Naturschutz: Warum auch strenge Schutzgebiete nicht helfen
Mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz stellen: Das ist das Ziel des Weltnaturgipfels in Montreal. Deutschland scheint diese Vorgabe längst zu erfüllen. Doch das ist auch eine Definitionsfrage. In der Praxis kann es ganz anders aussehen.
Für Tiere und Pflanzen gibt es in Deutschland eine große Bandbreite an verschiedenen Schutzgebieten: Naturparks, Vogelschutzgebiete, Biosphärenreservate, Nationalparks. Alle haben unterschiedliche Ziele. So können durch die Kategorie "Naturdenkmäler" auch nur einzelne Bäume geschützt sein, "Naturparks" darf man sogar landwirtschaftlich nutzen. Rechnet man all diese Gebiete zusammen, stehen fast 40 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands unter Schutz - das klingt nach viel, aber die Artenvielfalt in Deutschland leidet trotzdem. Das haben Studien in den vergangenen Jahren gezeigt, zum Beispiel zum Insektensterben, aber auch zur geringen genetischen Vielfalt bei Rotwild.
Nur sieben Prozent der Landesfläche streng geschützt
Wirklich streng geschützt sind in Deutschland nämlich nur zwei Kategorien. Streng geschützt bedeutet, dass der Naturschutz über den Bedürfnissen des Menschen steht. Das gilt in Nationalparks, deren Flächenanteil bei nur 0,6 Prozent liegt, und in Naturschutzgebieten - sie machen 6,3 Prozent der Fläche in Deutschland aus. Dort ist die landwirtschaftliche Nutzung untersagt, Spaziergänger dürfen kein Feuer machen und müssen auf den ausgeschilderten Wegen bleiben.
Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) findet das deutsche System zwar ausgeklügelt. Trotzdem brauche es ein besseres Management, zum Beispiel um sicherzustellen, dass die festgelegten Gebote und Regeln auch wirklich durchgesetzt werden. Und generell seien auch die Schutzgebiete vom Klimawandel und Pestizideintrag von außen betroffen. Naturschützer und Forschende verweisen außerdem auf ein weiteres Problem: Die geschützten Flächen hängen oft nicht zusammen - so werden die Lebensräume vieler Tiere und Pflanzen zerschnitten, wodurch es schwerer für sie wird, zu überleben.
S-Bahn-Linie soll durch das Naturschutzgebiet "Ahrensburger Tunneltal" führen
Noch weiter zerschnitten wird womöglich bald das Naturschutzgebiet "Ahrensburger Tunneltal" in Schleswig-Holstein. Es dient vor allem dem Tierschutz, unter anderem soll dort der Kammmolch geschützt werden. Außerdem ist es ein archäologisches Schutzgebiet, da dort die ältesten Pfeile der Menschheit gefunden wurden. Aber obwohl es mit dem Etikett "Naturschutzgebiet" unter die obersten Schutzkategorien fällt, will die Deutsche Bahn nun Gleise für eine S-Bahn-Linie durch das Naturschutzgebiet bauen. Allerdings gibt es jetzt Vorschläge, den Schallschutz zu verbessern.
Seit Mai 2021 baut die Deutsche Bahn die Verbindung zwischen Altona und Bad Oldesloe über Ahrensburg aus. Dabei kommen sich womöglich ausgerechnet Klima- und Naturschutz in die Quere: Den Bau einer S-Bahn-Trasse rechtfertigt die Deutsche Bahn damit, dass der klimaschonende Nahverkehr vorangetrieben wird. Mathias Glaubrecht, Professor für Zoologie an der Universität Hamburg, wertet das als Scheinargument. Das entscheidende Motiv für den Ausbau seien eher ökonomische Interessen. "Solche wirtschaftlichen Argumente überwiegen immer wieder gegenüber dem Schutzstatus ausgewiesener Gebiete", sagt Glaubrecht. "Daran ist zu sehen, wie fragil der Schutz ist." Das Beispiel Ahrensburg zeige, dass der Anteil der Schutzgebiete auf dem Papier allein noch keine Gesamtlösung ist.
Schutzgebiete im Detail - was ist wie geschützt?