Geflüchtete: Länder wollen die Hälfte der Kosten vom Bund
Die Ministerpräsidenten der Länder haben auf einer Konferenz in Berlin ihre Forderung nach einer stärkeren finanziellen Unterstützung des Bundes für die Aufnahme von Flüchtlingen konkretisiert. Am 10. Mai beraten sie mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Sondersitzung über die Versorgung von Flüchtlingen.
Die Bundesländer verlangen vom Bund mehr Geld, um Flüchtlinge unterbringen zu können. Das betonten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten nach Beratungen in Berlin. "Die Länder gehen davon aus, dass sie in diesem Jahr über 16 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der Unterbringung von geflüchteten Menschen aufzubringen haben", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Donnerstag nach den Beratungen. "Im vorvergangenen Jahr waren das noch neun Milliarden Euro." Der finanzielle Beitrag des Bundes sei zu gering. "Vom Bund muss mehr kommen", unterstrich Weil als Vorsitzender der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Er erwarte, dass der Bund die Hälfte der Flüchtlingskosten übernimmt.
Weitere Unterkünfte müssen entstehen
Seit Beginn des Jahres sei die Zahl der Asylbewerberinnen und Asylbewerber gegenüber dem Vorjahr bereits um 76 Prozent gestiegen, führte Weil aus. Da zum Jahresbeginn in der Regel nicht die meisten Menschen kämen, schaue man mit Sorge auf die Entwicklungen der kommenden Monate. In den Kommunen brauche es deshalb weitere Standorte für Unterkünfte. Und dafür sei natürlich auch mehr Geld nötig. Es könne nicht sein, so Weil, dass die Länder ihren Anteil stetig erhöhen würden, der Bund seine finanzielle Unterstützung dagegen immer weiter zurückfahre.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sieht den Bund am Zug. Es sei zwar ein Gebot der Menschlichkeit, Flüchtlinge aufzunehmen, aber es müsse auch vor Ort funktionieren, sagte sie nach der Konferenz. Die Länder, Kreise, Städte und Gemeinden kämen an ihre Grenzen - deshalb sei es wichtig, "dass wir das künftig besser organisieren", so die MV-Landeschefin.
Weil: Bund soll Vorhaltekosten übernehmen
Weil hatte bereits im Vorfeld der Konferenz auf NDR Info bemängelt, dass der Bund insgesamt seine finanzielle Unterstützung zurückgefahren habe. Er und seine Länderkollegen erwarteten viel mehr finanzielle Hilfe. Den Wunsch der Kommunen, dass die Vorhaltekosten mit abgedeckt würden, unterstütze er voll und ganz. "Die Kommunen sagen mit Recht, dass sie Unterkünfte vorhalten müssen, von denen sie nicht wissen, wann sie in Anspruch genommen werden." Wenn man aber vermeiden wolle, dass Turnhallen spontan belegt werden müssten, dann müsse man genügend Unterkunftsplätze haben, die im Falle eines Falles sehr schnell aktiviert werden können. Das sei eines der Hauptthemen, die geklärt werden sollten, sagte Weil.
Wüst: Verlässliche Finanzierung für Daueraufgabe
Der nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) fügte hinzu, der Anteil der Menschen, die nicht aus der Ukraine kämen, sei inzwischen höher als der Anteil ukrainischer Kriegsflüchtlinge. Er ging von zusätzlichen Kosten in diesem Jahr für den gesamten Bereich Flucht in Höhe von 3,7 Milliarden Euro allein im Nordrhein-Westfalen aus. Die Finanzhilfen des Bundes betrugen demnach zugleich 600 Millionen Euro.
Die Länder forderten daher eine "faire Lastenverteilung" zu gleichen Teilen zwischen Bund und Ländern. "Viele Menschen wollen bleiben. Deshalb müssen wir dieser Daueraufgabe auch eine verlässliche Finanzierung geben." Der Bund habe im Jahr 2016 40 Prozent der Kosten getragen, aktuell trage er in NRW 16 Prozent. Auch in anderen Ländern sehe es nicht viel besser aus, so Wüst.
Bund und Länder diskutieren im Mai weiter über Geflüchtetenhilfe
In dem von den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten gefassten Beschlusspapier heißt es, die im November vom Bund zugesagte Unterstützung sei nicht in vollem Umfang umgesetzt worden. Der Bund werde "dringend" gebeten, die bereits für 2023 zugesagten Mittel kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Auch die Zusage des Bundes, weitere Liegenschaften bereitzustellen, sei nur teilweise erfüllt. Wegen steigender Flüchtlingszahlen sei darüber hinaus eine "deutlich über die bereits für 2023 zugesagten Mittel hinausgehende finanzielle Unterstützung des Bundes erforderlich".
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten fordern vom Bund, eine feste Pauschale für jeden Flüchtling an die Länder zu überweisen und mehr Gebäude für die Unterbringung bereitzustellen. Zudem drängen die Länderchefs auf Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern und einen wirksameren Schutz der EU-Außengrenzen. Am 10. Mai soll es eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz geben. Im Bundestag betonte Scholz am Donnerstag, dass der Bund bereits einen großen Teil der Flüchtlingskosten, insbesondere für Ukrainer, übernehme.