Der Schäfer und der Wolf: Herdenschutz mit Zaun und Hunden
Die Debatte über den Wolf ist emotional. Auf der einen Seite stehen die Schafhalter, die ihre Herden schützen wollen, auf der anderen Seite die Naturschützer, die den Erhalt des Wolfs fordern. Jan Tüllmann, Schäfer im Landkreis Lüchow-Dannenberg (Niedersachsen) hat seinen eigenen, sachlichen Weg gefunden.
Wie jeden Morgen stapft der Schäfer über den Elbdeich im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Auf der anderen Seite des Flusses ist die Landschaft Brandenburgs zu erkennen. Knapp 7.500 Meter Elektrozaun wird er heute stecken, Routine für den Berufsschäfer: "Ich denke mal, dass es ungefähr drei bis vier Stunden am Tag in Anspruch nimmt, nur für den Zaunbau."
Acht Hunde und ein hoher Elektrozaun zum Schutz
Mitten im Wolfsgebiet bei Pevestorf leben seine zwei Schafsherden mit über 1.300 Tieren. Acht Hütehunde und ein 90 Zentimeter hoher Elektrozaun sollen seine Schäfchen vor Wolfsangriffen schützen: "Ohne Herdenschutz würde ich hier gar keine Schafe halten können. Weil wir hier genau in einem Wolfrevier sind. Hier ist ein Wolfsrudel ansässig. Und wenn ich denen nicht täglich klarmache, dass meine Schafe kein Futter sind, dann habe ich irgendwann keine mehr."
Die Wölfe in seinem Gebiet würden sich benehmen, so der Schäfer. Aber das ist nicht überall so: Am häufigsten von Wölfen angegriffen werden Schafe. 2021 wurden in ganz Deutschland etwa 3.400 Tiere von Wölfen gerissen - das geht aus Zahlen der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf hervor. In den vergangenen Jahren sind die Zahlen sogar angestiegen.
NABU: Abschuss des Wolfs letztes Mittel
Der Bauernverband forderte auf einer Kundgebung in Berlin eine "Entnahmequote" von Wölfen, also eine festgelegte Abschussquote. Außerdem sollen wolfsfreie Zonen eingerichtet werden. Den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, das sieht der NABU kritisch. Für Marie Neuwald ist der Abschuss des Wolfes ultima ratio: "Dass es wirklich täglich zu Übergiffen auf Weidetiere kommt, ist mit einem guten Herdenschutz eher selten, aber wenn Wölfe schon gezeigt haben, dass sie guten Herdenschutz überwinden, dann ist das ein Kriterium, um Wölfe auch als letztes Mittel zu entnehmen."
MV-Agrarminister Backhaus: Auffällige Wölfe abschießen
Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) forderte am Freitag auf NDR Info ein bundesweites Wolfsmanagement. Dazu gehöre auch, dass Wölfe, die auffällig werden, sofort abgeschossen werden können. Ansonsten werde es künftig keine Weidetierhaltung in den betroffenen Bundesländern mehr geben. Mittlerweile gebe es um die 2.000 Wölfe in den neuen Bundesländern und Niedersachsen. "Die Weidetierhalter verzweifeln mittlerweile wirklich. Ich erwarte von der Bundesregierung jetzt wirklich Taten", sagte Backhaus vor dem Wolfsgipfel in Berlin.
Wolfsberater fordert besseren Herdenschutz
Siegfrid Kenner ist Wolfsberater für das Land Niedersachsen und im Landkreis von Schäfer Tüllmann für das Wolfsmonitoring zuständig. Die heutige Zahl an Übergriffen durch Wölfe sei zu hoch, sagt auch Kenner. Dennoch liege das nicht nur am Wolf selbst, sondern vor allem am fehlenden Herdenschutz: "Wir haben jetzt gerade bei uns im Landkreis eine Serie von zehn oder zwölf Übergriffen. Und kein einziges Schaf war außerhalb geschützt."
Schäfer will Unterhalt für Hütehunde
Bei Schäfer Tüllmann hat sein Herdenschutz-Konzept gegen auffällige Wölfe gewirkt. Bisher ist es zu keinem Wolfsangriff auf eines seiner Schafe gekommen - auch dank seiner Hütehunde. Doch die kosten Geld: Mehr als 2.000 Euro pro Jahr und Hund im Unterhalt. Bisher beteiligt sich das Land nur an den Kosten für die Elektrozäune. Der Schäfer fordert, "dass wir eine Unterhaltsforderung auf die Herdenschutzhunde kriegen, um unsere Tiere weiterhin verlässlich schützen zu können".
Damit auch zukünftig eine friedliche Co-Existenz zwischen Wolf und Schäfer gelingt.