Kommentar zur Bundestagswahl: "Es wird nicht einfach mit der 'Groko'"
Die Union hat die Bundestagswahl deutlich gewonnen und einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Jetzt ist der Druck groß, schnell eine handlungsfähige Bundesregierung aufzustellen. Die SPD wird sich eine mögliche Koalition teuer bezahlen lassen.
Ein Kommentar von Adrian Feuerbacher, NDR Chefredakteur
In normalen Zeiten könnte man jetzt erstmal abwarten und sich daran erinnern, dass es nach der vorletzten Bundestagswahl fast ein halbes Jahr gedauert hat, bis eine Koalition stand. Die Zeiten sind aber nicht normal.
Der Druck, rasch eine neue, handlungsfähige Bundesregierung aufzustellen, ist immens: Deutschland und ganz Europa sind in einer beispiellosen außen- und sicherheitspolitischen Krise - und die macht nicht netterweise Pause, bis wir uns in Deutschland sortiert haben. Man stelle sich vor: In vier Monaten, beim G7-Gipfel und beim NATO-Spitzentreffen, wäre noch ein abgewählter Bundeskanzler Olaf Scholz dabei, der wenig zu sagen hat, dem wenige zuhören, weil er wenig entscheiden kann - das wäre fatal.
Gemischte Erfahrungen mit der "Groko"
Und dennoch wird die Neuauflage einer "Groko" mit der SPD - für Friedrich Merz die einzig realistische Option - kein Selbstgänger. Denn die Erfahrungen mit schwarz-roten Koalitionen sind gemischt, auf beiden Seiten.
Zur Erfahrung von CDU und CSU gehört, dass die Union in Angela Merkels "Grokos" immer weiter in die Mitte gerückt ist: Mindestlohn, Ehe für alle, offene Grenzen - das hat auch dazu geführt, dass die Union ihr konservatives Profil verloren und auf der rechten Seite des politischen Spektrums Raum für den Aufstieg der AfD frei gemacht hat.
SPD in der Zwickmühle
Die SPD wiederum steckt jetzt in einer Zwickmühle zwischen staatspolitischer Verantwortung und dem Bedürfnis, nach diesem historischen Absturz in der Opposition neue Kräfte zu sammeln. Sich als kleinerer Regierungspartner zu regenerieren - das kann funktionieren, aber die Risiken für die tief verwundete SPD sind beträchtlich. Lars Klingbeil wird von der Union einen hohen Preis für Schwarz-Rot fordern.
"Groko" wird nicht einfach
Wenn der Weg für Friedrich Merz ins Kanzleramt also mühsam und holprig wird in den kommenden Tagen und Wochen, dann übrigens auch, weil er persönlich dazu beigetragen hat. Dass er im Bundestag für Verschärfungen in der Asylpolitik eine Mehrheit mit der AfD in Kauf nahm - das werden viele in der SPD so schnell nicht vergessen und das wird auch die Koalitionsverhandlungen überschatten.
Einfach wird das nicht, mit der "Groko".
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