Neues von "ImmoTommy": Wegducken, aussitzen, weitermachen
Rund sechs Wochen ist es her, dass der NDR und der "Spiegel" über den Immobilieninfluencer "ImmoTommy" und das Netzwerk dahinter berichtet haben. Für viele Käufer wurde das scheinbar lukrative Investment zu einem finanziellen Debakel. Was ist seitdem passiert?
Die Resonanz auf die Veröffentlichung war überraschend groß: "Ich habe bei ImmoTommy eine Immobilie in Pforzheim erworben. Bitte kontaktieren Sie mich"; "Ich habe bei ImmoTommy zwei Eigentumswohnungen gekauft und eine davon war weit über dem Marktwert"; "Wir sind auch betroffen." Nach der Berichterstattung haben inzwischen rund 50 Betroffene den NDR angeschrieben und ihre Unterlagen übermittelt: Kauf- und Finanzierungsverträge, Kontoauszüge, Beratungsprotokolle. Ein großer Teil hat über das Netzwerk hinter Tomislav Primorac alias "ImmoTommy" meist Wohnungen gekauft. Die Vorwürfe decken sich mit den bisherigen Rechercheergebnissen vom NDR und dem "Spiegel": zu teuer, geplatzte Sanierungsversprechen, riskante Finanzierungen. Zudem weisen auch die neuen Unterlagen hohe Teilbeträge auf, die vom Kaufpreis abgezweigt wurden und an Dritte flossen. Wofür? Auch hier unklar.
Dunkelziffer wohl erheblich
Einige NDR Info Hörerinnen und Hörer schreiben, sie hätten erst durch die Berichterstattung erfahren, was sie da unterschrieben haben. Andere suchen Hilfe, um aus kostspieligen Seminaren auszusteigen, die der Immobilieninfluencer anbietet. Neben "ImmoTommy" fallen auch weitere Namen von Immobilien- und Finfluencern. Auch sie versprechen auf TikTok, Instagram, Youtube und Co praktisch jeder und jedem Reichtum und finanzielle Unabhängigkeit. Die Branche boomt. Mit Blick auf die Betroffenen dürfte die Dunkelziffer erheblich sein. Allerdings ist die Scham groß. Auch diejenigen, die den NDR kontaktiert haben, wollen anonym bleiben. Aus Sorge, öffentlich bloßgestellt zu werden. Oder aus Angst. Der psychische Druck ist groß. Bei vielen auch der finanzielle.
Rundum-Sorglos-Paket ohne Eigenkapital
Einer der Geschädigten ist Matthias Kuhle (*Name von der Redaktion geändert). Kuhle hat über "ImmoTommy" zwei Immobilien gekauft – mit einem "Rundum-Sorglos-Paket", ohne Eigenkapital. Der Kaufpreis lag bei rund 570.000 Euro inklusive aller Nebenkosten. Der Schock kam beim Notar, sagt Kuhle: 90.000 Euro flossen dem Kaufvertrag zufolge überraschend an Tomislav Primorac. Wofür die Summe berechnet wurde, sei völlig unklar gewesen.
Rund sechs Wochen nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags folgte der nächste Schock. Die Bank hatte die Finanzierung abgelehnt. Kuhle müsse zumindest die Kaufnebenkosten in Höhe von knapp 40.000 Euro selbst zahlen, so die Forderung der Bank. Ein Vertriebsmitarbeiter von "ImmoTommy" schlug Kuhle daraufhin am Telefon einen dubiosen Deal vor: Der Vertriebsmitarbeiter überwies ihm das fehlende Geld, das dann später auf Umwege wieder zurückfließen solle. Kuhle fühlte sich unter Druck und stimmte zu: "Ab dem Zeitpunkt, als der Vertriebler mich angerufen hat, dass er mir das Geld überweist, da wurde mir bewusst, etwas kann hier gar nicht stimmen." Mit dem Deal hat sich Matthias Kuhle möglicherweise selbst strafbar gemacht. Dennoch ist er vor Gericht gezogen. Heute macht er sich Vorwürfe – wegen seiner Gutgläubigkeit, wie er sagt.
Notar sollte für reibungslosen Ablauf sorgen
Kurz vor der Unterzeichnung eines Kaufvertrags spielt vor allem der Notar eine wichtige Rolle. Besonders zu beachten sei die sogenannte Zwei-Wochen-Frist, erklärt der Hamburger Notar Martin Mulert. Zwei Wochen vor der Unterzeichnung müsse dem Verbraucher der finale Kaufvertrag vorliegen. Hohe Teilzahlungen nachträglich einzufügen sei nicht üblich, sagt Mulert. "Der Verbraucher muss sich ein Bild davon machen können, ob die Immobilie aus seiner Sicht werthaltig ist. Unter anderem dafür dient die Zwei-Wochen-Frist. Und wenn jetzt im Vertrag plötzlich relevante Zahlungen an Dritte aufgenommen werden, dann drängt sich die Frage auf, ob die Immobilie den Kaufpreis rechtfertigt." Eigentlich sei es Aufgabe des Notars, auf den korrekten Ablauf zu achten, sagt Mulert.
Schweigen lautet die Devise
Das Netzwerk von "ImmoTommy" umfasst Immobilienvermittler, Berater, Hausverwaltungen, Notare, Finanzinstitute. In den Kreditverträgen tauchen vor allem zwei Unternehmen immer wieder auf: Die Volksbank Konstanz und die Schwäbisch Hall, die größte Bausparkasse in Deutschland. Bereits auf die ersten Anfragen wollten sich weder die Volksbank Konstanz noch die Schwäbisch Hall konkret äußern. "Bankgeheimnis" lautete eine Begründung. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Für die Volksbank Konstanz meldete sich zwar nach Wochen eine Kommunikationsberatung, in deren Mail es heißt: "Die von NDR und 'Spiegel' recherchierten menschlichen Schicksale bewegen uns. Derzeit prüfen wir den uns von Ihnen vorgelegten Fall und ermitteln auch, ob es weitere Fälle im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Finfluencers Tomislav Primorac in unserem Hause gibt. Erst wenn diese Tätigkeiten abgeschlossen sind, können wir Stellung beziehen." Doch das ist bis heute nicht erfolgt.
Und was macht "ImmoTommy"?
Nach dem ersten Statement von "ImmoTommy", das er in den sozialen Netzwerken veröffentlicht hatte, folgte nach Wochen ein zweites. Es ist rund 15 Minuten lang. Anders als beim ersten Video geht Primorac diesmal auf konkrete Vorwürfe ein. Allerdings lauten die Botschaften: Die Immobilien seien nicht überteuert, es habe keine versteckten Provisionen gegeben, die Finanzierungsmodelle seien üblich. Die Kunden seien unzufrieden, so Primorac, weil zum Teil nur 95 Prozent der Sanierungsarbeiten fertiggestellt worden seien, nicht 100 Prozent. Auch wenn Käufer bestätigen, dass nach der Berichterstattung im August einige Handwerksarbeiten nachgeholt wurden, passt vieles im Statement nicht mit den Recherchen vom NDR und dem "Spiegel" zusammen. Auch die Betroffenen sind nicht beruhigt. Im Gegenteil. Einige lassen sich inzwischen anwaltlich vertreten, um den Kauf rückgängig zu machen.
Neue Tipps, neue Videos: Es wird wieder gedreht
Inzwischen gibt es wieder neue Videos von "ImmoTommy" auf Instagram, TikTok und Co. Auch andere Immobilien- und Finfluencer sind aktiv. Ob das Geschäft nach der Berichterstattung schwerer geworden ist, ist fraglich. Es sei dennoch ein wichtiges Thema und gut, dass berichtet wurde, sagt Alexander Blazek vom Verband Haus und Grund. Denn bislang kämen die meisten Kauf- und Bauwilligen zu spät zur Beratung. Dann gelte: Vertrag ist Vertrag. Und wenn man erst mal etwas unterschrieben hat, so Blazek, kommt man so schnell nicht mehr raus.
Wichtig sei, sich die Immobilie auf jeden Fall vor dem Kauf anzuschauen und dabei auch einen Gebäudesachverständigen mit ins Boot zu holen, der das Haus oder die Wohnung noch einmal auf "Herz und Nieren" prüfe, sagt Rechtsanwalt Blazek. Wenn nach dem Gespräch mit der Bank oder dem Kreditinstitut sichergestellt wurde, dass sich der Käufer die Immobilie auch leisten könne, komme der Rechtsanwalt ins Spiel. Mit ihm sollten die Verträge vor der Unterzeichnung noch einmal bis ins kleinste Detail durchgesprochen werden, um sicherzustellen, dass alles einwandfrei sei, rät Blazek.