Katastrophenschützer über Bunker: "Kein Grund, hektisch zu werden"
Braucht Deutschland wieder Zivilschutzbunker oder private Schutzräume, etwa in Kellern? Andreas Walus vom Landesamt für Katastrophenschutz in Mecklenburg-Vorpommern sieht keinen akuten Bedarf - und empfiehlt Maßnahmen, um im Katastrophenfall gewappnet zu sein.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe arbeitet derzeit zusammen mit den Bundesländern an einem Bunker-Plan für Deutschland. NDR Info hat dazu mit dem Chef des Landesamtes für Katastrophenschutz in Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Walus, gesprochen.
Herr Walus, warum sprechen wir jetzt gerade über das Thema Schutzräume?
Andreas Walus: Schutzräume sind keine wirklich neue Thematik oder neue Aufgabe für die Behörden. Sie gehören seit eh und je in die Konzeption des Bevölkerungsschutzes, als ein Baustein von vielen. Jetzt ist es so, dass das Bundesamt ganz klar sagt: "Wir müssen uns so eine Art Inventur machen. Wir müssen mal schauen: Was haben wir eigentlich in Deutschland noch an Schutzräumen und in welchem Zustand sind sie?" Der nächste Schritt ist dann, dafür auch eine Strategie zu entwickeln.
Bedeutet das zwangsläufig, dass nach dieser Inventur alte Bunker reaktiviert werden oder viele neue gebaut werden?
Walus: Ich war vor wenigen Wochen auf einer Dienstreise in Finnland und konnte mir anschauen, wie dort das Thema gelöst wird. Ich finde den Ansatz charmant und das wird wahrscheinlich auch Teil der Strategie des Bundes. Dort haben sie das Thema Schutzräume in den Alltag integriert. Dort sind etwa Indoor-Spielplätze, Fitnessstudios oder Parkhäuser von Beginn an so gestaltet worden, dass sie auch in einem Krisenfall als Schutzraum genutzt werden können. Das finde ich sehr klug und geschickt. Dort sind nicht nur Extrabauten errichtet worden, sondern man hat das von Anfang an planerisch mit einbezogen.
Für welche Bedrohungslagen brauchen wir aus Ihrer Sicht überhaupt Schutzräume?
Walus: Wichtig ist mir zu betonen, dass Schutzräume immer einen Mehrfachnutzen haben. Das heißt: Das Ganze jetzt nur aus der Sicht möglicher militärischer Gefahren zu betrachten, geht zu kurz. Wir haben zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern schwere Tornados gehabt. Das sind richtige Naturkatastrophen, die auch zu erheblichen Schäden geführt haben. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Schutzräume eben auch in diesem Bereich Menschenleben retten können. Insofern würde ich das immer wieder unterstreichen wollen: Diese Szenarien sind aus Sicht des Bevölkerungsschutzes viel wahrscheinlicher als militärische Gefahren.
Welche Bedrohungslagen halten Sie denn abseits dessen für wahrscheinlich?
Walus: Es ist unsere Aufgabe, unabhängig von der Ursache zu schauen, wie können wir Menschen schützen und dafür erstellen wir fortwährend Bedrohungsanalysen. Dazu gehören technische Gefahren und Ursachen wie etwa Unfälle in Hochrisikoanlagen wie zum Beispiel Kraftwerke und Chemieanlagen. Wir befassen und mit Naturgefahren. Das sind etwa starke Unwetter. Aber auch Pandemien zählen zu den Gefahrenlagen, die wir im Blick haben, sowie Gefahrenlagen, die von Menschen mit kriminellen oder terroristischen Absichten ausgehen.
Wir als Staat entwickeln aus diesen Szenarien dann Bevölkerungsschutzstrategien, damit wir jederzeit so gut wie möglich in der Lage sind Leib und Leben zu schützen. Wenn man das an einem konkreten Referenzszenario ausmachen will, an dem wir sehr viele Überlegungen ausrichten und das meiner Meinung nach realistisch ist, dann ist das der Blackout. Gemeint ist ein großflächiger, länger anhaltender Stromausfall, wobei auch das in Deutschland unwahrscheinlich ist, weil wir eine sehr stabile Energieversorgung haben, die weltweit als eine der besten anerkannt wird. Aber das ist ein Szenario, von dem wir Katastrophenschützer oft ausgehen und daran ausgerichtet staatliche Vorkehrungen treffen.
In der aktuellen Debatte um mangelnde öffentliche Bunker wurde häufig über den Ausbau privater Kellerräume zu privaten Schutzräumen gesprochen. Halten Sie das für sinnvoll in der privaten Vorsorge?
Walus: Aus Katastrophenschützer-Sicht ist es natürlich löblich, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, aber es gibt aus meiner Sicht gerade keinen Grund hektisch zu werden. Zumal eigentlich jeder Mensch bereits Räume hat, in denen er Schutz für durchaus realistischere Katastrophenfälle wie Naturgefahren findet. Das sind fensterlose Räume wie Bäder oder Dielen. Da ist man vor Trümmern und Splittern geschützt. Aber ganz generell empfehlen wir natürlich unabhängig von den staatlichen Vorkehrungen, auch privat Maßnahmen vorzubereiten.
Wie sollte aus Ihrer Expertensicht diese private Vorsorge aussehen?
Walus: Wir empfehlen, dass man idealerweise zehn Tage autark sein kann. Das bedeutet: ausreichend Lebensmittel, Wasser, Hygieneartikel und Medikamente für sich, die Familie und vielleicht den einen oder anderen Nachbarn, der auch Unterstützung braucht. Es gehört außerdem auf jeden Fall ein Radio zur Vorbereitung dazu - ein batteriebetriebenes oder noch besser ein Kurbelradio, mit dem man quasi selbst die Energie erzeugen kann. Dieses Radio ist dafür da, um in der Notfallsituation zu erfahren, wie man sich weiter verhalten soll. Denn es gibt Szenarien, etwa beim Blackout, da funktioniert auch irgendwann die Mobilfunkversorgung nicht mehr und das Handy hilft nicht mehr. Auch eine Taschenlampe wäre ratsam.
Außerdem kann man sich schon jetzt schlau machen, wo man sich im Fall der Fälle hinwenden kann. In den allermeisten Bundesländern in Deutschland gibt es sogenannte vorgeplante Katastrophen-Leuchttürme. Das sind Orte, etwa Gerätehäuser der Feuerwehren, die im Ernstfall als Anlaufstelle dienen sollen. Dort würde man dann Informationen erhalten oder auch medizinische Hilfe. Außerdem kann sich jeder und jede mit den verschiedenen Warnsignalen und ihren Bedeutungen beschäftigen.
Das Interview führte Anna-Lou Beckmann.