KI-Forschung: Intelligenter Zaun soll Wölfe erkennen und vertreiben
Die Universität Bremen entwickelt einen Weidezaun, der mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) Wölfe erkennen und vertreiben soll. Das Ziel: Weidetiere besser schützen und die friedliche Koexistenz von Wölfen, Nutztieren und Menschen fördern.
Die Ausbreitung des Wolfs bringt Artenschutz und Tierhaltung in Konflikt: Einerseits wird die Weidehaltung von Landwirtschaft und Gesellschaft gewünscht. Anderseits werden die Weidetiere immer wieder von Wölfen angegriffen. "Mit mehreren Tausend Rissen pro Jahr von Schafen, Ziegen, Kälbern, Ponys und Fohlen stellen Wölfe jedoch eine zunehmende Bedrohung für die Weidetiere und eine psychische Belastung für ihre Halter dar", heißt es im Forschungsprojekt "mAInZaun" der Universitäten Bremen und Gießen.
Das Forschungsziel: Der erste "wolfssichere" Zaun
Die Wissenschaftler wollen den ersten "wolfssicheren" Zaun entwickeln. Dafür haben die Forscher David Wewetzer und Jens Dede bei einer Teststation des Projekts eine selbstauslösende Kamera an einem Zaun im Wingster Waldzoo installiert. Hier leben Wölfe auf einem 5.000 Quadratmeter großen Gelände. Die Aufnahmen werden automatisch an einen Bremer Uni-Rechner übermittelt. Kommunikationstechniker Dede: "Die Bilder verwenden wir für unsere Künstliche Intelligenz, um ein Modell zu erstellen, welches die Wölfe möglichst automatisiert erkennt."
"Wolf erkannt" ist allerdings nur der erste Schritt. Im Projektverlauf wird der Zaun technisch noch weiter aufgerüstet: Ultraschall, grelles Licht oder bestimmte Duftnoten sollen dem Wolf dann das Leben so unangenehm machen, dass er das Weite sucht.
Den Wolf vertreiben, Weidetiere aber nicht erschrecken
David Wewetzer vom Technologiezentrum Informatik (TZI) an der Uni Bremen: "Das Ziel des Projektes ist die Erkennung plus Vergrämung, und zwar genau dann, wenn es notwendig ist – und nicht einen ständig lärmenden, blinkenden Zaun zu haben. Daran würde sich der Wolf gewöhnen." Außerdem soll die Künstliche Intelligenz nicht nur Wölfe von anderen Tieren unterscheiden, sondern auch einzelnen Wölfen untereinander. "So können die Vergrämungslösungen individualisiert werden, damit sich einzelne Tiere nicht an bestimmte Abwehrmethoden gewöhnen", ergänzt Wissenschaftlerin Anna Förster.
Der intelligente Zaun soll zwar den Wolf vertreiben – Weidetiere aber nicht beeindrucken. Entsprechende Versuche haben die Projektpartner der Bremer am Gießener Institut für Tierzucht und Haustiergenetik gemacht: Dort wurden Schafe Ultraschallfrequenzen ausgesetzt, die Wölfe als unangenehm empfinden. Wewetzer: "Die Schafe waren überhaupt nicht beeindruckt davon – was wir erwartet hatten: da gab's keine Reaktion." Ähnliche Versuche im Freiland mit Hunden und Wölfen sind in Vorbereitung.
2024 soll der KI-Schutz gegen Wölfe laufen
Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und soll Mitte 2024 abgeschlossen sein. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit 1,1 Millionen Euro. Ein Zaunhersteller entwickelt parallel zu der Arbeit der Uni-Wissenschaftler die nötige Hardware. Am Ende sollen die Sensorik und die Vergrämungslösungen kostengünstig, digital steuerbar und energieeffizient sein. Der intelligente Zaun soll über eine eigene Stromversorgung verfügen, sodass er unabhängig von einem vorhandenen Zaun einsetzbar ist.
Wer ist schlauer: Wolf oder KI?
Der Wildbiologe Peter Sürth hält die Entwicklung für sinnvoll, ist aber auch skeptisch: "Es wird nicht einfach sein, den Wolf zuverlässig auszutricksen. Er ist ja ein Stratege und keiner, der irgendwo hinrennt und einfach angreift. Wölfe sind erstmal Generalisten, aber vorsichtig, umsichtig, und Wölfe werden versuchen, Lücken im System zu finden."
Wölfe gibt es in fast ganz Norddeutschland. Nachdem sie in Deutschland lange Zeit ausgerottet waren, wurden im Jahr 2000 die ersten Wolfswelpen in Freiheit geboren. Seitdem erobern sich die Wölfe ihren alten Lebensraum zurück. Laut NABU gibt es derzeit bundesweit 161 Rudel, 34 davon in Niedersachsen und 18 in Mecklenburg-Vorpommern. Hinzu kommen 43 Paare und 21 sesshafte Einzeltiere.