Fröhliche Technik: Dänische Firma zeigt, wie Inklusion funktioniert
Menschen mit Entwicklungsstörungen haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt. Viele Unternehmen fürchten komplizierte Inklusionsmaßnahmen. Eine dänische Firma macht vor, wie einfach es geht.
Auf den ersten Blick sieht das Unternehmen Glad Teknik aus Hvidovre, einem Vorort von Kopenhagen, aus wie viele andere: Eine große Glasfassade am Eingang, dahinter sitzen Mitarbeitende vor Bildschirmen, andere reparieren konzentriert Computer und Handys. Was dieses Unternehmen so besonders macht, ist auf den ersten Blick unsichtbar: 80 Prozent der Belegschaft haben eine oder mehrere Diagnosen wie Autismus oder ADHS.
Unbegründete Vorurteile gegenüber Betroffenen
Auch bei Firmenchef Mathias Nielsen wurden mehrere Entwicklungsstörungen diagnostiziert: "Ich fand es richtig schwer, einen Arbeitsplatz zu finden, der zu mir passt und wo mein Potenzial erkannt wird. Deshalb habe ich mir vor sechs Jahren meinen eigenen Arbeitsplatz geschaffen", sagt er. Seine Vision: ein Unternehmen, das für alle Platz hat, unabhängig von der Diagnose.
Tatsächlich haben es nur wenige andere Gruppen auf dem Arbeitsmarkt so schwer wie Menschen mit Entwicklungsstörungen, erklärt Professor Thomas Bredgaard von der Universität Aalborg: "Viele Arbeitgeber denken, es ist teuer und beschwerlich, diese Menschen einzustellen und dass es viel Zeit braucht, sie anzulernen oder zu beaufsichtigen." Dafür gebe es aber keine starken Belege. Daher sei das eher eine Sorge als die Realität.
Fokus auf besondere Begabungen
Für seine Firma Glad Teknik - übersetzt "Fröhliche Technik" - sieht Nielsen in der Inklusion eher Vorteile als Nachteile: "Sehr viele unserer Mitarbeiter, besonders wir Autisten, sind sehr gut darin, Details zu erkennen", sagt er. "Ich kann vielleicht Gesichtsausdrücke nicht so gut deuten, aber ich sehe eine Menge Dinge, auf die andere nicht achten." Das sei ein Riesenvorteil, wenn man etwa einen Computer blitzschnell auseinandernehmen und einen Schaden finden wolle.
Diagnose als Superkraft statt als Bürde
Genau das ist der Schwerpunkt des Unternehmens, das im vergangenen Jahr von elf auf 43 Angestellte gewachsen ist. Einer von ihnen ist Martin Nissen. Bei ihm wurden das Asperger-Syndrom und ADS diagnostiziert. An früheren Arbeitsplätzen sei er deswegen diskriminiert worden, erzählt der Techniker mit schwarzer Kappe und Dreitagebart. Mit seinen vielen Nachfragen habe er Vorgesetzte genervt, sei als Bürde empfunden worden.
Bei Glad Teknik kommt ihm seine Diagnose eher vor wie eine Superkraft: "Hier gibt es keine dummen Fragen und man darf auch zweimal oder zehnmal fragen", erzählt Nissen. Da fast alle Kolleginnen und Kollegen eine Form von Entwicklungsstörung haben, gebe es viel gegenseitige Rücksicht und ein Arbeiten auf Augenhöhe.
Eine Firma mit Vorbildfunktion
Jungen Menschen mit Diagnosen wie ADHS oder Autismus ein sicheres Arbeitsumfeld zu bieten, sei nicht nur für die Mitarbeitenden wichtig, sagt Arbeitsmarkt-Forscher Thomas Bredgaard. Es lohne sich auch für die Unternehmen. "Es ist nicht nur menschlich gesehen eine gute Idee, sondern auch gesellschaftsökonomisch nötig", erklärt Bredgaard. Sobald jungen Menschen eine Diagnose gestellt werde, schrumpften ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz oder Job. Gleichzeitig fehlen in Dänemark viele qualifizierte Arbeitskräfte. Deshalb sei es wichtig, junge Menschen mit Diagnosen in Unternehmen zu integrieren und an sich zu binden. Das gelte auch für andere gesellschaftliche Gruppen, die bislang auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden, meint Bredgaard - etwa Migrantinnen und Migranten oder ältere Menschen. Der Forscher ist überzeugt: Damit das gelinge, müsse es Vorbilder wie Nielsens Firma geben, von denen sich andere inspirieren lassen können.