholz in die nächste Wahlauseinandersetzung gehen", sagte der Parteivorsitzende Lars Klingbeil am Donnerstagabend in Berlin.
Die Parteivorsitzende Saskia Esken begrüßte den Verzicht von Pistorius: "Die Entscheidung von Boris Pistorius ist souverän und ein großes Zeichen der Solidarität zur SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz", sagte Esken der "Rheinischen Post". Die SPD habe große Herausforderungen vor sich, die sie nur gemeinsam und geschlossen bewältigen könne.
Norddeutsche hätten Pistorius für guten Kandidaten gehalten
Bevor Pistorius seine Entscheidung bekanntgegeben hatte, hat eine repräsentative Umfrage von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend gezeigt, dass in Norddeutschland 68 Prozent der Menschen Pistorius für einen guten Kanzlerkandidaten gehalten hätten. Nur gut jeder Vierte empfand Olaf Scholz als guten Kandidaten für die SPD. Die Umfrage zeigt auch, dass beide Politiker im Norden besser bewertet werden als in ganz Deutschland.
Pistorius beliebtester Kanzlerkandidat
Als Kanzlerkandidat überzeugte Pistorius die Deutschen sogar eher als die teilweise bereits innerparteilich bestätigten Kandidaten anderer Parteien. Ihn halten deutschlandweit 60 Prozent für einen guten Kanzlerkandidaten, Friedrich Merz (CDU) halten 42 Prozent für einen guten Kandidaten seiner Partei. Die anderen Kandidaten liegen dahinter.
Scholz bisher nicht offiziell nominiert
Der Parteivorstand will in den kommenden Tagen über die Kandidatur entscheiden. Am 30. November soll der SPD-Kanzlerkandidat dann auf einer sogenannten Wahlsiegkonferenz seinen ersten großen Auftritt haben - und am 11. Januar 2025 vom SPD-Parteitag gewählt werden. Die SPD-Spitze hat wiederholt ihre Unterstützung für den Hamburger Scholz bekräftigt, eine offizielle Nominierung als Kanzlerkandidat ist noch nicht erfolgt.
Union führt bei Sonntagsfrage
Bei einer Wahl am kommenden Sonntag würden CDU/CSU stärkste Kraft werden, gefolgt von der AfD. SPD und FDP lägen deutlich schlechter als bei der letzten Bundestagswahl, die Grünen kämen zumindest in die Nähe ihres damaligen Ergebnisses. FDP und Linke würden an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, das BSW den Einzug in den Bundestag erstmals schaffen.
Wer soll die Regierung führen?
Nach dem Ampel-Aus wünschen sich derzeit etwa vier von zehn Wahlberechtigten in Deutschland eine Regierung unter der Führung der Union. 15 Prozent machen sich für eine erneut SPD-geführte Bundesregierung stark, 13 Prozent wollen die AfD in der Führungsrolle sehen. Sollte die Union aus der Neuwahl als Siegerin hervorgehen, spricht sich jeder Dritte für eine Koalition mit der SPD aus, nur 12 Prozent wünschen sich die FDP als Partner.
Weniger Sympathien für Grüne und FDP
Die generelle Offenheit, Grüne oder FDP zu wählen, hat gegenüber 2021 bundesweit abgenommen. Die Offenheit für die Union und die AfD hingegen zugenommen. So gibt nur noch jeder Dritte an, dass die Grünen grundsätzlich für ihn in Frage kommen. Vor der letzten Bundestagswahl gab noch jeder Zweite an, dass die Partei generell eine Wahloption sei. Für jeden Vierten kommt die AfD grundsätzlich als Partei in Frage - ein Plus von neun Prozentpunkten. Auch das erstmals antretende BSW kann sich jeder fünfte Befragte als Wahloption vorstellen.
So lief die Umfrage
Für den ARD-DeutschlandTrend im Auftrag der Tagesthemen und der Zeitung "Die Welt" hat infratest dimap vom 18. bis 20. November 1.318 Menschen befragt. Dies erfolgte mit einer zufallsbasierten Telefonbefragung über Festnetz, Mobiltelefone und Online-Interviews. Für die Sonntagsfrage gilt: Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Aus statistischen Gründen wird keine Partei unter 3 Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.