Krieg stellt auch deutsche Firmen in der Ukraine vor Probleme
Der Krieg in der Ukraine hat auch schwierige Umstände für die rund 200 deutschen dort produzierenden Unternehmen zur Folge. Seit Oktober hat sich die Lage in vielen Teilen des Landes noch einmal verschärft.
Oft gibt es gleich mehrmals am Tag Luftalarm. Die russische Armee zerstört gezielt Infrastruktur - Stromausfälle und eine unterbrochene Wasserversorgung sind die Folge. Eine schreckliche Situation für die Bevölkerung - und für heimische wie ausländische Unternehmen eine große Herausforderung.
Vor dem 24. Februar war die Ukraine aus Sicht vieler deutscher Unternehmer ein zukunftsträchtiger Wachstumsmarkt. Das bestätigt auch Michael Kraus, Osteuropa-Geschäftsführer von Fixit. Der Konzern aus Freising bei München produziert in der Nähe von Kiew Baustoffe - vor allem für den ukrainischen Markt, der für das Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewonnen hatte: "Basierend auf diesen Erkenntnissen haben wir ab 2018 massiv in das bestehende Werk und in die Modernisierung und Erweiterung investiert." Vor drei Jahren habe man darüber hinaus beschlossen, noch ein zweites Werk in der Westukraine zu errichten.
Baustoff-Produktion musste vorübergehend eingestellt werden
Anders als erwartet kam der Krieg auch nach Kiew. Fixit musste seine Zentrale in der Hauptstadt und das Werk, das 80 Kilometer weiter südlich liegt, vorübergehend schließen. Ein Teil der Mitarbeitenden wurde an anderen Standorten in Polen und Tschechien in Sicherheit gebracht. Viele Beschäftigte wollten aber gerne wie gewohnt zur Arbeit kommen - und auch die Nachfrage nach Baustoffen war groß. Also beschloss das Fixit-Management bereits zwei bis drei Wochen nach Kriegsbeginn, die Produktion vorsichtig wieder hochzufahren. Geschäftsführer Michael Kraus zieht den Hut vor seiner ukrainischen Belegschaft: "Bis Anfang Oktober haben wir es geschafft, wieder im Vollbetrieb zu sein und ungefähr 75 Prozent des Vorjahresvolumens zu produzieren und zu verkaufen." Und das, obwohl Fixit durch den Krieg seinen Absatzmarkt im Osten und im Süden der Ukraine verloren hat.
HHLA kann Terminal im südukrainischen Odessa nicht nutzen
Deutlich schlechter ist es der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) ergangen. Sie betreibt im Hafen von Odessa eigentlich das größte Containerterminal der Ukraine. Aus Sicherheitsgründen - und weil Russland verhindern will, dass auf Schiffen Waffen in die Ukraine gelangen - ist das Hafenterminal aber seit Kriegsbeginn von der Seeseite aus geschlossen.
Bei der HHLA ist aus diesem Grund Improvisation gefragt, berichtet der Geschäftsführer für Internationales, Philip Sweens: "Nachdem sich die Situation ein bisschen beruhigt hatte, haben wir relativ schnell versucht, eine Landbrücke zwischen Odessa und der EU aufzubauen. Wir haben uns zuerst auf Triest fokussiert, weil wir dort auch einen Hafen haben. Mit der Bahn haben wir dann Container aus der Ukraine raus und auch in die Ukraine reingebracht."
Hamburger Unternehmen zahlt volle Gehälter
Neben Triest erreichen Container der HHLA inzwischen auch Danzig und Hamburg über den Landweg. Da Züge aber ein viel geringes Transportvolumen haben als Containerschiffe, kann die HHLA nur einen Bruchteil der sonst in Odessa üblichen Warenmenge umschlagen.
Die 480 Mitarbeitenden arbeiten abwechselnd, jeder nur ein bisschen. Trotzdem hat die HHLA sich verpflichtet, die Gehälter in voller Höhe weiterzuzahlen. Außerdem habe man noch einige Mitarbeitende nach Hamburg gebracht, erklärt Sweens: "Es ist sicherlich keine einfache Situation und es war auch ein Kraftakt für den Konzern. Aber aufgrund unserer langjährigen Präsenz im Land fühlen wir, dass wir den Leuten das schuldig sind. Deswegen hat der Vorstand auch bewilligt, dass wir da vorangehen, dass wir das machen."
Unternehmen aus Deutschland bleiben zuversichtlich
Auch Michael Kraus vom Baustoff-Hersteller Fixit ist froh, dass er bislang niemanden entlassen musste, obwohl sich die Situation auch für sein Unternehmen seit Oktober verschlechtert hat. Immer häufiger muss die Arbeit wegen Luftalarms unterbrochen werden. Durch Angriffe der russischen Armee wurde viel Infrastruktur zerstört: Strom und Wasser sind knapp. Inzwischen könne Fixit nur noch in der Nachtschicht produzieren - das sei so mit den lokalen Behörden abgestimmt: "Tagsüber wird der Strom für zivile Einrichtungen benötigt und für das Wichtigste: für die Bevölkerung zum Heizen, für Spitäler und sonstige notwendige Stromlieferungen."
Die Umsätze sind zuletzt massiv zurückgegangen. Beide Manager glauben aber fest an die Zukunft der Ukraine und ihrer Unternehmen dort. Auch am Bau des zweiten Werks will Fixit-Geschäftsführer Kraus festhalten. Im besten Fall soll das Werk fertig sein, wenn der Krieg endet - und dann Baustoffe für den Wiederaufbau produzieren.