Einbürgerungsreform: Australierin hofft auf Wahlrecht in Hamburg
In Deutschland leben derzeit rund 10,7 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Knapp sechs Millionen davon könnten sich einbürgern lassen, aber nur wenige nehmen das in Anspruch. Die Einbürgerungsreform könnte Deutschland attraktiver machen.
Lauren Klemt gehört zu den 5,7 Millionen Menschen in Deutschland, die hier seit über zehn Jahren mit ausländischer Staatsangehörigkeit leben. Nur wenige von ihnen wollen eingebürgert werden, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Im vergangenen Jahr waren es gerade Mal 2,5 Prozent der Berechtigten. Dabei lebt und arbeitet Klemt seit 13 Jahren in Hamburg. Sie ist wegen der Liebe in den Norden gekommen, hat mittlerweile mit ihrem deutschen Ehemann eine Familie gegründet.
Australischer Pass statt Wahlrecht
Deutsche zu werden, kam für Klemt bisher nicht in Frage, denn dafür müsste sie ihre australische Staatsbürgerschaft aufgeben. "Das will ich nicht!", erklärt sie. Sie brauche ihren Pass, um jederzeit ohne Visum zu ihrer Familie nach Australien reisen zu können. Ihre Staatsangehörigkeit sei ein Teil ihrer Identität. Auch ihre Eltern, glaubt die Wahl-Hamburgerin, wären nicht so begeistert, wenn sie den australischen Pass abgeben würde. Für Klemt eine folgenschwere Entscheidung. Denn seit vielen Jahren darf sie weder in ihrer alten noch in ihrer neuen Heimat an Wahlen teilnehmen.
Doppelte Staatsbürgerschaft: für einige Länder gibt es Ausnahmen
"Das macht mich wütend, denn es ist sehr wichtig, zu wählen. Ich wohne hier, es ist mein Zuhause, ich habe zwei Kinder", schildert Klemt ihre Lage. Wenn man lange in einem Land lebe, arbeite, Steuern zahle, solle man auch die Möglichkeit haben, mitzubestimmen, findet sie. Doch in Deutschland ist das Wahlrecht an die Staatsangehörigkeit gekoppelt, mit wenigen Ausnahmen: Zum Beispiel können EU-Bürger ohne deutschen Pass immerhin an kommunalen Wahlen teilnehmen. Auch bei der doppelten Staatsbürgerschaft gibt es Ausnahmen: Menschen aus anderen EU-Staaten, der Schweiz sowie aus Staaten, die ihren Bürgern die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit verweigern, können ihren zweiten Pass behalten.
Migrationsforscher kritisieren ungleiche Behandlung nach Herkunftsland
Diese ungleiche Behandlung je nach Herkunftsland kritisieren Migrationsforscher. "Es ist ein bisschen unrealistisch von Migrant*innen zu erwarten, dass sie ihre emotionalen Verbindungen zu ihren Herkunftsländern einfach aufgeben", findet Zeynep Yanasmayan vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Die Staatsangehörigkeit sei eben nicht nur ein rechtlicher Status, sondern auch identitätsstiftend. Ihre Forschung zeige deutlich, dass die Menschen aufgrund ihrer familiären Verbindungen ins Herkunftsland zögern, ihre Staatsbürgerschaft aufzugeben. Manche hätten auch Unternehmen in der alten Heimat und wollen ihre Rechte vor Ort behalten.
Bürokratie schreckt Fachkräfte ab
Yanasmayan kann der möglichen Reform des Einbürgerungsrechts daher viel Gutes abgewinnen. Sie erhofft sich mehr Chancengleichheit und Anerkennung für Migranten. Oftmals schrecke bereits der hohe bürokratische Aufwand ab, den Prozess in die Wege zu leiten. Das sieht auch Tobias Heidland vom Kiel Institut für Weltwirtschaft ähnlich. Deutschland müsse attraktiver für Fachkräfte werden, da würden starre Strukturen auf Ämtern und langjährige Prozesse nicht zu beitragen, so der Professor für Volkswirtschafslehre. Auch eine doppelte Staatsbürgerschaft stehe der Integration nicht im Wege, sie motiviere aber Menschen, denen eine langfristige Perspektive wichtig sei, gerade im Hinblick auf die Familiengründung und Kinder. Außerdem sollten Unternehmen offener dafür sein, Menschen einzustellen, die nur Englisch sprechen.
Anerkennung von Berufsabschlüssen soll einfacher werden
Neben den Einreiseregelungen will die Bundesregierung bei der Fachkräfte-Offensive die Anerkennung von Berufsabschlüssen vereinfachen. Auch mit diesem Thema hat Lauren Klemt schon leidvolle Erfahrungen gemacht. Die ausgebildete Ergo-Therapeutin musste jahrelang dafür kämpfen, dass ihr australischer Studienabschluss in Deutschland anerkannt wird. Mittlerweile arbeitet sie in einem Startup und hat parallel ein eigenes Unternehmen gegründet. Nun hofft sie, wie viele andere auch, dass sie sich nach der Reform des Einbürgerungsgesetzes nicht mehr zwischen Deutschland und Australien entscheiden muss - und in Zukunft endlich in ihrer Wahlheimat mitbestimmen darf.