Fakt ist, dass Strom in anderen Teilen der Welt sowohl für Privatkunden als auch für die Industrie günstiger ist als in Deutschland. Allerdings ist laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat Strom – zumindest für die Industrie - in Deutschland keineswegs am teuersten in Europa. Im vergangenen Jahr war Industriestrom zum Beispiel in Belgien, Dänemark oder Italien zum Teil erheblich teurer als hierzulande. In Schweden, Frankreich oder auch in den Niederlanden hingegen war er billiger.
Nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs sind die Energiekosten stark gestiegen. Die Regierungen in Europa steuern mit unterschiedlichen Maßnahmen dagegen. Frankreich zum Beispiel hat seinen staatlichen Stromkonzern EDF verpflichtet, eine bestimmte Menge Strom zu einem regulierten Preis abzugeben. Außerdem stehen viele Unternehmen in einem weltweiten Wettbewerb. Da sind die Unterschiede beim Strompreis weitaus größer. Laut dem ifo-Institut ist Strom hierzulande mehr als dreimal so teuer wie in den USA.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Umlagen, Steuern, Netzentgelte sind Komponenten, die national unterschiedlich ausfallen. Die Stromerzeugung und vorhandene Rohstoffe, wie zum Beipiel Öl und Gas, sind ein anderer Faktor. Dazu kommt die Art und Weise, wie der Strompreis gebildet wird. In Deutschland gilt das Merit-Order-Prinzip: Der teuerste Stromerzeuger, der noch Strom verkauft bekommt, bestimmt den Preis für alle. In den USA hingegen wird der Preis häufig von gewählten Kommissionen festgelegt.
Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zahlen Industrieunternehmen 26,5 Cent pro Kilowattstunde im Schnitt der ersten Jahreshälfte – inklusive Umlagen und Steuern. Das sind rund fünf Cent mehr als vor dem Ukrainekrieg. In den USA aber gelten über Preise von etwa acht Cent pro Kilowattstunde. Betrachtet man ein energieintensives Unternehmen wie die Kupferhütte Aurubis, die konzernweit 2021 fast zwei Terrawattstunden Strom benötigt hat, macht es einen großen Unterschied, ob sie 500 oder 160 Millionen Euro für Strom bezahlen muss. Allerdings: Wie viel Aurubis wirklich zahlt, ist unklar, denn nicht jedes Industrieunternehmen zahlt den Durchschnittspreis.
Es gibt keinen konkreten Industriestrompreis. Manche große Unternehmen erzeugen ihren Strom selbst, andere kaufen direkt an Strombörsen ein oder haben Großkundenverträge oder Sonderregelungen bei Steuern oder Entgelten. Es handelt sich um einen sehr intransparenten Markt, wo kaum jemand seine Verträge und echten Kosten öffentlich macht.
Das ist nicht unbedingt der Fall, zumal unklar ist, ob kleinere und mittelständische Unternehmen überhaupt dazu zählen würden. Zudem gibt es viele Ermäßigungen und Vergünstigungen, die wiederum an bestimmte Schwellenwerte gekoppelt sind. So könnte eine neue Subvention dafür sorgen, dass andere wegfallen. In der Industrie gibt es auch Stimmen, die das Geld lieber in den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien stecken wollen – also dauerhaft günstigere Energiepreise für alle, statt befristete Subventionen für wenige.
Hohe Strompreise im internationalen Vergleich sind kein Phänomen der letzten ein bis zwei Jahre. Auch vor zehn Jahren war Industriestrom in Deutschland schon teurer als in den meisten anderen europäischen Ländern. Ein geringerer Strompreis würde zwar aktuell helfen. Der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien, eine Reform des Strommarkt, schnellere Entscheidungswege, weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung sind aber Faktoren, die für den Wirtschaftsstandort Deutschland noch wichtiger sind als weitere Subventionen einzelner Wirtschaftssektoren.