Eine Pegelstandsanzeige in der Hunte © Nord-West-Media TV

Mehr Hochwasser durch Klimawandel 

Stand: 03.10.2024 23:00 Uhr

Wie viel der Klimawandel zum Extremwetter beiträgt, können Forschende mittlerweile recht gut berechnen. Die Stadt Hamburg ist bei Anpassungsmaßnahmen ein Positivbeispiel - doch nicht in allen Bereichen.

von Yasmin Appelhans

Besonders überraschend sind die Nachrichten, die Friederike Otto vom Imperial College in London der Presse überbringt, nicht. Die Physikerin stammt aus Kiel und hat vor Jahren die sogenannte Attributionsforschung gegründet: einen Forschungszweig, der seither berechnet, wie viel wahrscheinlicher bestimmte Extremwetterereignisse durch den Klimawandel geworden sind. So auch der jüngste Starkregen und das Hochwasser in Mittel- und Osteuropa - ein Ereignis, das mittlerweile rein rechnerisch einmal in 100 Jahren auftritt, wie ihre neueste Studie zeigt.  

Nicht nur alle hundert Jahre 

Klimaforscherin Prof. Friederike Otto © Peter Himsel Foto: Peter Himsel
Die Kielerin Friederike Otto forscht zu Extremwetterereignissen, die durch den Klimawandel verursacht werden.

Der Begriff "Jahrhunderthochwasser" ist allerdings nicht so wie im allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen. Es handele sich vielmehr um einen statistischen Wert, so Friederike Otto: "Das heißt nicht, dass es nur alle hundert Jahre vorkommt. Natürlich kann es in zwei aufeinander folgenden Jahren zwei Jahrhundert-Ereignisse hintereinander geben." Es geht also um eine rein vergleichende Einheit, die zum Beispiel von Versicherungen zur Risikoberechnung genutzt wird.  

Mehr Starkregen durch hohe Temperaturen 

Der Klimawandel hat laut der neusten Studie Ereignisse wie Starkregen und Überschwemmungen doppelt so wahrscheinlich gemacht. Und auch intensiver. Denn es gab wahrscheinlich ungefähr 20 Prozent mehr Niederschläge, als es ohne den Klimawandel der Fall gewesen wäre. Und auch in Zukunft wird es demnach mehr Starkregen geben.

Auch Deutschland droht mehr Hochwasser 

Wo genau die Hochwasser in Mittel- und Osteuropa dabei zukünftig genau auftreten, kann man natürlich noch nicht genau voraussagen. Sicher ist aber, dass auch Deutschland mitten im Risikogebiet liegt. Nicht zuletzt, weil auch hier viele Flüsse begradigt wurden und das Wasser so eine große Dynamik entwickeln kann. Dazu gibt es viele Siedlungen und Landwirtschaft in ehemaligen Überflutungsgebieten. Dadurch sind die Flussufer abgesunken und das Wasser kann in versiegelten Böden nicht mehr versickern.

Eine Straße in Sachsen ist vom Hochwasser der Elbe überflutet. © dpa Foto: Jan Woitas
Genau lässt sich nicht vorhersagen, wo es in Zukunft zu Hochwasser-Ereignissen - wie hier in Sachsen - kommen wird.

Anfang September hat ein Gutachten des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion berechnet, dass in Deutschland fast 400.000 Menschen von Hochwasser bedroht sind. Dabei sind besonders Menschen, die an Rhein oder Elbe wohnen, gefährdet. Und auch hier sind die Zahlen wahrscheinlich eher zu niedrig eingeschätzt. Auch wir werden uns also zukünftig an Hochwasser anpassen müssen.  

Bericht aus Hamburg über Anpassung 

Wie gut die Anpassung und die Reduzierung der Treibhausgase weltweit bisher schon gelungen ist, hat der Bericht "Hamburg Climate Futures Outlook 2024" untersucht. Auch wenn die Autor*innen es für unwahrscheinlich halten, dass der Netto-CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 auf Null sinken wird, wie es für das 1,5-Grad-Ziel unbedingt nötig wäre - für Hamburg haben sie auch gute Nachrichten.  

Die Stadt hat eine der Fallstudien in dem Bericht ausgemacht und steht bei den Anpassungen an den Klimawandel noch ganz gut dar, erklärt die Geografin Beate Ratter von der Universität Hamburg, die den Bericht mit verfasst hat: "Hamburg hat wirklich einiges auf den Tisch gelegt, zum Beispiel einen Klimaanpassungsplan." Auch die Strategie, Dächer zu begrünen, um die Stadt zur Schwammstadt umzubauen und die Biodiversität zu erhalten, sei schon fortgeschritten.   

Dadurch kam es zum Hochwasser

Dass es durch den Klimawandel zu Starkregen-Ereignissen kommt, liegt vor allem an zwei Effekten. Zum einen verdampft bei höheren Temperaturen mehr Wasser an der Oberfläche von Meeren und anderen Gewässern. Zum anderen kann warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen: Pro Grad wärmerer Luft sind es ungefähr sieben Prozent mehr. Wenn nun feuchte, warme Luft aufsteigt und in der Höhe abkühlt, kann sie nicht mehr so viel Wasser halten. Das Wasser regnet ab, und je mehr Wasserdampf zuvor in der Luft war, desto stärker fällt Regen aus.
Bei der aktuellen Hochwasser-Katastrophe stammte der Wasserdampf insbesondere aus dem Mittelmeer. Dort ist bei besonders heißen Temperaturen Wasser in großen Mengen verdampft. Gleichzeitig ist kalte Arktisluft in den Süden in Richtung Zentraleuropa gezogen und hat die besonders feuchte Luft abgekühlt. Der Wasserdampf wurde so zu Regen und Schnee. Dazu war das Regengebiet noch zwischen zwei Hochdruckgebieten regelrecht gefangen und regnete oder schneite so auf relativ kleinem Gebiet ab.

Hamburger Schutz vor Sturmflut gut, vor Starkregen schwach 

Hamburg habe dabei durch seine Geschichte einige Vorteile. Durch die Sturmflut-Katastrophe vor über 60 Jahren gebe es ein großes Bewusstsein für diese Gefahr. "Hamburg ist eigentlich sicher vor Sturmfluten, könnte man fast schon sagen", so Beate Ratter. Die Hamburger Hafencity sei zum Beispiel nach einem modernen Warftensystem erstellt worden. Dabei wurde erst fünf Meter im Hafen gebaut und aufgeschüttet, und dann erst wurden die Gebäude auf diese Aufschüttung gesetzt.   

Gleichzeitig gebe es aber keinerlei Bewusstsein dafür, dass es nicht nur Sturmfluten, sondern auch Starkregen geben wird, der große Schäden anrichten kann. "Denken Sie an die ganzen Hochwasser-Rückhaltebecken, die wir in Hamburg haben. Es werden immer noch Enten gefüttert, und die werden zunehmend versandet. Dann sind sie nicht mehr da. Wenn wir eine Regen-Ereignis haben, dann können sie nicht mehr volllaufen, wenn da im Prinzip alles voller Entengrütze ist", sagt Beate Ratter.  

Ländliches Niedersachsen, Küsten in Nordfriesland 

Auch andere norddeutsche Regionen wurden in dem Bericht untersucht. Die Küsten in Nordfriesland schätzt der Bericht als bisher ausreichend geschützt ein, da hier die Deiche kontinuierlich verstärkt werden. Auch hier empfiehlt er aber, mehr Schritte in Richtung naturnahen Lösungen - zum Beispiel mit Salzwiesen wieder mehr Überflutungsbereiche zu schaffen. Die Probleme für das ländliche Niedersachsen sieht der Bericht eher in einer Anpassung an Dürren in der Landwirtschaft.  

Hilfe für Hauseigentümer

Unabhängig von staatlichen oder gesellschaftlichen Maßnahmen, sollten aber auch Privatpersonen die Risiken von Hochwasser und anderen Klimafolgen im Hinterkopf haben. Auch individuell gibt es verschiedene Anpassungsmöglichkeiten.  

Ein Überflutungs-Gefahrschild steht an der überfluteten Elbe am Zollenspieker in Hamburg. © Citynewstv
Naturnahe Lösungen gegen Flutschäden sind zum Beispiel spezielle Überflutungsbereiche.

So gibt es die Möglichkeit, vor einem Umzug Hochwasser-Karten einzusehen, die jedes Bundesland erstellen muss. Das hilft bei der Einschätzung, ob Haus oder Wohnung, in die man künftig zieht, in einem potenziellen Hochwasser-Gebiet stehen.  

Haus- oder Wohnungsseigentümer*innen können darüber hinaus Beratung beim Verein HochwasserKompetenzCentrum bekommen, der vom Klimavorsorgeportal der Bundesregierung unterstützt wird. Sie können sich einen sogenannten Hochwasser-Pass ausstellen lassen und Hinweise erhalten, wie sie ihr Gebäude beispielsweise durch Barrieresysteme für Türen oder druckdichte Kellerfenster sicherer machen können.  

Auch Treibhausgase reduzieren 

Bei aller individueller und gesellschaftlicher Anpassung: Gleichzeitig müsse weiter der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert werden, da sind sich Forschende einig. Nur so können die Folgen des Klimawandels einigermaßen abgemildert werden.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Wissen | 25.09.2024 | 07:53 Uhr

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