Ein Kosovare in Schwerin: Der lange Weg zur neuen Heimat
Es herrscht Krieg in Europa. Das ist heute so - und das war auch vor 25 Jahren so, als die Kämpfe im Kosovo begannen. Auch damals flohen Tausende Menschen vor der Gewalt ins Ausland. Naim Bajrami lebt seitdem in Schwerin.
Sommer 1998: Die Lage im Kosovo spitzt sich immer weiter zu. Die Nachrichten von damals klingen so wie heute - auch wenn die Protagonisten andere sind. Serbische Panzer zerschießen albanische Dörfer. Zehntausende Flüchtlinge sind mit wenig mehr als ihrer Kleidung am Leib unterwegs. Naim Bajrami verlässt den Kosovo bereits kurz bevor die Kämpfe richtig eskalieren.
"Ich bin abgehauen in die Schweiz. Aber die Schweizer wollten mich in den Kosovo zurückschicken. Ich wusste nicht, wo ich hin sollte. Ich hatte niemanden von der Familie oder von Bekannten. Ich wollte nur weg da", erinnert sich Naim Bajrami.
Ohne Perspektive im Flüchtlingsheim
Bajrami kommt in eine Flüchtlingsunterkunft in Wismar, teilt sich das Zimmer mit anderen Geflüchteten. Am Anfang denkt er, es ist nur für kurze Zeit, bis sich die Lage im Kosovo beruhigt. Doch er bleibt mehr als fünf Jahre in der Unterkunft - ohne langfristige Aufenthaltserlaubnis, ohne Sprachkurs, ohne Berechtigung zu arbeiten.
"Fünf Jahre lang nur schlafen, rausgehen, Kaffee trinken und dann wieder ins Heim - darunter habe ich gelitten. Aber eine andere Möglichkeit hast du nicht gehabt, obwohl du wolltest und es auch immer versucht hast. Es war damals einfach nicht möglich", sagt Bajrami.
Arbeitserlaubnis erst nach vielen Jahren
An Bajramis Aufenthaltsstatus ändert sich lange nichts. Eine NATO-Koalition unter Beteiligung von Deutschland greift serbische Ziele im Kosovo und in Serbien an. Doch nur langsam beruhigt sich die Lage dort. Erst 2008 erklärt der Kosovo seine Unabhängigkeit. Bis heute ist eine NATO-Sicherheitstruppe in dem Land stationiert. Für Bajrami kommt eine Rückkehr deshalb lange nicht infrage.
Schließlich entscheidet er sich, in Deutschland zu bleiben: Er lernt eine Frau kennen, heiratet und darf ab 2006 endlich ganz legal arbeiten. 2011 gründet er in Schwerin seine eigene Firma - für Trockenbau. "Wir machen nur Innenausbau, Renovierungen. Ich habe ganz klein angefangen. Mittlerweile sind wir schon eine relativ große Firma, mit 32 Angestellten. Es war nicht einfach für uns. Aber ich bin ein Mensch, der nie aufgibt."
Das Herz noch im Kosovo
Mittlerweile laufen die Geschäfte gut, sagt er. Auch wenn er manchmal den Eindruck hat, Aufträge nicht zu bekommen, weil die nach ihm benannte Firma keinen deutschen Namen hat. Für seine Kinder ist Schwerin heute die Heimat, bei ihm ist das anders. "Ich fühle mich hier wohl. Ich habe hier was aufgebaut. Aber mein Herz ist mehr im Kosovo. Irgendwann wird der Schritt da sein, dass ich sage: Ich werde wieder zurückgehen. Aber nicht in einem Jahr, nicht in fünf Jahren, vielleicht in der Rente."
Schon jetzt fährt er, wann immer er kann, in den Kosovo. Meistens in die Hauptstadt Pristina. Schon bald will er sich wieder auf den Weg machen.