Donald Trump siegt bei der US-Wahl: Reaktionen aus Norddeutschland
Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahl gewonnen, der Republikaner folgt im Weißen Haus auf Joe Biden. Viele Politikerinnen und Politiker aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg sind sich einig: Deutschland muss zukünftig wirtschaftlich und sicherheitspolitisch unabhängiger werden von den USA.
Der Republikaner Trump kommt laut Prognosen von Mittwochmittag (MEZ) aktuell auf 279 Wahlleute-Stimmen in den USA - für den Wahlsieg waren 270 notwendig. Seine Gegenkandidatin Kamala Harris von den Demokraten ist damit klar geschlagen.
Ex-Präsident Trump hatte sich bereits früher am Tag selbst zum Wahlsieger erklärt. Seine Partei habe einen politischen Sieg errungen, wie ihn die USA noch nie gesehen habe, sagte er bei einer Party in Florida.
Weil nach US-Wahl: Deutschland als Wirtschaftsstandort stärker machen
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil erklärte, die deutliche demokratische Entscheidung der Amerikanerinnen und Amerikaner pro Trump verdiene Respekt, allerdings bedeute das Ergebnis auch viel Unsicherheit.
Der SPD-Politiker fordert eine wirtschaftspolitische Reaktion: "Wir müssen Deutschland als Wirtschaftsstandort stärker machen als es sich derzeit präsentiert." Die Folgen der US-Wahl für Niedersachsen seien noch nicht komplett abzuschätzen, einen Handelskrieg könne aber niemand wollen, sagte Weil. Wirtschafts- und sicherheitspolitisch komme es zudem nun auf eine starke EU an - dazu müsse Deutschland beitragen. "Wenn Europa sich zwischen den Supermächten behaupten will, dann wird es gemeinsam stark werden müssen", sagte Weil.
Tschentscher über Ergebnis der US-Wahl: Verantwortlich mit neuer Situation umgehen
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kündigte an, die guten partnerschaftlichen Beziehungen zur Partnerstadt Chicago fortzuführen "und wenn es geht auch zu stärken". Das Wahlergebnis in den USA sei ein "Einschnitt": "Wir haben alle etwas davon, dass freier Handel zu Wertschöpfung und Wohlstand führen kann. Deswegen kommt es darauf an, dass die Bundesregierung und wir in Hamburg unsere transatlantischen Beziehungen stärken, sie weiterhin wertschätzen und mit Verantwortung in diese neue Situation gehen."
"Wir sind in Zeiten extremer Polarisierung und werden zukünftig noch viel mehr gefordert sein als bisher schon. Deutschland und die EU werden stärker auf sich gestellt sein, besonders in der Handels- und Sicherheitspolitik", sagte die Bundestags-Vizepräsidentin und SPD-Außenpolitikerin Aydan Özoguz aus Hamburg.
US-Wahl 2024: Leonhard - Große Herausforderungen für Handel in Hamburg
Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard glaubt nicht, dass der Handel im Hafen der Hansestadt durch Trumps Wahlsieg kurzfristig große Einbußen erleidet. Große Herausforderungen bedeute er dennoch, sagte die SPD-Politikerin während einer Polen-Reise: "Es ist unklar, ob dieser starke Selbstbezug der USA auch in wirtschaftspolitischen Fragen dafür sorgt, dass wir auf lange Sicht mit Ladungsrückgängen zu tun haben können." Auch Subventionen für industriepolitische Ansiedlungen in den USA könnten sich auswirken. Europa müsse nun vermehrt auf eigene Stärken setzen.
Ähnlich sieht das Leonhards Parteikollege Metin Hakverdi, der einen "anderen politischen Wind" fürchtet. Deutschland und Europa müssten "jetzt geschlossener stehen in der EU. Das ist ein Stresstest der internationalen Zusammenarbeit", sagte der Bundestagsabgeordnete aus Hamburg auf NDR Info.
Wadephul: "USA sind und bleiben unser wichtigster Partner"
Die Unions-Fraktion habe bewusst die Gesprächskanäle zu den Republikanern erhalten und gepflegt, daran könne jetzt angeknüpft werden, betonte der Unionsfraktionsvize und CDU-Außenexperte Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein. Dennoch geht er davon aus, dass Deutschland und Europa jetzt mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen müssen. "Die USA sind und bleiben unser wichtigster Partner. Von dieser Überzeugung ausgehend, wollen wir mit der neuen US-Administration zusammenarbeiten", sagte Wadephul bei seiner Gratulation an Trump.
Iris Laufer, Vorsitzende der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft e.V. in Kiel, ist besorgt, dass nach der Wahl Trumps gegebenenfalls die Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Ukraine im Kampf gegen Russland reduziert wird: "Ich befürchte, dass keine Waffen mehr so geliefert werden wie bisher von den USA."
CDU Niedersachsen: Können auf den US-Markt nicht verzichten
Der Grünen-Außenpolitiker Ottmar von Holtz aus Niedersachsen befürchtet, dass Trumps Präsidentschaft zu einer weiteren Schwächung internationaler Bündnisse führen wird. Europa müsse sich deshalb noch unabhängiger von den USA machen. Da Trump erneut aus internationalen Klimaschutzverpflichtungen aussteigen könnte, fordert von Holtz außerdem von der EU nun eine entschlossene Klimapolitik.
Niedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner sagte dem NDR, die Firmen im Land müssten sich darauf einstellen, dass die Zusammenarbeit mit den USA "komplizierter und unberechenbarer wird". Es gelte nun, Lösungen dafür zu finden: "Die USA sind ein zu großer Markt, auf den wir nicht verzichten können." Die Politik müsse deswegen gegenüber den USA die eigenen Interessen geschlossen vertreten.
Für den niedersächsischen FDP-Außenpolitiker Jens Beeck ist wichtig, dass die guten transatlantischen Beziehungen auch in der zweiten Präsidentschaft von Trump fortgesetzt werden. Die USA und Deutschland verbinden aus seiner Sicht weiter gemeinsame Werte wie Demokratie, Freiheit und Menschenrechte.
Linken-Politikerin Reichinnek über Sie von Donald Trump: "Schwarzer Tag für die Welt"
Heidi Reichinnek, Linken-Vorsitzende in Niedersachsen und Chefin der Linken-Gruppe im Bundestag, sprach angesprochen auf das Wahlergebnis in den USA von einem "schwarzen Tag für die Welt". Sie sei in großer Sorge: "Trump ist ein unberechenbarer Präsident gewesen und wird es wieder sein."
Der AfD-Außenpolitiker Joachim Wundrak aus Niedersachsen rechnet damit, dass eine neue US-Regierung unter Trump ihren Blick stärker als bisher in den pazifischen Raum richten wird. Deutschland müsse mehr "auf eigenen sicherheitspolitischen Füßen stehen".
FDP in MV: "Es gibt jetzt keine Ausreden mehr"
Der Landesvorsitzende der FDP in Mecklenburg-Vorpommern, René Domke, betonte, es liege jetzt an Deutschland und Europa, angemessen auf das Wahlergebnis zu regieren: "Vor allem im Bereich Sicherheit und Verteidigung stehen wir vor drängenden Aufgaben, gerade auch in Anbetracht der Debatten in Mecklenburg-Vorpommern um die Rolle der Bundeswehr und der NATO. (...) Es gibt jetzt keine Ausreden mehr."
Der SPD-Verteidigungsexperte Johannes Arlt aus Mecklenburg-Vorpommern machte deutlich, dass er sich die Wahl Trumps nicht gewünscht habe, man jetzt aber mit diesem Ergebnis umgehen müsse. Für ihn heißt das unter anderem: Deutschland müsse mehr für die eigene Sicherheit unternehmen. So sei für die von Kanzler Scholz nach Beginn des Ukraine-Kriegs ausgerufene "Zeitenwende" auch mehr Geld nötig.
Für Leif-Erik Holm, AfD-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, kommt die Wahl Trumps "weniger überraschend als manche das nun wahrhaben wollen. Er hat in seiner ersten Amtszeit bewiesen, dass er seine Wahlversprechen hält und Politik für die eigenen Leute macht. (...) Das haben die Bürger nicht vergessen und genau deshalb trauen sie ihm zu, auch in seiner nächsten Amtszeit Politik in ihrem Interesse zu gestalten."
IfW Kiel sieht "massive Herausforderungen für Deutschland"
Aus Sicht der Experten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) könnte sich der Wahlsieg von Trump zum "wirtschaftlich schwierigsten Moment in der Geschichte der Bundesrepublik" entwickeln. Zu der aktuellen inneren Strukturkrise kämen nun "massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen" auf Deutschland zu, "auf die wir nicht vorbereitet sind", erklärte IfW-Präsident Moritz Schularick. Er führte drohende weitere Zölle und Einfuhrbeschränkungen an, die Trump im Wahlkampf wiederholt im Falle einer neuen Präsidentschaft angekündigt hatte. Das jedoch werde "das Wachstum in Deutschland und Europa weiter belasten".
"Europa hat jetzt noch einmal vier Jahre Zeit, souveräner zu werden und sich nicht zu entkoppeln von den USA", sagte Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantik-Brücke und früherer deutscher Außen- und Wirtschaftsminister. "Europa braucht die USA. Ich bin der Überzeugung, die USA brauchen uns auch, selbst wenn Trump das nicht sieht." Es gehe um Unterstützung der Ukraine und Stärkung der Wirtschaft.
Kanzler Scholz bietet Donald Trump weitere Zusammenarbeit an
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte Trump auf X. Er kündigte dort an, auch in Zukunft erfolgreich mit den USA zusammenarbeiten zu wollen, "um Wohlstand und Freiheit auf beiden Seiten des Atlantiks zu fördern". Bei einem Statement im Kanzleramt forderte Scholz zudem einen Schulterschluss Europas: "Die EU muss eng zusammenstehen und geschlossen handeln." Ähnlich äußerte sich Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne): "Auf Europa wird (...) mehr Verantwortung in der Welt zukommen." Man müsse "als starker Akteur in der Weltpolitik handeln".
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach Trump Glückwünsche aus. Die Bundesregierung stehe zu einem engen transatlantischen Verhältnis unabhängig von Parteien, sagte die Grünen-Politikerin in Berlin.
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte im Deutschlandfunk, einen Wahlsieg von Kamala Harris hätte sich "jeder gewünscht, der auf Anstand setzt". Den Erfolg von Trump müsse man aber anerkennen und ihm gratulieren. Die Wahl in den USA sollte aus seiner Sicht zudem ein Weckruf für die zerstrittene Ampel-Regierung sein.
Strack-Zimmermann: "Komfortzone ist vorbei"
Der außenpolitische Sprecher der Union, Jürgen Hardt, erwartet, dass Trump auf seine zweite Präsidentschaft besser vorbereitet ist als vor acht Jahren. Aber auch Deutschland habe gelernt, sagte der CDU-Politiker auf NDR Info. Mit Trump könne man Deals machen. Hardt glaubt, Trump werde die Ukraine nicht fallen lassen, "aber mehr von uns fordern, mehr von Europa erwarten".
Ebenfalls zum Thema Verteidigungspolitik äußerte sich die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann im ARD/ZDF-Morgenmagazin. Die USA würden die NATO nicht verlassen, aber "die Komfortzone ist vorbei". Trump werde knallhart einfordern, dass Europa seinen Teil zur Verteidigung beiträgt. Dazu sei nun politischer Wille statt Klein-Klein nötig.