Kolumne: "Vor Gott ist die Herkunft egal"
Bislang müssen Menschen vor ihrer Einbürgerung mindestens acht Jahre in Deutschland leben. Diesen Zeitraum will die Bundesregierung auf fünf Jahre verkürzen. Außerdem sollen mehrere Staatsbürgerschaften möglich sein.
Deutschland. Mein Vater ist hier geboren. Deutsch ist meine Muttersprache. In Sachen Pünktlichkeit bin ich spießig. Typisch deutsch, sagt man. Ich sortiere meinen Müll akkurat, gehe gern zum Italiener, und bei den Spielen der Nationalmannschaft fiebere ich mit. Hier in Deutschland habe ich laufen und sprechen gelernt. Hier sind die Gräber meiner Großeltern und Eltern. Kurz gesagt: Deutschsein ist meine Identität.
Angenommen, ich müsste mein Vaterland verlassen und in einem anderen Land leben. Weil ich da Schutz finde, ein besseres Leben oder die Liebe meines Lebens. Dann kann mir dieses Land zur Heimat werden. Und wenn es gut geht, kann ich nach ein paar Jahren die Staatsbürgerschaft dieses Landes annehmen. Aber das hätte für mich einen Preis: Ich muss meinen deutschen Pass abgeben. Obwohl: Meine Identität ändert das nicht, meine Wurzeln bleiben ja.
Einbürgerung: Nicht die Identität aufgeben müssen
Dass das ein Problem ist, sehe ich an meiner Frau. Sie ist Georgierin. Seit mehr als 25 Jahren lebt sie nun in Deutschland. Aber den Pass ihres Heimatlandes würde sie niemals aufgeben. Ich verstehe das. An ihrer Heimat hängt ihr Herz. Dort lebt ein großer Teil der Familie. Sie ist stolz, Teil eines kleinen und widerstandsfähigen Volkes zu sein. Hier in Deutschland lebt sie nun schon mehr als Hälfte ihres Lebens, arbeitet, hat hier ein Kind bekommen. Aber wählen und damit teilhaben an unserer Demokratie, das durfte sie bislang noch nie.
Ich finde es gut, dass unsere neue Regierung dieses ändern will. Sich einzubürgern, scheiterte bei vielen bisher, nicht nur bei meiner Frau, an einer entscheidenden psychologischen Hürde: nämlich dem Zwang, bei der Einbürgerung die ursprüngliche Staatsangehörigkeit und damit auch ein Stück Identität aufzugeben.
Den Menschen ein Recht auf Teilhabe geben
Aus christlicher Perspektive ist die Diskussion um ein Stück Papier, ob nun mit einem weinroten oder blauen oder grünen Einband, nebensächlich. Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde. Egal welcher Hautfarbe oder Herkunft. Alle haben in Gottes Augen die gleiche Würde. Von daher habe ich einen Wunsch. Lasst uns die in diesen Tagen aufkommende Debatte um das neue Einbürgerungsrecht nicht für populistische Zwecke missbrauchen. Vergiftet nicht unser Zusammenleben. Gebt den Menschen, die hier in Deutschland seit vielen Jahren leben und arbeiten das volle Recht der Teilhabe - auch an Wahlen.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Regelmäßig vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.