Antonia Greifenberg-Bouhaik von der Initiative Discovering Hands untersucht eine Patientin. © NDR/Anina Pommerenke Foto: Anina Pommerenke
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AUDIO: "Discovering Hands": Brustkrebsvorsorge durch Blinde und Sehbehinderte (6 Min)

"Discovering Hands": Brustkrebsvorsorge durch Blinde und Sehbehinderte

Stand: 16.06.2023 15:51 Uhr

Eine von acht Frauen in Deutschland erhält im Laufe ihres Lebens die Diagnose Brustkrebs. Jedes Jahr erkranken rund 70.000 Frauen bundesweit. Für gute Heilungschancen ist eine frühzeitige Diagnose essenziell. Dabei kann eine Zusatzuntersuchung durch "Discovering Hands" helfen.

von Anina Pommerenke und Merle von Kuczkowski

Antonia Greifenberg-Bouhaik von der Initiative Discovering Hands. © NDR/Anina Pommerenke Foto: Anina Pommerenke
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Holzperlen auf einer Schnur. Die blinden Untersucherinnen können Knoten in der Brust von wenigen Millimetern, so wie die rosa Kügelchen auf dieser Schnur, ertasten. Die beiden nächst größeren Kugeln vermögen Frauenärzte zu ertasten, die beiden größten "Knoten" Frauen in der Selbstvorsorge. © NDR/Anina Pommerenke Foto: Anina Pommerenke
Die blinden Untersucherinnen können Knoten in der Brust von wenigen Millimetern, so wie die rosa Kügelchen auf dieser Schnur, ertasten. Die beiden nächst größeren Kugeln vermögen Frauenärzte zu ertasten, die beiden größten "Knoten" Frauen in der Selbstvorsorge.

Blinde und sehbehinderte Frauen verfügen über einen überlegenen Tastsinn. Die Initiative "Discovering Hands" bietet ihnen aus diesem Grund eine Ausbildung zur medizinisch-taktilen Untersucherin (MTU) an. Als solche ist es den Frauen möglich, dank ihrer Tastfähigkeit kleinste Gewebeveränderungen in der weiblichen Brust zu erkennen.

Eine von rund 50 MTUs in Deutschland ist Antonia Greifenberg-Bouhaik. Sie arbeitet unter anderem in der Frauenarztpraxis Motamedi in Hamburg-Bergedorf. Greifenberg-Bouhaik konnte seit der Geburt nur auf einem Auge sehen, damit aber ein ganz normales Leben führen. Bis sich an ihrem gesunden Auge vor zehn Jahren die Netzhaut löste. "Wenn ich nach vorne gucke, ist es sehr verschwommen, ich erkenne Gesichter nicht", schildert sie den jetzigen Zustand.

"Discovering Hands": Berufliche Möglichkeit für sehbehinderte und blinde Frauen

Beruflich werden behinderte Menschen auf dem Arbeitsmarkt oft benachteiligt - auch das ist ein Aspekt, den "Discovering Hands" bewusst angeht. Rein zufällig wurde Ergotherapeutin Greifenberg-Bouhaikdie auf das Programm aufmerksam und ließ sich nach einem Eignungsgespräch innerhalb von neun Monaten zur MTU ausbilden. Zunächst stand dabei in Berlin das medizinische Fachwissen auf dem Lehrplan.

Antonia Greifenberg-Bouhaik von der Initiative Discovering Hands. © NDR/Anina Pommerenke Foto: Anina Pommerenke
Antonia Greifenberg-Bouhaik von der Initiative "Discovering Hands" zeigt an der Puppe, wie die Brust bei der Untersuchung in Zonen eingeteilt wird.

Greifenberg-Bouhaik: "Nach sechs Monaten ging es wieder in die Heimatstadt, wo ich dann ein Praktikum in der Klinik gemacht habe, auch im OP stand und verschiedene Tumore mal unter den Fingern hatte. Um sich wirklich auch reinzufühlen."

Für die heutige Untersuchung in Hamburg klebt Greifenberg-Bouhaik ihrer Patientin Elisa Aßmann spezielle Streifen auf die Brust. Diese dienen bei der systematischen Untersuchung als eine Art Koordinatensystem.

Die 42-Jährige hat das Angebot schon einmal in Anspruch genommen. Sie sagt: "Bei vielen meiner Freundinnen wurde Brustkrebs relativ spät entdeckt. Ich mache auch regelmäßige Untersuchung bei meinem Frauenarzt, aber ich finde diese viel effektiver, weil sich die Zeit genommen wird, die Brust Stück für Stück abzutasten."

Brustkrebs: Einige Kassen zahlen zusätzliche Vorsorgeuntersuchung

30 bis 60 Minuten dauert eine Untersuchung, die bereits von einigen Krankenkassen gezahlt wird. Ansonsten kostet sie etwa zwischen 50 Euro und 65 Euro.

Diagnosen stellen die medizinisch-taktilen Untersucherinnen nicht - wenn sie etwas Verdächtiges finden, informieren sie umgehend den Arzt oder die Ärztin; dann wird geklärt, wie es weitergeht. Endet die Untersuchung ohne Auffälligkeiten, bekommen die Patientinnen von der MTU Tipps, wie sie sich künftig selbst am besten abtasten können.

Gynäkologe Dr. André Motamedi in seiner Praxis in Hamburg-Bergedorf. © NDR/Anina Pommerenke Foto: Anina Pommerenke
Gynäkologe Dr. André Motamedi in seiner Praxis in Hamburg-Bergedorf.

Gynäkologe Dr. André Motamedi hat in den vergangenen drei Jahren nur positive Erfahrungen dem Programm gemacht. Bei ihm in der Praxis wurden durch die Untersuchungen schon einige Gewebeveränderungen entdeckt – aber zum Glück keine Tumore.

Er sagt: "Meine Patientinnen sind begeistert! Wir hatten damals zunächst eine Angestellte untersuchen lassen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich das anfühlt."

"Discovering Hands" ersetzen keine ärztliche Untersuchung

Es müsse jedoch klar sein, dass es immer ein zusätzliches Angebot bleibe – und keineswegs herkömmliche Untersuchungen ersetze, so Motamedi.

Der Mediziner hofft langfristig auf eine bessere Studienlage, damit das Angebot auch in Fachkreisen auf mehr Akzeptanz stößt. Eine wissenschaftliche Untersuchung von der Initiative "Discovering Hands" selbst legt nahe, dass die MTUs etwa 30 Prozent mehr Gewebeveränderungen ertasten können, als es sehenden Ärzten möglich ist.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 16.06.2023 | 14:48 Uhr

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