Flüchtlingsgipfel: Mehr Zusammenarbeit, aber keine weiteren Gelder
Auf dem Flüchtlingsgipfel in Berlin haben Bund, Länder und Kommunen mehr Zusammenarbeit in Sachen Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbart. Neben der vertagten Finanzierungsfrage wurde auch das Fernbleiben von Kanzler Scholz kritisiert.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat angekündigt, dass der Bund mehr Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung stellen werde, etwa durch eigene Liegenschaften. Die Immobilien würden mietzinsfrei überlassen, Sanierungskosten würden vom Bund erstattet. Das teilte Faeser nach den Beratungen mit Vertreterinnen und Vertretern von Ländern und Kommunen mit. Über mögliche zusätzliche Finanzhilfen des Bundes solle es um Ostern weitere Gespräche geben, sagte die Bundesinnenministerin. Dann stehe ein Spitzengespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder an.
Sager: Entlastung dringend nötig
Vertreter und Vertreterinnen von Städten und Gemeinden zeigten sich enttäuscht vom Ergebnis des Gipfels - und auch darüber, dass Kanzler Scholz nicht bereits an diesem Treffen teilnahm. Dies sei "überfällig", sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages und ehemalige Landrat von Ostholstein, Reinhard Sager (CDU). Denn in der Finanzfrage sei die Runde "zu meiner großen Enttäuschung nicht weitergekommen". Dabei brauchten in Deutschland jetzt die dringend Entlastung, die kommunale Verantwortung tragen. Der für die Unterbringung von Flüchtlingen erforderliche Wohnraum sei begrenzt. Ehrenamtliche und hauptamtliche Helfer stünden nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung.
Dashboard soll aktuelle Daten liefern
Bis Ostern soll ein gemeinsames Gremium auch erste Ergebnisse zu weiteren Unterbringungsmöglichkeiten und zur Entlastung von Ausländerbehörden vorlegen. Faeser verwies auf die sehr unterschiedlichen Belastungen in den Kommunen und Regionen, über die es einen engeren Austausch geben solle, auch über ein neues digitales Dashboard. Es soll aktuelle Daten zur Flüchtlingssituation bis auf Ebene der Kommunen liefern.
Grote: Herkunftsländer spielen wichtige Rolle
Einig war sich die Runde auch, dass illegal eingereiste Menschen möglichst wieder in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden sollten. Abschiebungen sollen laut Faeser erleichtert werden, indem die Abschiebehaft von drei auf sechs Monate verlängert wird. Der "zentrale Schlüssel" für eine Rückführungsoffensive sei die Aufnahmebereitschaft der Herkunftsländer, sagte der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD). Hier gebe es nun "ein erstes erfolgreiches Beispiel", sagte er. "Irak ist in der Pipeline. Das würde uns sehr helfen."
Solche Abkommen soll der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP), aushandeln. Er dämpfte allerdings die Erwartungen an eine hohe Zahl von Rückführungen, denn diese bräuchten einen erheblichen Vorlauf, erklärte er.
Insgesamt zeigte sich Hamburgs Innensenator Grote zufrieden mit den Ergebnissen des Gipfels. Ostern sei ein guter Zeitpunkt, um erneut über Geld zu sprechen. Bis dahin werde man besser einschätzen können, wie viele zusätzliche Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu erwarten seien. Auch müssten bis Ostern die Kapazitäten ermittelt werden. Es sei nun einiges in Bewegung geraten, was über viele Jahre nicht geschehen sei. Mit Blick auf die nun verabredeten neuen Arbeitsprozesse sagte er: "Wir beziehen die Kommunen noch stärker ein."
Mecklenburg-Vorpommerns Opposition: Eine einzige Enttäuschung
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) nannte die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels einen "wichtigen Auftakt" und einen "guten Schritt, um für die Zukunft gewappnet zu sein". Die mitregierende Linke hingegen kritisierte, dass der Bund den Ländern und Kommunen nicht mehr Geld zukommen lasse. Die CDU-Landtagsfraktion bezeichnete den gesamten Gipfel hingegen als "einzige Enttäuschung", die Bundesregierung habe den Ernst der Lage nicht erkannt. "Um die Begrenzung von Migration und um erleichterte Abschiebungen hätte es gehen müssen. Ganz offensichtlich fehlt der Bundesregierung hierfür die Bereitschaft“, sagte Franz-Robert Liskow, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion.
Enttäuschte Reaktionen aus Niedersachsen
Frank Klingebiel, Präsident des Niedersächsischen Städtetags, kritisierte nach dem Treffen vor allem die Aussage des Bundes, dass den Ländern und Kommunen keine weiteren Finanzmittel zur Unterstützung der Herkulesaufgabe zur Verfügung gestellt werden soll. Dies stoße bei den Kommunen auf große Verärgerung, sagte Klingebiel. Kritik gab es auch vom Flüchtlingsrat aus Niedersachsen, weil der Gipfel keine konkreten Erleichterungen für Geflüchtete, die nicht aus der Ukraine stammen, bei der Unterbringung und der Arbeitssuche auf den Weg gebracht habe.
Schleswig-Holstein: Touré vermisst konkrete Ergebnisse
Auch Aminata Touré, Schleswig-Holsteins Integrationsministerin, zeigte sich mit Blick auf fehlende konkrete Ergebnisse nach dem Gipfel enttäuscht. "Es ist gut, dass sich Bund, Länder und Kommunen in dieser Runde offen und konstruktiv ausgetauscht haben", sagte die Grünen-Politikerin. Die zwischen Bund, Ländern und Kommunen vereinbarten Arbeitsstrukturen zur Unterbringung, Integration, Rückführung sowie zur Verwaltung müssten sofort greifen und zu handfesten Ergebnissen führen, so Touré. Ulf Kämpfer (SPD), Kiels Oberbürgermeister und stellvertretender Präsident des Deutschen Städtetags, kritisierte den Bund dafür, dass zu lange gewartet werde und viele Städte somit in finanzielle Vorleistung gehen müssten – so auch Kiel mit vielen Millionen Euro. Auf Dauer funktioniere die Vorleistung von Ländern und Kommunen nicht, betonte auch Touré. "Wir brauchen dringend mehr dauerhafte Unterkünfte in den Kommunen und entsprechende Unterstützung vom Bund." Hier müsse der Bund bis Ostern liefern, forderte sie.