Meeresspiegel steigt: "Wir werden massiven Küstenschutz brauchen"
Beim ExtremWetterKongress haben Arved Fuchs und Wissenschaftler am Donnerstag Ergebnisse des Projekts "Ocean Change" vorgestellt. Die Forschungsreihe beschäftigt sich seit 2015 mit den Veränderungen in den Ozeanen und deren Auswirkungen auf die Küstenlandschaften.
Es sind beeindruckende Bilder, die Arved Fuchs von seinen Reisen mitbringt. Eisberge in türkisblauem Wasser und Drohnenflüge über Grönlands Gletscher. Erst vor wenigen Tagen ist die "Dagmar Aaen", ein historischer Holz-Fischerkutter, samt Crew am Flensburger Museumshafen eingelaufen. Der Polarforscher ist seit mehr als 40 Jahren in den Polarregionen der Welt unterwegs. Unbeabsichtigt sei er so zum Zeitzeugen des Klimawandels geworden, sagt Fuchs.
Arved Fuchs: "Klimawandel ist mit bloßem Auge zu sehen"
Besonders bedrohlich sei beispielsweise die Situation an der Nordküste Alaskas, sagt Fuchs. Dort gebe es seit 4.000 Jahren Siedlungen auf Permafrost-Boden - also auf Boden, der dauerhaft gefroren ist. "Diese Siedlungen werden wegerodiert durch das Meer, weil der Permafrost-Boden auftaut", mahnt Fuchs. Diese Botschaft überbringt er auch auf dem ExtremWetterKongress in Hamburg. Für die aktuelle Etappe seiner Forschungsreisen ging es unter anderem rund um Island und an die Ostküste Grönlands. Sein Segelschiff ist mit High-End-Messtechnik ausgestattet und überliefert permanent per Satellit Daten: Die meisten Werte stammen von der Oberfläche des Ozeans und der Atmosphäre direkt darüber: Temperatur, Luftdruck, Windgeschwindigkeiten, Salzgehalt und der Kohlendioxid-Anteil im Meerwasser.
Fuchs beteiligt sich an dem Projekt, weil er überzeugt ist, dass die Problematik des Klimawandels nicht hinter verschlossenen Türen diskutiert werden dürfe. Er will die Bevölkerung mitnehmen, unter anderem mit Bildern von seinen Reisen und einem Podcast.
Ozeane speichern etwa 90 Prozent der Wärme
Die Daten, die auf den Expeditionen von Arved Fuchs und seinem Team zusammenkommen, werden von Wissenschaftlern ausgewertet - unter anderem von Johannes Karstensen. Er arbeitet als Ozeanograph am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die neuen Daten bestätigen, dass das Oberflächenwasser in den zurückliegenden hundert Jahren im Mittel um ein Grad wärmer geworden ist. Daraus kann Karstensen schließen, dass auch der Ozean insgesamt wärmer geworden sein muss. Die Ozeane würden außerdem etwa 90 Prozent der Wärme von menschlichen Aktivitäten speichern: "Wenn wir keinen Ozean hätten, wäre es also deutlich wärmer in der Atmosphäre", erläutert der Forscher. Die Ozeane spielen also eine enorm wichtige Rolle in unserem Klimasystem.
Ozean-Erwärmung bringt viele Probleme mit sich
Die Erwärmung des Ozeans habe viele gravierende Folgen, mahnt Karstensen beim ExtremWetterKongress. Nicht nur Fische seien bedroht, weil sie eine niedrige Toleranz bei Temperatur-Schwankungen haben. Durch die Erwärmung dehne sich das Meerwasser aus, wodurch der Meeresspiegel ansteige. "Und dann ist da auch der andere Effekt: das Abschmelzen von Gletschern." Eine Simulation des prognostizierten Anstiegs des Meeresspiegels von der HafenCity Universität Hamburg zeigt, das selbst bei einem gemäßigten Szenario im Jahr 2100 knapp 9.000 Quadratkilometer Land überflutet werden könnten - insbesondere entlang der niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Nordsee-Küste. Sollten auch das Inlandeis Grönlands und der Antarktis sowie der Permafrost weiter schmelzen, könnten es mehr als 10.000 Quadratkilometer werden.
Massiver und teurer Küstenschutz nötig
Für Karstensen ist klar, dass sehr guter Küstenschutz betrieben werden müsse. Der Effekt der Erwärmung, des Meeresspiegel-Anstiegs, der auch mit zunehmenden Stürmen und Sturmfluten einhergeht, den könne man nicht einfach aufhalten.
Auch andere Kollegen haben keine besseren Nachrichten: Einen Rekord-Verlust für Schweizer Gletscher meldet Matthias Huss mit brandneuen Daten, der aus Zürich zugeschaltet ist. Auch in Österreich und Deutschland sieht es bei der Gletscher-Schmelze in Folge von Trockenheit und Sahara-Staub nicht besser aus. Bedrückende Erkenntnisse, resümiert Frank Böttcher, Moderator und Veranstalter des Kongresses. Er und die anwesenden Fachleute hoffen, dass die dramatischen Appelle von den richtigen Leuten gehört werden.