Deutschlandticket: So rechtfertigt der Norden die Preiserhöhung
Das Deutschlandticket soll vom kommenden Jahr an 58 Euro pro Monat kosten. Die Verkehrsminister der Länder verständigten sich am Montag auf eine Erhöhung um 9 Euro ab dem 1. Januar 2025. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Madsen wertet das als "Riesenerfolg für den Nahverkehr".
Claus Ruhe Madsen (CDU) sieht die Zukunft des Deutschlandtickets erst einmal gesichert: "Es ist gut, dass wir uns endlich einigen konnten. Das war längst überfällig", sagte er. "Das ist ein Riesenerfolg für den Nahverkehr. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Verkehrsunternehmen dadurch Verluste haben, die an anderer Stellen fehlen."
Madsen: Auch der neue Preis ist ein attraktives Angebot
Aktuell stellen Bund und Länder daher je 1,5 Milliarden Euro jährlich für das Deutschlandticket zur Verfügung, um damit die Einnahmeverluste der Verkehrsunternehmen auszugleichen. Für Schleswig-Holstein sind das rund 52,4 Millionen Euro pro Jahr, die jeweils von Bund und Land aufgebracht werden - insgesamt also 104,8 Millionen Euro. Die Zuschüsse werden ab 2025 nicht mehr reichen, um die Verluste aufzufangen. "Deswegen ist die Preiserhöhung nötig", erklärte Madsen. Das werde nicht überall auf Verständnis und Akzeptanz treffen. "Wir müssen aber auch die Finanzierung unseres Nahverkehrs im Blick behalten. Auch der neue Preis ist weiterhin ein sehr attraktives Angebot."
Madsen erwartet nun aber auch, dass die Bundesregierung aktiv wird: "Der Bund muss dringend noch vor der Bundestagswahl das Regionalisierungsgesetz ändern und seinen Zuschussanteil in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ab 1. Januar 2026 zusagen." Aktuell gebe es diese Zusage nur für das Jahr 2025. Das sei "ein fatales Signal". Um die Zukunft des Deutschlandtickets langfristig zu sichern, sei eine Beteiligung des Bundes zwingend erforderlich.
Meyer: "54 Euro hätten genügt"
Weniger positiv sieht Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) das Ergebnis, auf das sich die Verkehrsminister geeinigt haben. Er spricht im Interview mit NDR MV von einer "anstrengenden, auch kontroversen Diskussion". Mit der Anhebung des Ticketpreises auf 58 Euro ab dem 1. Januar 2025 sei er "alles andere als glücklich" gewesen. Deshalb habe er sich bei dieser Frage enthalten. "Dieser Schritt geht aus meiner Sicht zu weit", sagte Meyer. Man komme in Zeiten allgemeiner Preissteigerungen um eine Anhebung nicht herum, aber: "Aus meiner Sicht hätten 54 Euro genügt, um das Jahr 2025 durchzufinanzieren." Er fürchte, Kundinnen und Kunden könnten bei einem zu hohen Preis aussteigen. Wenn immer weniger Menschen das Ticket abonnieren würden, wäre es noch schwieriger zu finanzieren.
Deutschlandticket für Hamburgs Schüler bleibt kostenlos
Eine gute Nachricht für Schülerinnen und Schüler in Hamburg: Deren kostenloses Deutschlandticket bleibt trotz der Preiserhöhung beim allgemeinen Deutschlandticket erhalten. "Die Null-Euro-Tickets bleiben Null-Euro-Tickets", sagte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Etwas anders könnte es jedoch bei vergünstigten Tickets etwa für Studierende oder Senioren aussehen. Dort müsse nun geprüft werden, wie sich die Preiserhöhung auswirken werde. Insgesamt nannte Dressel die Anhebung "richtig und notwendig". Das sei nicht populär, müsse aber gemacht werden, um die Qualität des Nahverkehrs halten zu können und nicht etwa Angebote zurückfahren zu müssen. Für die Zukunft setzt Hamburgs Finanzsenator auf einen Index, um nicht immer wieder aufs Neue über Preiserhöhungen debattieren zu müssen.
Schleswig-Holstein: Schüler-Ticket könnte teurer werden
In einigen schleswig-holsteinischen Kommunen könnte das Schüler-Ticket hingegen teurer werden. Auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein teilten die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde zum Beispiel mit, den aktuellen Zuschuss von 20 Euro unverändert beibehalten zu wollen. Das bedeutet, dass sich der Eigenanteil für Schülerinnen und Schüler erhöht.
Lies: Hätten lieber ein Stufenmodell gehabt
Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) befürwortet, dass eine Einigung gefunden wurde: "Wir hätten uns zwar ein Stufenmodell vorstellen können - mit einem Schritt für 2025 auf 54 Euro und einem für 2026 auf 58 Euro. Wir wollten am Ende aber einer Einigung nicht im Wege stehen", sagte Lies. Denn auch die Länder, die sich einen weit größeren Sprung gewünscht hätten, hätten am Ende die Entscheidung mitgetragen. Den Bund kritisierte auch Lies: "Der Bund ist hier allerdings vor allem durch Zurückhaltung bei der Frage der Preisgestaltung aufgefallen. Da wird er seiner Rolle nicht gerecht."
Man müsse nun weiter an der Akzeptanz des Deutschlandtickets arbeiten. Der Preis stelle für viele Kundinnen und Kunden eine Herausforderung dar. "Wir wollen aber weiterhin den Menschen diesen Mobilitätszugang ermöglichen. Dazu gehört in Zukunft neben dem Ticketpreis auch die Verbesserung des Angebote des ÖPNV, gerade in den ländlicheren Regionen", versprach Lies. Es müsse bei einer fairen Aufteilung der Kosten bleiben. Den einen Teil tragen Bund und Länder gemeinsam, den anderen Teil tragen die Nutzerinnen und Nutzer. Die derzeit drei Milliarden Euro - hälftig aufgeteilt zwischen Bund und Ländern - seien bereits zum Start des Tickets zu niedrig angesetzt gewesen. "Hier werden wir weiter dran arbeiten müssen", sagte Niedersachsens Verkehrsminister.
Ziel: Dauerhaftes Preissystem ab 2026
Derzeit gibt es das Deutschlandticket im Abonnement für 49 Euro pro Monat. Der Fahrschein berechtigt dazu, bundesweit den Nah- und Regionalverkehr zu nutzen. Die Mehrkosten werden zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Einigung auf der Sonder-Verkehrsministerkonferenz zeige, dass die Länder am Erfolgsmodell Deutschlandticket festhalten und es weiterentwickeln wollten, sagte der derzeitige Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz und NRW-Ressortchef, Oliver Krischer. Das sei eine maßvolle Preissteigerung. Es sei nach wie vor ein günstiges Angebot. "Wir glauben, dass es weiterhin für die Kundinnen und Kunden attraktiv wird", sagte der Grünen-Politiker. Man werde nun mit dem Bund an einem dauerhaften Preissystem ab 2026 arbeiten.
Umwelt- und Sozialverbände kritisieren Preiserhöhung
Bei Umwelt- und Sozialverbänden in Niedersachsen stößt die angekündigte Preiserhöhung auf scharfe Kritik. Die Landesverbände von BUND und Paritätischem Wohlfahrtsverband erklärten am Montag in Hannover, sie sähen in der Erhöhung "ein falsches Signal zur falschen Zeit". "Die Erhöhung auf 58 Euro wird viele Menschen ausschließen, die das Deutschlandticket dringend brauchen", sagte die Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen, Kerstin Tack. Vor allem Familien, junge Menschen und Menschen mit geringem Einkommen könnten sich diese Preiserhöhung nicht leisten. Tausende Mitarbeitende aus Pflege, Beratung und Kindererziehung seien auf eine erschwingliche und vor allem auch nachhaltige Form der Mobilität für den täglichen Arbeitsweg angewiesen.
Ohne Preisstabilität und begleitende Maßnahmen wie ein Sozialticket und den Ausbau des Angebots bleibe das Potenzial des Deutschlandtickets begrenzt, kritisiert auch Susanne Gerstner, Vorsitzende des BUND Niedersachsen. Studien zeigten, dass bis zu 2,9 Millionen Abonnenten ihr Ticket aufgrund der Preiserhöhung kündigen könnten: "Das wäre ein herber Rückschritt für den Klimaschutz", sagte Gerstner.
Pro Bahn: Soziale Komponente berücksichtigen
Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert deshalb Regierung und Verkehrsunternehmen dazu auf, sich über die soziale Komponente des Ticket-Preises Gedanken zu machen. "Es gibt Menschen, die können sich Mobilität nicht leisten. Für die muss man etwas tun", sagte Pro Bahn-Vorsitzender Karl-Peter Naumann im Interview mit dem NDR.