Coronavirus-Update-Sonderfolge: Hybridimmunität
Der Infektionsimmunologe und Impfstoffforscher Leif Erik Sander spricht in einer Sonderausgabe des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update über Hybridimmunität und Impfungen.
Mehr als 50.000 Neuinfektionen täglich in der vergangenen Woche im Schnitt. Das Wort Sommerwelle haben wir hier in Deutschland bisher eigentlich nur aus anderen Ländern gehört, aber es ist auch der erste Sommer, den wir fast ganz ohne verpflichtende Maßnahmen beginnen. Nun verstärken diesen Effekt noch die beiden neuen Subtypen der Omikron-Variante - BA.4 und BA.5. Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig spricht in einer Sonderfolge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update mit dem Impfstoffforscher Leif Erik Sander über die immunologische Sicht auf die Dinge.
Die zentralen Themen der Folge im Überblick - per Klick direkt zur Textstelle springen
Kenntnisstand zur Immunität nach Impfung plus Infektion und BA.4/BA.5
"Science"-Paper zum Immune Imprinting (Antigen-Erbsünde)
Können Infektionen T-Zellen schädigen?
Long-Covid-Risiko mit Omikron und Impfung
Monoklonale Antikörper gegen BA.4/BA.5
Mildere Verläufe bei älteren Infizierten?
Zweite Booster-Impfung - individueller Schutz und Bevölkerungseffekt
Regulatorische Hürden für Impfstoffanpassungen
Lebendimpfung als Nasenspray und Impfstoffe der Zukunft
Bedeutung des Begriffs "Schleimhautimmunität"
Stiko-Empfehlung für Kinderimpfung U 12
Sicherheit von Impfungen für Kinder U 5
Nebenwirkungsprofil Covid-19-Impfstoffe im Vergleich mit anderen Impfungen
Kenntnisstand zur Immunität nach Impfung plus Infektion und BA.4/BA.5
Korinna Hennig: Macht Sie die Sommerwelle besorgt, obwohl die Lage in den Krankenhäusern mittlerweile eine ganz andere, eine viel ruhigere ist als bisher bei so hohen Inzidenzen?
Leif Erik Sander: Also besorgt würde ich nicht sagen, aber wir verfolgen das schon sehr, sehr aufmerksam, auch hier an der Charité. Wir sehen deutlich ansteigende Zahlen und auch deutlich mehr infizierte Mitarbeitende bei uns. Und das wird auch andere Bereiche der Gesellschaft betreffen. Verglichen mit den letzten beiden Jahren, in denen wir ja im Sommer sehr, sehr niedrige Inzidenzen hatten. Teilweise im zweistelligen Bereich, wo man im Prinzip das Gefühl haben konnte, es gibt die Coronavirus-Pandemie gar nicht, sind das jetzt sehr viel höhere Zahlen.
Das liegt insbesondere an der BA.5-Variante und wir nehmen auch vereinzelt wieder Patienten mit einer schweren Lungenentzündung auf mit dieser Infektion. Von daher gehe ich schon davon aus, dass wir auch diesen Sommer damit zu tun haben werden. Ich glaube nicht, dass wir eine Überlastung des Gesundheitssystems bekommen. Aber wir müssen das sehr aufmerksam verfolgen und es wird sicherlich nicht ganz so entspannt wie in den letzten Jahren.
Hennig: Sie haben BA.5 schon angesprochen. Mit diesem Subtyp der Omikron-Variante machen jetzt viele mutmaßlich ihre eigenen Erfahrungen, auch Geimpfte.
Hybridimmunität
Hybridimmunität ist da ein Stichwort, das viele in den letzten Wochen und Monaten gelernt haben. Geimpft und infiziert bzw. anschließend hoffentlich vollständig genesen. Unser Stand im Podcast bisher war der, dass diese Hybridimmunität besonders belastbar ist, wenn man auch aus guten Gründen weiter versuchen sollte eine Infektion zu vermeiden, wenn man sie denn überstanden hat. Das war bisher der Stand. Sie bietet immerhin den Vorteil, dass die Immunantwort durch Impfung und Infektion in der Kombination deutlich verbreitert wird. Ganz allgemein gefragt: Nach Ihrem Kenntnisstand gilt das mit diesen Omikron-Subtypen so auch noch?
Sander: Also prinzipiell ist dieser Begriff und dieser Zustand, dass man eine Kombination aus einer Infektion und einer Impfung hat, schon so, dass wir in der Regel etwas stärkere oder breitere Immunantworten messen konnten oder zumindest eine sehr, sehr robuste. Das hat man schon sehr früh bemerkt, als man zum Beispiel in New York begonnen hat zu impfen. Dann waren unter den Impflingen auch welche, die schon sehr seropositiv waren, also die schon Antikörper gebildet hatten. Weil sie vormals infiziert waren.
Und da hat die Gruppe um Florian Krammer zum Beispiel beobachtet, dass die schon nach einer Impfdosis sehr hohe und robuste Antikörpertiter bilden. Und das konnte man sozusagen jetzt auch mit den Antikörpern, die sich gegen die Omikron-Variante bilden beobachten. Da haben wir eine Studie durchgeführt, zusammen mit Florian Klein in Köln, bei der wir sehr früh sehen konnten: Wenn man zweifach geimpft ist, hat es eigentlich unzureichend viele neutralisierende Antikörper gegen die Omikron-, damals BA.1-Variante.
Wenn man aber vormals infiziert war und dann geimpft war, dann sah man auch in diesem Fall sehr, sehr gute neutralisierende Antikörper, auch gegen die Omikron-Variante. Und das war dann ähnlich gut ausgeprägt wie nach drei Impfungen.
Konzept Infektion und Impfung
Dieses Konzept, eine Kombination aus Infektion und Impfung, führt zu einer relativ starken und robusten Immunantwort. Das stimmt schon. Jetzt muss man natürlich einschränkend sagen: Es gibt jetzt sehr, sehr viele verschiedene Konstellationen. Leute, die sich in der ersten Welle angesteckt haben, in der zweiten, in der Delta-Welle, mit unterschiedlichem Abstand zu ihrer Impfung oder zwischen zwei Impfdosen. Wenn man das alles zusammen in ein Säckchen packt und das Hybridimmunität nennt, dann kommen da sehr heterogene Ergebnisse raus und das sollte man sich relativ genau ansehen.
Wir haben auch in einer anderen Arbeit, und andere Arbeitsgruppen haben das auch gesehen, den Abstand zum Beispiel bei einer Durchbruchinfektion untersucht. Also wenn sie sich infizieren, vorher aber geimpft waren. Der Abstand zu Ihrer letzten Impfdosis ist relativ entscheidend, wie gut Sie dann auch Ihre Antikörper-Antwort verbreitern und auch hohe Antikörperspiegel bilden können. Da sind sehr viel Variablen dabei und man kann das nicht einfach alles unter ein Label packen, sondern man muss sich die Situation in den verschiedenen Kohorten ansehen.
Hennig: Wenn Sie den Abstand ansprechen, dann bedeutet das: Größerer Abstand macht eine andere, also eine bessere oder schlechtere Immunantwort?
Sander: Wenn Sie sich beispielsweise unmittelbar nach Ihrer zweiten Impfung anstecken, das hat es ja gegeben, da waren viele Infektionen. Und dann hat sich jemand zum Beispiel in der Alphawelle angesteckt, unmittelbar nach der zweiten Impfung, dann kann man gar nicht so einen starken Anstieg messen, wie wenn man sich zum Beispiel mit mehr als drei Monaten Abstand zur letzten Impfung ansteckt. Dann sieht man einen deutlichen Sprung auch bei den Antikörpern und auch eine Verbreiterung der Antikörper-Antwort.
Also das Immunsystem bekommt dann ein bisschen Zeit auszureifen. Da wird ja immer ein Ausreifungsprozess angestoßen nach so einer Impfung und wenn Sie sich dann noch mal infizieren oder halt noch mal impfen mit einem gewissen Abstand, dann könnten die schon ausgereiften B-Zellen angesprochen werden und auch wieder andere B-Zellen zum Beispiel angesprochen werden, die noch mal gegen andere Stellen im Virus gerichtet sind.
Hennig: Ich will gleich noch mal detaillierter auf diese Hybridimmunität zu sprechen kommen. Sie haben es eben schon gesagt, in Ihrer Arbeit haben Sie BA.1 im Blick gehabt. Schon rein zeitlich ging das nicht anders, weil die anderen Varianten BA.4 und BA.5 ja erst später aufgetaucht sind. Und die haben jetzt natürlich die Karten noch mal neu gemischt.
Also aus Sicht des normalen Menschen, der sich vielleicht Anfang des Jahres im Frühjahr infiziert hat, wie viele andere auch mit BA.1, möglicherweise schon mit BA.2, der vorher geimpft war. Für den geht es gerade aber auch um die Frage: "Was machen jetzt BA.4 und vor allem BA.5 mit uns?" Drohen für die Menschen, die schon einen anderen Omikron-Subtyp hatten, Reinfektionen, die vielleicht auch noch mal symptomatisch, heftig symptomatisch verlaufen, obwohl ich vorübergehend auch Antikörper auf der Schleimhaut hatte? Können Sie dazu schon was sagen, wie aus immunologischer Perspektive die Karten gemischt sind?
Sander: Ja, das ist schon so. Diese BA.4,5-Sublinien und es gibt auch noch ein paar andere, die nochmal zusätzliche Mutationen haben, die nochmal Stellen verändern, an denen unsere Antikörper gerne ansetzen. Also die haben eine noch stärkere immunevasive Eigenschaft, wie wir es nennen. Und ganz klar ist, das konnte man in Südafrika beobachten, dass eine vormalige BA.1-Infektion nicht vor einer erneuten BA.4,5-Infektion schützt. Die Kombination aus einer Impfung und einer Omikron-Infektion beispielsweise, die liefert schon ganz gute Antikörperspiegel.
Surrogatmarker
Wenn man die Antikörper als Surrogatmarker nimmt, dann werden die doch deutlich erhöht. Aber ob das letzten Endes einen sicheren Schutz vor der Infektion bietet, wage ich zu bezweifeln. Letzten Endes sind die Antikörperspiegel doch eine ganze Ecke niedriger als die zum Beispiel gegen die BA.1-Variante neutralisieren oder andere vorherige Varianten neutralisieren können. Und von daher besteht schon die Gefahr einer Reinfektion, wie sie ohnehin bei diesen Coronaviren besteht. Das wissen wir auch von den endemischen Coronaviren.
Wir haben immer mal wieder nachlassende Immunität, wenn eine gewisse Weile vergangen ist und dann eben auch wieder ein Fenster, in dem man sich infizieren kann. Die eigentlich entscheidende Frage ist natürlich, wie schwer wird dann die Erkrankung sein? Und da denke ich, dass wir ja viele Dinge im Immunsystem haben, neben den neutralisierenden Antikörpern. Wir können ja unsere Gedächtniszellen sehr schnell wieder aktivieren. Wir haben T-Zellen und ich würde trotzdem davon ausgehen, dass man einen sehr guten Schutz vor einer schweren Erkrankung hat.
Hennig: Das heißt, je länger eine Infektion her ist: Da lassen zwar die Antikörper nach und die Antikörper auf der Schleimhaut insbesondere, aber die Immunantwort reift nach und das bietet dann wieder einen breiteren, soliden Schutz. Kann man das so zusammenfassen?
Sander: Ja, das ist natürlich ein Wettlauf. Das Virus verändert sich in gewisser Weise gerichtet, weil in der Bevölkerung eine immer höhere Immunität aufgebaut wird. Und für das Virus ist es eben von Vorteil dieser Immunantwort auszuweichen und dadurch wieder neue, größere Personengruppen infizieren zu können. Und deswegen ist schon davon auszugehen, dass es wieder zu Reinfektionen kommen wird.
Ich glaube aber schon, dass wiederholter Antigen-Kontakt, gerade wenn wir jetzt unterschiedliche Varianten haben, mit denen wir in Kontakt kommen, auch immer noch zu einer Verbreiterung der Immunantwort führt und die insgesamt immer noch mal die Schwelle für uns oder unsere Schutzbarriere vor einer schweren Erkrankung stärken.
"Science"-Paper zum Immune Imprinting
Hennig: Es gibt ein Paper, das gerade zu diesem gesamten Komplex erschienen ist, über das wir sprechen müssen. Denn es hat in sozialen Medien hohe Wellen geschlagen, insbesondere auf Twitter. Auch aus wissenschaftlicher Perspektive gab es da viele Reaktionen.
Es geht um eine Studie vom Imperial College in London, die in "Science" erschienen ist und die sich dem Immunprinting gewidmet hat. Also grob vereinfacht der Frage, ob der erste Kontakt mit dem Virus mit einer bestimmten Variante oder auch über die Impfung die Immunantwort so stark prägt, dass das Immunsystem sich an veränderte Varianten gar nicht mehr so gut anpassen kann, wie Sie das eigentlich in der allgemeinen Erklärung gerade geschildert haben, also nicht richtig dazulernt. Antigen-Erbsünde oder Original Antigenic Sin ist da ein Begriff, der immer wieder fällt.
In dieser Studie hat man die verschiedenen Kombinationen und Reihenfolgen von Kontakt mit dem Virus und seinen Varianten und Impfung untersucht, also geimpft, genesen in verschiedener Reihenfolge, und zwar im Hinblick auf Antikörper-T-Zellen und B-Zellen. Und jetzt gibt es da den Befund, den manche daraus ziehen: Dieses Konzept der Hybridimmunität wird durch die Studie infrage gestellt. Ich darf mal spoilern: Ich glaube, Sie teilen die Aufregung darum nicht, Herr Sander, richtig?
Sander: Genau. Ich finde die Studie absolut interessant. Das ist eine schöne Kohorte, die die Kollegen am Imperial College aufgebaut haben. Wir haben so eine ähnliche Kohorte und da gibt es eine ganze Reihe von, auch an der Charité. Also Mitarbeitende bei uns an der Charité, die über die Zeit verfolgt wurden, immer wieder auch Blutproben abgeben und man hat Blut abgenommen vor der Impfung und dann nach der ersten, zweiten, dritten Impfung. Ein Teil der Mitarbeitenden in diesen Kohorten haben sich in verschiedene Infektionswellen infiziert. Die haben eine Exposition zu Hause und auch beruflich.
Dann kann man natürlich unterschiedliche Konstellationen miteinander vergleichen. Und das haben die Kollegen dort auch gemacht. Die haben sich angesehen, was ist mit Leuten, die noch nie infiziert waren und haben dann drei Impfdosen bekommen, in dem Fall von der Biontech/Pfizer-Impfung. Und was war mit denen, die zum Beispiel in der ersten Infektionswelle infiziert waren und dann dreimal geimpft wurden? Andere wiederum hatten vielleicht eine Impfung und haben sich dann mit der sogenannten Alpha-Variante infiziert und dann geht das so runter.
Und dann diejenigen, die sich mit Delta angesteckt haben, die haben das natürlich erst nach der zweiten Impfung bekommen, weil sie vorher schon geimpft waren. Und da sieht man schon, da wird das Ganze schon etwas heterogen, weil einfach auch der Zeitpunkt der Impfung oder der Infektion im Verhältnis zur Impfung unterschiedlich ist. Einige Infektionen waren vor der Impfung, einige waren irgendwann mitten in der Impfserie drin und dann gab es auch noch eine kleine Gruppe, die sich sozusagen im Anschluss noch mal mit der Omikron-Variante infiziert haben.
Immunologische Parameter
Und dann hat man eine ganze Reihe immunologische Parameter untersucht. Das hat man auch sehr genau gemacht, zum Beispiel neutralisierende Antikörper gegen die unterschiedlichen Varianten. Also wie gut können die Antikörper, die man im Serum messen kann, zum Beispiel die Alpha- oder die Beta- oder Delta- oder eben die Omikron-Variante neutralisieren? Und das, was die Kollegen finden und auch beschreiben in der ersten Abbildung zum Beispiel ist auch das, was man erwarten würde, eben diese Hybridimmunität.
Wenn man vergleicht: Dreifach-Geimpfte, die nie infiziert waren, die haben im Schnitt etwas niedrigere neutralisierende Antikörper als zum Beispiel welche, die in der ersten Welle mal infiziert waren und dann obendrauf noch geimpft worden sind. Das ist analog zu den Daten, die zum Beispiel auch aus New York erhoben worden sind. Oder bei vielen anderen Gruppen auch erhoben worden sind. Und da zeigt sich, glaube ich, durch die Bank dieses Prinzip der Antigen-Erbsünde.
Das war tatsächlich etwas, wo viele befürchtet haben, dass das auftreten könnte: Dass durch den ersten Kontakt, beispielsweise durch die Impfung mit dem Spike-Antigen - basierend auf den allerersten Sequenzen, die wir von diesem Coronavirus hatten, also der sogenannten Wildtyp-Variante erstellt worden sind -, dass die das Immunsystem so prägen, dass man durch jede Impfung immer nur dieses Gedächtnis verstärkt, das sozusagen nur Immunantworten gegen genau dieses Spike-Protein gebildet werden können. Und dass die Immunantwort immer schmaler wird, dass sie sich immer weiter nur auf dieses Wildtyp-Spike fokussiert.
Und das war glücklicherweise nicht so, das haben wir auch in unserer Arbeit mit Florian Klein gesehen: Also, dass diese dritte Impfung dazu führt, dass man Antikörper bildet, die dann zum Beispiel auch die Omikron-Variante neutralisieren können, obwohl sie dreimal hintereinander das Wildtyp-Spike-Antigen impfen. Dann werden zusätzlich neue Antikörper gebildet, die an anderen Stellen des Spike-Proteins andocken, die nicht so stark veränderbar sind durch das Virus und dann auch noch eine Neutralisationskraft entfalten können.
Das spricht zum Beispiel gegen die Antigen-Erbsünde, dass wir also immer nur das schon existierende Gedächtnis triggern und das Immunsystem, wenn Sie so wollen, unflexibel wird und sich nicht mehr verbreitern kann. Ich glaube, dass wir da bislang glücklicherweise keine starken Hinweise darauf haben.
Limitation der Studie
Hennig: Aber wo ist dann die Limitation in dieser Studie, warum sieht das Ergebnis anders aus?
Sander: In dieser Studie muss man sich die ganzen verschiedenen Abbildungen ansehen. Zum einen kann man als sozusagen logischer Feinschmecker oder, ich sage mal, mit großer Detailkenntnis an der einen oder anderen Stelle sehen, dass man vielleicht auch sagen würde, technisch hat man schon noch bessere Analysen gesehen. Aber das ist insgesamt eine sehr, sehr interessante Kohorte und das ist, glaube ich, auch das Elegante an der Studie, dass diese unterschiedlichen Konstellationen systematisch miteinander verglichen worden sind.
Aber das, was ich gerade beschrieben habe, wird eigentlich in der ersten Abbildung klar gezeigt. Wenn Sie eine Infektion kombiniert mit einer Impfung haben, erreichen Sie im Schnitt etwas höhere Antikörperspiegel als Sie mit einer rein immunnaiven Situation und einer Impfung haben. Wobei Sie mit wiederholten Impfungen auch diese Hybridimmunität aufholen können.
Kontroverse
Ich glaube, da wo sich die Kontroverse, die angeregte Diskussion in Fachkreisen, aber auch in sozialen Medien, entzündet hat, war, die kommt etwas später in dem Papier: Da hat man eine sehr, sehr kleine Gruppe gegenübergestellt, nämlich jene, die sich zu Beginn mal infiziert hatten und die dann dreimal geimpft wurden und die dann in der Omikron-Welle nochmal infiziert worden sind. Und dann hat man dort die Antikörperspiegel verglichen, die sind ja niedriger als solche, die nicht vorher infiziert waren, dann dreimal geimpft und dann mit Omikron infiziert waren. Also der Vergleich ist im Grunde genommen viermal der Kontakt mit dem Virus versus fünf Mal der Kontakt mit dem Virus.
Dann wurde gesehen, dass in dieser Gruppe die Antikörperspiegel wieder etwas niedriger sind als bei denen, die dreimal geimpft und dann mit Omikron infiziert waren. Dann hat man gesagt, das ist doch ein klarer Beweis für die Antigen-Erbsünde, weil dieser allererste Viruskontakt, der muss ja das Immunsystem so geprägt haben, dass es vollkommen unflexibel ist und dann nicht mehr reagieren kann. Wenn man sich aber diese Abbildung anguckt, um die es geht, da sind die Gruppengrößen wirklich sehr, sehr klein. Das sind teilweise vier, teilweise sechs Probanden pro Gruppe, also vier Proben oder sechs Proben, die man dann gemessen hat, verglichen hat.
Wer solche Analysen gemacht hat und auch sieht, dass das auf einer logarithmischen Skala aufgetragen ist, also noch sehr, sehr große Schwankungsbreiten hat, der weiß, dass das einfach sehr schwierig ist, da solide Erkenntnisse abzuleiten von vier oder sechs Proben. Und gerade in diesem Papier widerspricht sich dann auch die Abbildung, wo genau dieses Phänomen beschrieben wird, zum Beispiel mit der ersten Abbildung. Da sieht man dann nämlich in dieser Abbildung keinen Unterschied mehr zwischen der Hybridimmunität und der einfachen Dreifach-Impfung.
Das zeigt ja schon, dass es technisch einfach schwierig ist, in so kleinen Gruppengrößen sauber diese Effekte herauszuarbeiten, wenn Sie selbst in dem gleichen Papier unterschiedliche Aussagen bekommen. Und dann komme ich wieder zurück zu dem, worum es eigentlich geht. Es ist nämlich so, dass wir sehr viele Variablen haben, die man dabei beachten muss. Und das ist insbesondere die: Wann haben Sie sich infiziert, in welchem Abstand zur Impfung und zum Beispiel auch die Symptomatik.
Viruslast
Auch die Viruslast spielt eine Rolle. Da gibt es gerade ein Preprint aus Japan, die haben das auch schon vormals beschrieben. Die Höhe der Antikörper ist doch relativ gut korreliert mit der Viruslast, die sie bei der Infektion hatten. Und die Breite der Antikörperantwort hängt wirklich sehr eng damit zusammen, wann Sie sich infiziert haben. Etwas später oder etwas früher. Diese Information fehlt mir hier, um das beurteilen zu können.
Und zudem würde ich überhaupt nichts ableiten wollen von Gruppengrößen von sechs oder vier Personen. Das ist jetzt erst mal ein interessanter Befund, den ich auch gar nicht in Abrede stelle, weil, das ist sicher alles solide gemacht. Aber ich würde jetzt sicher nicht davon ausgehen, von einem ganz kleinen Befund in einem großen, wirklich gut gemachten Paper zu sagen: Jetzt haben wir den Beweis für die Antigen-Erbsünde und das spricht dagegen, dass sich unser Immunsystem weiter anpassen kann. Das glaube ich definitiv nicht.
Hennig: Was sagt denn das Paper aus über die Frage, inwiefern eine Infektion mit einem Omikron-Subtyp ein Motor für eine gute Immunantwort mit einem anderen Subtyp ist?
Sander: Ja, also auch da würde ich sagen, das ist schwierig aus diesem Paper abzuleiten. Da werden wir jetzt auch einfach ein bisschen warten müssen, weil wir jetzt erst Leute haben, die zum Beispiel mit BA.5 und vielleicht vormals mit einem anderen Subtyp infiziert waren oder eben nicht infiziert waren. Und dann können wir das hoffentlich vergleichen. Hier würde ich sagen, das, was man deutlich ableiten kann, ist Leute, die wahrscheinlich eine Infektion mit Omikron hatten, bei denen sieht man wirklich eine sehr gute Neutralisationskraft auch wieder gegen Omikron.
Kreuzneutralisierende Wirkung
Und auch gegen andere Varianten, also sozusagen eine kreuzneutralisierende Wirkung. Und das haben wir, das hat auch eine Münchner Gruppe und viele andere Gruppen gezeigt, dass genau diese Kreuzneutralisation ausgelöst wird. Nichtsdestoweniger ist es natürlich so, dass das Virus tatsächlich die Stellen immer weiter verändert, an denen jetzt auch die Antikörper ansetzen, die vielleicht an etwas, wie wir es nennen, stärker konservierte Stellen binden.
Und dass das eben ein Wettlauf sein wird und es natürlich nur von Vorteil für das Virus ist, wenn es auch diese Immunität unterlaufen kann. Es bleibt aber dabei: Wir haben trotzdem eine hohe, wenn Sie so wollen, Immunitätsschwelle. Und ich gehe davon aus, dass uns das auch weiterhin vor den schweren Krankheitsverläufen schützt.
Hennig: Ist es richtig, dass man die T-Zell-Antworten auch breiter betrachten müsste? Wenn ich das richtig gesehen habe, ist in der Studie ja vor allen Dingen das S1-Protein im Spike angeguckt worden. Das war die Anmerkung eines Kollegen zum Beispiel aus Singapur auf Twitter, der sagt: Na ja, die Infektion betrifft eine zelluläre Antwort für ganz andere Proteine. Sodass man hier sowieso nur einen verengten Blickwinkel genommen hat.
Sander: Die Analyse von T-Zell-Antwort ist sehr, sehr viel komplizierter als die von Antikörpern. Bei den Antikörpern können Sie im Grunde eine Serumprobe nehmen, und wenn Sie die Proteine oder das Virus haben, das Sie interessiert, dann können Sie das direkt in der Kulturschale zusammengeben und dann können Sie da Messungen machen. Wie gut binden die Antikörper daran? Bei den T-Zellen ist es so: Wir nehmen quasi Zellen aus dem Blut, wobei wir bedenken müssen, dass die wirklich guten T-Zellen an anderen Stellen im Körper sitzen als im Blut. Aber wir finden sie auch im Blut.
Technische Möglichkeiten
Und um überhaupt zu erkennen, welche T-Zellen unser Coronavirus erkennen, müssen wir die wieder aktivieren und dann müssen wir sehen welche Zellen springen an. Das erfordert sozusagen einiges an technischer Expertise und da gibt es unterschiedliche Arten, wie man das machen kann. Da kann man das ganze Protein nehmen, so haben das die Autoren hier gemacht. Oder man kann sogenannte Peptide, das sind kleine Schnipsel, von den Eiweißen nehmen und dann die T-Zellen aktivieren, weil die T-Zellen erkennen eigentlich nur kleine Schnipsel.
Dadurch, dass sie ganz viele kleine Schnipsel erkennen und auch eine unheimliche Diversität haben, ist es viel schwieriger für das Virus, so eine T-Zell-Antwort wirklich gut auszubrechen und es hat wahrscheinlich auch gar keinen großen Vorteil für das Virus, weil die Ansteckung selber wird in der Regel über die Antikörper blockiert. Und da hat der Kollege aus Singapur vollkommen Recht. Bei der Infektion bilden sich alle möglichen Proteine im Virus. Nicht nur gegen das Protein, aber auch gegen das Spike-Protein bilden sich T-Zellen. Das hatten die Kollegen verglichen. Aber die haben ein bestimmtes Analyseverfahren verwendet, wo man das ganze Protein nimmt.
Peptidpools
Viele andere Arbeiten nehmen aber sogenannte Peptidpools. Wo sie, sage ich mal, große Mengen an überlappenden Peptiden, also Schnipsel von den Proteinen nehmen. Und die sehen im Grunde genommen, dass wir eine sehr gut erhaltene T-Zell-Antwort haben. Wenn man sich jetzt die Leute ansieht, die geimpft wurden, also mit dem Wildtyp-Spike und dann zum Beispiel noch mal ein Peptidpool nimmt, der aus dem BA.1-Spike gewonnen wurde: Da gibt es eine sehr schöne Arbeit aus Südafrika. Wir haben ähnliche Daten, dann sehen Sie eigentlich gar keinen großen Abfall. Und das würde ich bei den anderen Proteinen, die in dem Virus drin sind, auch erwarten. Also auch da bin ich noch ein bisschen zurückhaltend, ob wir da wirklich eine starke Einschränkung haben.
Hennig: Ich fasse mal zusammen, das Immunsystem ist sowieso schon eine komplexe Sache. Man kann nicht so einfache "Wenn-Dann-Beziehungen" herstellen. Vor allen Dingen, wenn man den Zeitfaktor nicht noch weiter in Betracht zieht. Und es ist auch nicht ganz überraschend, dass die Immunantwort mehr oder weniger vorgeprägt wird. Aber sie reift und spezifiziert sich trotzdem noch weiter.
Können Infektionen T-Zellen schädigen?
Stichwort T-Zellen, Herr Sander, es gibt immer wieder die besorgte Frage, die geäußert wird, dass wiederholte Infektionen, gerade aber auch diese so wichtigen T-Zellen selbst schädigen könnten. Da gibt es auch Forschung zu. Zum Beispiel ist im März eine Studie in "Nature" erschienen. Ich meine, sie ist auch aus China. Ist das plausibel?
Sander: Da muss man einschränkend sagen: Die ist nicht in "Nature" erschienen. Denn "Nature" ist ein großes Verlagskonglomerat. Das ist in einer anderen, sehr spezialisierten Fachzeitschrift erschienen. Also es ist nicht so renommiert, wenn Sie wollen, also es hat nicht ganz so hohe Ansprüche, vielleicht an die Neuigkeit und Qualität der Forschung.
Das soll man eigentlich nicht machen, es anhand der Journale oder so zu beurteilen. Nur, das wird häufig gerne durcheinander geworfen. Das ist im Prinzip nur in dem Verlag erschienen. Das ist aber jetzt davon ganz unabhängig. Ich kenne die Arbeit, die hat auch sehr viel Aufregung ausgelöst und da möchte ich wirklich zur Vorsicht mahnen. Da wird schnell auch in sozialen Medien was draus gemacht.
HI-Virus und Coronavirus
Es sei im Prinzip so etwas wie das HI-Virus, bei dem wir natürlich wissen, dass es sich spezifisch in unseren Helfer-T-Zellen einnistet und diese auch zerstören kann und dann zu einer ausgeprägten Immunschwäche führen kann, an dem die Patientinnen und Patienten dann letzten Endes versterben, wenn sie nicht adäquat behandelt werden. Das ist bei dem Coronavirus definitiv nicht so, da haben wir keine Hinweise für.
Wenn man sich diese Studie ansieht, dann sieht man Hinweise, dass man virale Proteine auch in T-Zellen von akut Infizierten finden kann. Wenn man bestimmte Zelllinien in eine Kulturschale zusammen gibt, die also wirklich nur noch sehr entfernt etwas mit T-Zellen zu tun haben und dann mit hohen Virusmengen in eine Kulturschale zusammen packt, dann ist Virus im Bereich von ein paar Prozent auch an diesen aktivierten T-Zellen. Das ist meines Erachtens ein etwas künstliches System.
Sie können dann etwas sehen, ein Paar der T-Zellen sterben auch. Das werden Sie dann auch fast mit jedem anderen Virus erreichen können. Wenn Sie da so einen Zellkultur-Versuch aufsetzen und Virus mit T-Zellen zusammenpacken und da quasi auch hohe Virusmengen nehmen, dann werden auch ein paar sterben und das Virus nutzt auch gar nicht seinen herkömmlichen Rezeptor, mit dem es normalerweise Zellen sehr effektiv infizieren kann. Also ich bin da skeptisch bei der Arbeit.
Tiermodell
Es gibt es gibt auch Hinweise aus dem Tiermodell, zum Beispiel aus Hamstern, dass T-Zellen geschädigt werden können. Das ist bei akuten schweren Infektionen ohnehin so, dass sehr viele Lymphozyten versterben. Auch andere Zellen sterben in hoher Menge. Ich glaube aber momentan nicht, dass das ein relevantes Problem ist, dass wir dadurch jetzt T-Zellen in relevanten Umfang verlieren, dass wir dadurch eine Immunschwäche entwickeln. Ich glaube, da kann man jetzt wirklich beruhigt sein. Es handelt sich hier nicht um irgendetwas, was auch nur im Entferntesten mit HIV zu vergleichen ist.
Hennig: Die Rolle der Impfung wird hier ja gar nicht thematisiert. Würde das auch noch eine Rolle spielen?
Sander: Die Impfung stimuliert natürlich die Zellen und wenn sie einen Impfschutz haben, gehe ich auch davon aus, dass auch dieses Phänomen, das in diesem kleinen Paper hier beschrieben wird, auch weniger stark zu beobachten ist.
Langzeitverläufe
Wie gesagt, dieses Virus findet man in vielen Geweben und es gibt sicherlich auch, das wissen wir ja, Organschäden durch eine Infektion mit Sars-CoV-2. Es gibt auch Schäden an Nervenzellen und wir wissen alle von diesen wirklich ausgeprägten Langzeitverläufen, bei denen wir die Mechanismen noch nicht genau kennen. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Dieses Virus wird sicherlich auch in einigen anderen Organen Schäden anrichten können. Dass wir aber eine relevante Infektion von T-Zellen haben und dadurch eine Immunschwäche, das glaube ich nicht.
Long-Covid-Risiko mit Omikron und Impfung
Hennig: Jetzt haben Sie Langzeit- und Organschäden schon angesprochen. Ein ganz wichtiges Thema bei hoher Infektionsgefahr ist natürlich das Risiko, das uns gesellschaftlich auch weiter begleiten wird und relevant sein wird. Man war schon davon ausgegangen, dass die Impfungen das Risiko deutlich reduzieren. Jetzt gibt es auch Zahlen vom “King's College“ aus London, die den Faktor Omikron noch mal berücksichtigen. Also das sind epidemiologische Daten aus den Infektionen in der realen Welt. Also keine Labordaten. Wie stellt sich die Situation für Geimpfte dar, die sich mit Omikron infizieren, gegenüber der Delta Variante zum Beispiel? Da ist das Risiko je nach Alter und Status deutlich geringer. Richtig?
Sander: Ja, genau, das sind jetzt neueste Daten. Wir beobachten das natürlich schon von Beginn an, auch im letzten Jahr gab es immer wieder Untersuchungen, die das versucht haben zu vergleichen. Das ist eben schwierig, weil dieses, ich nenne es jetzt mal Syndrom Long Covid, also eine Folgeerkrankung von einer akuten Coronavirusinfektion, die kann ja auch sehr vielfältig ausgeprägt sein.
Long Covid: Schwierige Diagnostik
Die ist einfach noch relativ schwierig zu erfassen, weil sie da nicht einen Laborwert messen müssen oder ein Röntgenbild machen können und dann sagen können, das ist ein positiver oder negativer Fall. Das war immer ein bisschen das Problem an diesen Studien. Das man häufig darauf angewiesen ist, dass die Leute selber zum Beispiel über eine App oder eine Befragung ihre Symptome angeben und dann angeben, dass sie verstärkt an Abgeschlagenheit und dann an Leistungsorientierung und anderen Symptomen, die sehr ausgeprägt sein können, leiden.
Es hat aber immer so ein bisschen das Problem gehabt, dass sie ein gewisses Hintergrund Signal hatten und das muss man immer bereinigen. Und es gab unterschiedliche Studien, die waren gut gemacht. Es gab im letzten Jahr eine aus Israel, die gezeigt hat - alles noch Prä-Omikron - dass die Impfungen eigentlich relativ gut vor der Ausbildung eines sogenannten Long-Covid-Syndroms schützen, also was vor allen Dingen so Richtung Fatigue und so weiter geht.
Es gab es aber andere Untersuchungen, die das in Fragen gestellt haben, die gesagt haben, auch bei Durchbruchinfektionen kann es das geben und die Reduktion ist vielleicht nur ungefähr die Hälfte. Also ich glaube, wir wissen ehrlicherweise noch nicht ganz genau, wie ausgeprägt der Impfschutz auch gegen die Ausbildung von solchen Folgeschäden ist. Für mich macht es sehr viel Sinn, dass, wenn Sie eine solide, sehr gute Antwort ausgebildet haben, dann viele der Folgeschäden reduziert werden, weil der Virus nicht mehr ungehindert in andere Organe vordringen kann, weil es durch die Antikörper im Serum neutralisiert wird.
Autoimmunreaktionen
Und auch solche Autoimmunreaktionen, wie man bei einigen der Patientinnen und Patienten sieht, die können sich auch nicht mehr so gut ausbilden, weil die letzten Endes schon voreingestellte Immunantwort, die auf das Spike gerichtet ist, eher wieder angeschoben wird. Also das sind jetzt so meine Erklärungen, ohne dass ich dafür viele Daten hätte. Die neueste Studie hat jetzt noch mal geguckt: Wie ist denn das Risiko für diese Folgeerkrankungen in der Omikron-Welle, verglichen mit der Deltawelle? Wir wissen ja, dass Omikron auch in der akuten Erkrankung etwas weniger virulent ist, dass es auch weniger häufig zu solchen Folgen kommen kann. Was man auch aus der Studie, allerdings um die Ecke, ableiten, kann, ist, dass Impfungen wahrscheinlich relativ gut schützen.
Monoklonale Antikörper gegen BA.4/BA.5
Hennig: Jetzt sind wir schon bei guten Nachrichten mit Omikron, abgesehen von den schlechten, dem Immunescape, der auch immer weiter aus der Forschung heraus belegt wird von BA.4 und 5. Auf der Habenseite der guten Nachrichten ist aber auch, dass es trotz Immunescape monoklonale Antikörper gibt, die nicht nur präventiv, sondern auch als Medikamente ausgegeben werden können und offenbar auch bei BA.4 und BA.5 gut funktionieren. Evusheld ist eins der neuesten Präparate von AstraZeneca. Das ist in mindestens zwei Studien für wirksam befunden worden, auch gegen BA.4 und BA.5.
Sander: Ja, genau, es gibt ja schon eine ganze Reihe sogenannter Antikörper. Das sind also Antikörper, die in der Regel aus Patienten isoliert worden sind, die nach einer Infektion genesen waren. Teilweise waren das sogar Antikörper, die man von Patienten isoliert hat, die sich mit dem SARS-CoV-1-Virus angesteckt hatten und dann über molekularbiologische Verfahren solche einzelnen Antikörper-Präparate herstellen und die als Medikamente sozusagen formulieren können. Und da hatten wir schon eine ganze Reihe, die dann aber leider mit der Ausbildung von diesen Immunflucht-Varianten zunehmend ihre Wirksamkeit verloren haben. Das letzte Beispiel ist eben auch die BA.2 Variante, die relativ ähnlich ist zu der BA.4 und 5-Variante. Und da haben viele Präparate Schwierigkeiten gehabt.
Evusheld
Und was Sie jetzt gerade ansprechen: Evusheld ist der Handelsname. Das sind zwei Antikörper, die man kombiniert hat: Tixagevimab und Cilgavimab. Das sind auch wiederum zwei Antikörper. Der eine, insbesondere das Cilgavimab, das sieht man, wenn man solche Neutralisationsstudien macht, dass das sehr gut gegen BA.2 und eben auch BA.4, 5 bindet und dieses Virus neutralisieren kann. Es hat aber auf der anderen Seite Schwierigkeiten bei der BA.1-Variante. Die jetzt aber nicht mehr dominant ist. Also Sie sehen, mit einem einzelnen Antikörper ist es schwierig, so eine virale Evolution komplett abzudecken. Es gibt ein Präparat aus den USA, das alle bisher bekannten Omikron-Varianten sehr, sehr gut neutralisiert. Mal sehen, wann wir das zur Verfügung haben werden.
Hennig: Sind die in der aktuellen Lage, also auch mit dem, was wir mit dreifach und vierfach Impfung an Verläufen haben, vor allen Dingen für Menschen nötig, die tatsächlich massive Vorerkrankungen haben? Oder nimmt man da auch nach wie vor noch Ältere in den Blick, wo ja auch Vorerkrankungen dazu zählen, aber vielleicht keine ganz spezifischen?
Sander: Momentan würden wir monoklonale Antikörper einsetzen, wenn mutmaßlich keine ausreichende Immunantwort vorliegt. Und das ist natürlich ein bisschen weit gefasst. Ganz klar gilt das für Patienten, von denen wir wissen, dass sie gar keine gute Immunantwort ausbilden können.
Angeborene Störung des Immunsystems
Vielleicht weil sie eine angeborene Störung im Immunsystem haben oder weil sie aufgrund einer Organtransplantation schwer immunhemmende Medikamente einnehmen. Oder es gibt Patienten, die haben Autoimmunerkrankungen, denen werden auch wieder über monoklonale Antikörper zum Beispiel die B-Zellen depletiert, also die haben keine eigenen B-Zellen. Sie bilden mutmaßlich nur sehr wenige eigene Antikörper. Und bei denen wissen wir auch, die Impfantwort ist sehr schlecht und die profitieren davon, wenn sie frühzeitig Antikörper bekommen, die dann quasi so eine Impfantwort ersetzen können.
Und gerade dieses Evusheld-Produkt kann auch prophylaktisch eingesetzt werden und dafür wurde es im Grunde zunächst entwickelt und getestet. Das können Sie dann geben und dann können Sie über mehrere Monate einen neutralisierten Antikörperspiegel aufbauen und einen gewissen Schutz haben. Wir setzen es weiter dafür ein.
Immunseneszenz
Stichwort Immunseneszenz: Also im Alter lässt einfach die Flexibilität und die Kraft des Immunsystems nach. Auch da können monoklonale Antikörper eine Rolle spielen. Wenn auch da mutmaßlich vielleicht die letzte Impfung schon ein bisschen länger her war und wir einen sehr alten Menschen mit Erkrankung haben, können auch da noch mal neutralisierende Antikörper einen Vorteil bieten. Häufig wird das dann aber kombiniert mit einer direkt antiviral wirkenden Substanz oder es wird komplett direkt auf so ein antiviral wirkendes Medikament, also dann als Tablette zum Beispiel oder als Infusion umgestellt.
Mildere Verläufe bei älteren Infizierten?
Hennig: Wenn man sich aber so umhört, dann hört man gerade bei drei idealerweise auch vierfach geimpften älteren Menschen auch über 80 Jahren häufiger anekdotisch, ich habe da keine Daten zu gesehen, von milderen Verläufen im Vergleich zu Jüngeren, die dann doch oft wochenlang mit der Infektion zu kämpfen haben, auch wenn sie geimpft sind. Ist das was, was sie auch hören oder ist das eine selektive Wahrnehmung?
Sander : Na ja, so was ist natürlich immer anekdotisch. Ich habe das auch schon gehört und wir haben tatsächlich teilweise sehr, sehr alte Menschen, die wir dann schon aus Vorsicht manchmal auf die Station aufnehmen, weil sie wirklich viele Vorerkrankungen haben, bei denen dann glücklicherweise in der letzten Zeit diese Verläufe doch so waren, dass wir die schnell auch wieder entlassen können, dass sie das eigentlich gut überstehen, wenn sie gut geimpft sind.
Aber das sind natürlich alles noch, sage ich mal so, anekdotische Berichte, und das, was wir als symptomatische Erkrankungen wahrnehmen sind im Grunde Reaktionen des angeborenen Immunsystems, die bei uns noch ein bisschen aktiver sind. Auch dazu haben wir eine Studie an der Charité durchgeführt, wo wir zum Beispiel die Immunreaktion bei Kindern mit älteren Erwachsenen verglichen haben, teilweise deren Eltern. Und da sieht man: Die Kinder sprechen sehr, sehr früh mit diesem angeborenen Immunsystem an.
Interferone
Die bilden sogenannte Interferone und können das Virus sehr, sehr früh hemmen. Aber wenn man sehr viel Interferone bildet, zum Beispiel als junger Mensch, dann kriegt man auch dieses Krankheitsgefühl, was man bei einem grippalen Infekt hat. Und das ist möglicherweise ein Grund, warum es bei den älteren Menschen nicht so ausgeprägte subjektive Beschwerden macht. Teilweise sehen wir aber auch wieder Lungenentzündungen. Und dann sind wir doch etwas vorsichtig bei einem sehr alten Menschen mit weiteren Vorerkrankungen und würden dann eher auch noch mal antiviral behandeln.
Zweite Booster-Impfung - individueller Schutz und Bevölkerungseffekt
Hennig: Damit sind wir auch wieder in dem Bereich Prävention eines schweren Verlaufs. Die Stiko empfiehlt den zweiten Booster für Menschen über 70. Jetzt hat der Bundesgesundheitsminister klar gemacht, dass er diese Empfehlung eigentlich gern ausgeweitet haben würde. Macht das Sinn, wenn man sich anguckt, wie andere Länder das Handhaben, weil ja auch der unangepasste Impfstoff gegen schwere Krankheit gut schützt und die Antikörper nun mal nach ein paar Wochen oder Monaten nachlassen? Warum ist man da bei Jüngeren eher defensiv in Deutschland?
Sander: Also das ist wirklich das große Glück, dass die herkömmlichen Impfstoffe, die basierend auf dem ursprünglichen Coronavirus entwickelt wurden, dass die weiterhin sehr, sehr gut wirken, eben auch gegen diese ganzen neuen Omikron-Sublinien. Das ist unser großes Glück und auch wiederholte Impfungen bringen immer wieder einen zusätzlichen Nutzen.
Jetzt ist tatsächlich das Problem, dass dieser Effekt, den wir haben, der sich auch klar auch darin ausdrückt, dass wir auch zwischenzeitlich weniger empfänglich für Infektionen sind und für symptomatische Infektionen. Da gibt es gerade eine ganz gute Arbeit aus Israel, und die zeigt auch wieder: Wenn man frisch vierfach geimpft ist, hat man ein deutlich reduziertes Risiko, sich auch zu infizieren oder symptomatisch zu erkranken und genauso natürlich auch schwer zu erkranken.
Allerdings ist es gerade für die schweren Erkrankungen auf einem hohen Niveau, weil wir schon als dreifach Geimpfte einen sehr, sehr guten Schutz vor einer schweren Erkrankung haben, insbesondere jüngere Menschen. So, dass der zusätzliche Nutzen einer vierten Impfung nicht mehr so groß ist wie zum Beispiel der zusätzliche Schutz der dritten Impfung oder der Grundimmunisierung. Von daher werden diese Abwägungen etwas weniger schwarz-weiß, als sie es vielleicht vorher waren. Und wir wissen natürlich auf der anderen Seite, dass insbesondere ältere Menschen ein deutlich höheres Risiko haben, schwer zu erkranken.
Daten aus Portugal
Jetzt gibt es gerade Daten aus Portugal, die sich das in der Omikron-Welle angesehen haben: Ältere Menschen über 80 Jahre, die ungeimpft waren, die hatten eine sehr, sehr hohe Sterblichkeit von fast zehn Prozent. Und ähnliche Daten hatten wir ja auch aus Hongkong. Also dieses Virus ist zwar etwas abgeschwächt, aber die meiste Abschwächung kommt dadurch, dass es eben Menschen infiziert, die schon geimpft sind und dass es denen deswegen nicht viel anhaben kann.
Das heißt, wir sehen, dieses Virus kann potenziell schwere Verläufe machen und wir sehen eben einen leicht nachlassenden Schutz, insbesondere bei den Älteren, die das höchste Risiko tragen. Deswegen ist es durchaus nachvollziehbar, dass man sagt, die zusätzliche Impfung sollte man erst mal denen zukommen lassen, die wirklich am deutlichsten gefährdet sind durch so eine erneute Welle. Das zweite Phänomen, auf das sicher auch Herr Lauterbach abzielt, ist eben auch, dass wir insgesamt einen Effekt auf die Infektionen haben können.
Israelische Strategie
Das hat man in Israel gesehen, zum Beispiel in der Delta-Welle. Sie haben früh in die Delta-Welle rein geboostert, damals also die dritte Impfung und haben damit im Prinzip aus dieser Delta-Welle rausgeboostert. Das war sehr eindrücklich. So einen ähnlichen Effekt kann man sicher auch erzielen, wenn man hier in eine beginnende Infektionswelle rein boostert, sei es jetzt mit der vierten Impfung. Dann würde man auch wieder einen Effekt auf die ganze Bevölkerung haben.
Dann würden die Infektionszahlen runtergehen. Natürlich würden auch die schweren Krankheitsfälle deutlich zurückgehen und die Krankenhauseinweisungen. Und ich denke, dass man sich das genau überlegen muss. Es sind eben zweierlei Dinge. Das eine ist, wie ist mein individuelles Risiko, schwer zu erkranken. Wenn ich jetzt wirklich schon älter bin und vielleicht auch eine Vorerkrankung habe, zum Beispiel über 60 oder über 70 Jahre.
Individuelle Konstellationen
Da ist jede Konstellation ganz individuell. Was für Vorerkrankungen liegen vor, was für ein Expositionsrisiko. Dann macht eine vierte Impfung meines Erachtens Sinn, um sich einfach selbst nochmal optimal zu schützen. Gerade, wo wir wieder so viele Infektionen haben. Für die Gesamtbevölkerung gesehen: Wann hat es den größten Nutzen mit einer sehr breiten Kampagne zu beginnen, wo wir uns vielleicht alle noch mal eine vierte Impfung abholen? Da denke ich, ist es möglicherweise sinnvoll, das so zu timen, dass es vor dem Herbst ist.
Also es sind einfach zwei unterschiedliche Sichtweisen. Was können wir als Gesellschaft tun oder für uns alle tun, damit wir möglichst wenig Infektionen haben und gut durch so eine Zeit, durch so eine Welle durchkommen, mit möglichst wenig Krankheitsfällen oder weniger Krankheitsfällen und weniger Ausfällen. Und wenn wir das jetzt in die Sommerwelle rein machen, dann hat man vielleicht diesen zusätzlichen Effekt im Oktober schon wieder aufgebraucht.
Also wenn wir gezielt eine Impfkampagne machen, wenn eine beginnende Infektionswelle, die möglicherweise auch droht, wieder sehr stark die Gesellschaft belastet, dann hat das einen sehr, sehr großen Nutzen für die Gesellschaft. Und natürlich auch für den Einzelnen, weil einfach die Gefahr zu erkranken geringer ist. Die Gefahr von allen möglichen Maßnahmen, die ergriffen werden müssten, zum Beispiel eine kritische Infrastruktur zu schützen, die wäre geringer. Und deswegen hat so eine Kampagne sicherlich einen hohen Wert. Man muss sich eben genau ansehen: Wie ist das Infektionsgeschehen? Mit welcher Variante haben wir es zu tun und wann würde man so eine Kampagne empfehlen oder durchführen?
Hennig: Das sind diese zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich würde gerne bei beiden einmal kurz bleiben.
Individuelle Sichtweise
Das eine ist das Individuelle. Es gibt die Daten aus Israel zur Wirksamkeit der vierten Impfung, die da gute Ergebnisse gezeigt haben. Aber da hat man sich nur die Wirkung maximal vier Wochen nach der vierten Dosis angeguckt. Jetzt gibt es gerade ältere Menschen, die sich zum Beispiel im März schon ein zweites Mal haben Boostern lassen und die sagen: "Naja, aber wenn jetzt die Antikörper auch wieder so stark nachgelassen haben wie nach der dritten Impfung, dann müsste ich ja eigentlich jetzt auch, weil die Zahlen so hoch sind, nachlegen". Gibt es denn Anlass zu glauben, dass die vierte Impfung ein bisschen nachhaltiger ist?
Sander: Ich glaube, dass das schon analog sein wird zu den vorherigen Impfungen. Die wichtigste Impfung ist tatsächlich die dritte, weil die mit einem gewissen Abstand gegeben wird und man dann wirklich noch mal eine breitere Impfantwort bekommt, die sicherlich auch noch einen nachhaltigeren Schutz bietet. Die vierte Impfung, die verstärkt das noch mal ein bisschen. Und ich glaube diese Sorge, dass das wieder nachlassen könnte, die ist schon berechtigt. Diese Daten aus Israel, die haben Sie erwähnt, die sind total eindrücklich. Aber die haben genau das Problem, dass sie nur 28 Tage nachbeobachtet haben.
Man wird jetzt vielleicht sagen "Mensch, warum haben die nur so kurzen Zeitraum beobachtet"? Das ist wirklich eine absolut enorme Leistung, die die Kolleginnen und Kollegen da aus Israel in kürzester Zeit schaffen. Das sind wirklich komplizierte epidemiologische Studien, die sie anhand von Krankenkassendaten erheben und die uns sehr, sehr schnell zur Verfügung gestellt werden können, damit wir letzten Endes ein Verständnis davon haben, was diese Maßnahmen bringen.
Also da schwingt überhaupt keine Kritik mit, dass sie das jetzt nicht noch länger beobachtet haben. Die machen das, sie werden diese Daten auch liefern, aber die arbeiten wirklich unter Hochdruck. Und ich habe mit denen auch mehrfach gesprochen. Wir haben gute Kontakte mit denen, das ist wirklich enorm, wie die so schnell so gute Daten liefern können.
Antikörperspiegel
Aber zu der Frage zurück: Also klar, der Antikörperspiegel wird wieder ein bisschen nachlassen. Und diese zusätzliche Schutzwirkung wird auch wieder nachlassen. Ich glaube, das wird keinen überraschen. Und dann wird eben, um das wieder auf ein gutes Niveau zu bringen eine weitere Impfung notwendig sein. Und jetzt muss man sich tatsächlich fragen: Kann das für die gesamte Bevölkerung das Ziel sein, sich ständig wieder impfen zu lassen?
Ich glaube nicht, sondern ich glaube, dass es für Risikogruppen tatsächlich Realität werden könnte, sich bei sehr starken Infektionsgeschehen wieder aufzufrischen. Und vielleicht kommen wir da auch noch drauf, dass das hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft auch noch über andere Impfstoffe möglich sein wird, die vielleicht etwas besser vorhalten.
Hennig: Danach möchte ich Sie auch gleich noch fragen. Aber ein Kollege von Ihnen vertritt die These, dass wiederholtes Impfen, also mehrfach wiederholtes Impfen, jetzt nicht zwei oder dreimal, zu einer Sättigung des Immunsystems führen kann. Also dass sich irgendwann Antikörper nicht wieder neu aktivieren, neu bilden lassen durch einen Booster. Ist das ein sinnvoller Einwand gegen noch einen Booster für die Älteren?
Sander: Ja, natürlich. Aus immunologischer Sicht kann man so eine Überlegung anstellen. Und da gibt es Daten aus Tierversuchen. Und natürlich wird man sehen, wenn man immer wieder mit dem Antigen in Kontakt kommt, dann schleift sich da ein bestimmtes Muster in der Immunantwort ein, weil dann die Gedächtniszellen, die immer stärker ausreifen, die werden sofort wieder aktiviert und die spucken dann wieder Antikörper aus, die wieder genau nach demselben Bauplan gemacht sind, wie die schon bei der letzten Impfung waren. Das ist aber gar nicht schlecht meiner Meinung nach, weil wir spätestens nach der dritten Impfung sehr breite Antikörper-Antworten bekommen, die ja sehr, sehr viele von diesen Varianten neutralisieren können.
Antigen-Erbsünde
Und das zielt wieder ein bisschen auf diese Antigen-Erbsünde ab. Und ich glaube, das ist eine rein immunologische Fachdiskussion. Das, was wir sehen, was die Kollegen uns aus Israel zeigen, ist, dass eine zusätzliche Impfung, auch die vierte, dass die einen zusätzlichen Schutz bietet. Weniger Menschen sterben, weniger Menschen erkranken und da kann man, und das mache ich selber gerne, immunologisch drüber nachdenken, wie das zum Beispiel auch nachteilige Effekte haben könnte und wie die Mechanismen im Immunsystem sein könnten.
Aber wir müssen schon den harten Fakten vertrauen und das sind Daten, die an Millionen von Impflingen erhoben worden. Und man sieht einfach, dass wir einen zusätzlichen Schutz haben und auf den können wir uns verlassen. Letzten Endes müssen wir mit diesen Daten umgehen. Ich sehe kein Risiko, dass wir hier eine so starke Prägung machen, dass wir danach keine Antikörper mehr gegen grundsätzlich veränderte Coronavirus-Varianten bilden können. Diese Gefahr sehe ich nicht. Dass es diesen Effekt gibt, dass wir eine bestimmte Verstärkung oder Prägung haben, das mag schon sein. Aber was zählt, ist der Schutz. Und den sehen wir nach der vierten Impfung.
Angepasster Moderna-Impfstoff
Hennig: Die veränderten Varianten ist das Stichwort, was die andere Wirkung eines zweiten Boosters auf Bevölkerungsebene angeht.
Das, was Sie angesprochen haben und das hat Karl Lauterbach gemeint, betrifft nämlich die Frage: Was nützt denn jetzt der bisherige Impfstoff, der noch nicht an Omikron angepasst ist, für einen solchen Effekt, zum Beispiel in eine Welle hinein zu impfen? Es gibt ja schon erste Daten zu einem angepassten Impfstoff von Moderna zum Beispiel - erst mal nur als Pressemitteilung, das ist noch nicht detailliert vorgelegt.
Ein ambivalenter Impfstoff gegen Omikron-BA.1 und Delta. Aber die Subtypen BA.4 und BA.5 kommen in dieser Anpassung noch gar nicht vor. Läuft man da nicht der Evolution hinterher? Und muss man sagen, der angepasste Impfstoff macht gar keinen so großen Unterschied, um Infektionen zu verlangsamen?
Sander: Also bislang kennen wir noch nicht so viele Daten dazu. Das muss man mal vorwegnehmen. Was wir wissen, sind zum Beispiel Antikörper-Daten, die Moderna in einer Pressemitteilung mitgeteilt hat. Und der ein oder andere wird auch schon mal Daten gesehen haben. Das ist so, dass man tatsächlich einen leichten Vorteil daraus ableiten kann. Man sieht zum Beispiel etwas stärkere oder höhere Titer an neutralisierenden Antikörpern.
Und Sie haben vollkommen recht, das ist jetzt erst mal an BA.1 angepasst gewesen. Aber natürlich ist BA.1 den paar Varianten schon ähnlicher als es die ursprüngliche Variante war. Aber natürlich wird man mit so einem klinischen Entwicklungsprogramm der viralen Evolution immer hinterherhinken. Das kann man versuchen sehr, sehr schnell zu adaptieren.
Kürzere Zulassungsprozesse
Dann muss man aber auch die Zulassungsprozesse so verkürzen, dass man mit einem ganz kleinen Nachweis: "Okay, das ist im Prinzip dasselbe. Wir haben nur den Bauplan ein bisschen verändert" und wir sehen jetzt den Vorteil bei den Antikörpern, dass man dann sehr, sehr schnell auch in die Zulassung von dem Medikament kommt. Da kann man sicherlich noch Zeit aufholen. Aber letzten Endes glaube ich, da komme ich wieder darauf zurück: Auch der alte Impfstoff bringt uns immer wieder einen großen Nutzen und auch die jetzt an die BA.1-Variante angepassten werden einen kleinen zusätzlichen Nutzen bringen.
Ich bin davon überzeugt, dass sie noch mal ein bisschen breitere Antikörper-Antworten auslösen. Das ist aber meines Erachtens kein totaler Gamechanger. Also nicht: Auf einmal gibt es den angepassten Impfstoff und dann sind alle zu 100 Prozent gegen Infektionen geschützt, sondern das wird einen etwas breiteren Schutz bieten. Vielleicht besonders für Leute, die ohnehin schwache Antikörper-Antworten haben. Für sie ist es vielleicht noch mal ein Vorteil. Und dann kann man nur hoffen, dass die regulatorischen, also die Zulassungsprozesse so verschlankt werden, dass man vielleicht ganz schnell nachlegen kann mit noch weiter adaptierten Impfstoffen und die dann möglicherweise mehrere solche Varianten enthalten.
Regulatorische Hürden für Impfstoffanpassungen
Hennig: Ist es das, was die Entwicklung tatsächlich verlangsamt? Die regulatorischen Hürden? Bei Influenza zum Beispiel gibt es ja auch nicht jedes Jahr einen neuen Zulassungsprozess. Biontech hatte ja eigentlich ein Impfstoff-Update für Mai angekündigt und jetzt hat man länger nichts mehr gehört. Die Laien fragen sich da schon: Warum dauert das so lange?
Sander: Das scheint in der Tat eine der Hauptschwierigkeiten zu sein, dass man doch relativ viel an klinischen Daten liefern muss, um das machen zu können. Wenn man ein sehr analoges Verfahren zu dem Influenza-Impfstoff wählen würde, würde es möglicherweise schneller gehen, den eigentlich prototypischen Impfstoff herzustellen. Das geht sehr, sehr schnell, weil sie tatsächlich mit der mRNA-Technologie das letzten Endes am Computer sehr schnell anpassen können. Und dann wird eben eine andere mRNA produziert.
Viel von dem, was auch die Impfreaktionen auslöst oder mögliche und seltene Komplikationen auslöst, wird einfach durch die Art des Moleküls und durch die Verpackung des Moleküls sein und nicht durch eine spezifische Sequenz, die ohnehin nur an ganz wenigen Stellen verändert ist. Von daher könnte man sicher auch sagen, wenn wir dann einen serologischen Hinweis, also andere und stärker bindende Antikörper im Serum sehen, dann können wir relativ schnell sagen: "Okay, dann nehmen wir jetzt eben diesen Impfstoff und müssten dann wieder auf die klinischen Wirksamkeitsdaten, vielleicht auf solche Echtwelt-Daten, wir nennen das Real World Evidence Daten, warten".
Lebendimpfung als Nasenspray und Impfstoffe der Zukunft
Hennig: Jetzt haben Sie eben schon angesprochen, dass man vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft doch auf andere Impfstoffe gucken sollte bzw. dass die Wirklichkeit werden könnten und dann noch einen viel größeren Bevölkerungseffekt bringen könnten.
Da gibt es ja Hoffnung in Bezug auf Impfungen als Nasenspray. Das ist dann eine Lebendimpfung, ein verändertes Lebendvirus. Da hat es zuletzt eine Veröffentlichung vom Berliner Max Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin gegeben. Da hat man in Hamstern, also noch nicht im Menschen offenbar ganz gute Ergebnisse erzielen können. Ein genetisch verändertes Virus, das zwar ansteckend ist, sich aber nicht so gut vermehrt und auch gegen die bloße Infektion auf den Schleimhäuten besser wirken könnte. Jetzt habe ich eben schon rausgehört, dass diese Ergebnisse große Hoffnung machen, auch auf eine Schleimhautimmunität per Impfung.
Sander: Das ist eine tolle Arbeit, die die Kollegen nicht nur vom MDC, auch von der Freien Universität in Berlin gemacht haben. Die Tiermedizin dort hat da ganz tolle Arbeit gemacht. Die Virologie dort und auch von der Charité waren Leute beteiligt.
Deoptimierung des Coronavirus
Also die haben letzten Endes das bestehende Coronavirus genommen und, man nennt das, deoptimiert. Das ist an ganz, ganz vielen Stellen im Genom so verändert, dass es die krankmachenden Eigenschaften komplett verliert und sich auch nicht mehr so stark vermehren kann. Keines von diesen Tieren, die infiziert worden sind, ist wirklich krank geworden. Trotzdem infiziert es eben noch die Atemwege, auch in den Hamstern zum Beispiel.
Und dadurch bildet sich eine sehr, sehr starke Immunantwort, nicht nur systemisch, sondern auch an den Atemwegen selber aus und kann dann eben durch die hohe Ähnlichkeit noch zu dem zirkulierenden krankmachenden Virus die Tiere auch sehr, sehr gut schützen. Jetzt muss man aber sagen, das ist eben noch ein frühes Entwicklungsstadium. Das soll zu einem Impfstoff weiterentwickelt werden, das sind Daten aus einem sehr guten Tiermodell.
Trotzdem ist es ein Kleintiermodell, was natürlich doch sehr weit von dem entfernt ist, was man vielleicht später in der Bevölkerung im Menschen sehen könnte. Trotzdem finde ich das es ein sehr vielversprechendes Ergebnis ist, dass die Applikation eines Impfstoffs über die Atemwege doch zu einem sehr guten Schutz, nicht nur vor einem schweren Erkrankungsverlauf, sondern auch vor einer Infektion führen kann. Dazu hat es vor kurzem auch eine Veröffentlichung einer chinesischen Gruppe gegeben.
Dort wurden ja viele von diesen inaktivierten Impfstoffen eingesetzt, also man hat das Coronavirus einfach chemisch abgetötet hat und mit Hilfsstoffen versetzt und verimpft. Und da wissen wir, die Antikörper waren nicht ganz so hoch wie mit den Impfstoffen, auch die Wirksamkeit war nicht ganz so hoch und deswegen hat man schon lange an Booster-Strategien gearbeitet. Hier wurde eine ganz interessante Booster-Strategie gewählt.
Ad5-Adenovirus
Da wurde nämlich ein Vektorimpfstoff, ein Ad5-Adenovirus. Der wird in Deutschland nicht eingesetzt, aber der wird in Asien eingesetzt. Der wurde inhalativ gegeben, also den haben die Probandinnen und Probanden, die vorher zweimal mit dem inaktivierten Impfstoff, diesem CoronaVac geimpft waren. Sie haben danach dieses Adenovirus inhaliert und dann hat man gesehen, dass die sehr, sehr starke Impfantworten ausgebildet haben.
Leider haben die Autoren nur im Serum oder im Blut die Antworten gemessen und nicht an den Schleimhäuten. Aber ich würde fest davon ausgehen, dass es auch an den Schleimhäuten eine sehr starke Immunantwort macht und es war sehr, sehr eindrücklich. Weil sie eine sehr deutlich reduzierte Impfstoffmenge nehmen können und wenn Sie die inhalativ geben, dann einen sehr, sehr starken Effekt auf die Immunantwort insgesamt haben. Und deswegen glaube ich, dass dieser Ansatz funktioniert: Zum Beispiel Vektorimpfstoffe oder andere Lebendimpfstoffe, wie zum Beispiel dieser Impfstoff, der hier in Berlin entwickelt wurde. Wenn wir den als Nasenspray oder inhalativ geben könnten, dann ist das eine sehr niedrige Schwelle, weil sie sich nicht injizieren lassen müssen.
Sie können vielleicht eine viel geringere Menge nehmen und ich glaube, darüber wird man über eine gewisse Zeit auch eine Infektions- und Transmissionsschutz erreichen. Und da könnte ich mir vorstellen, dass es zum Beispiel für Risikogruppen kein Problem wäre, in der nächsten Zeit, wenn wir noch sehr, sehr viele Coronavirusinfektionen haben, sich regelmäßig mit so einem nasalen Impfstoff, also Nasenspray, immer mal wieder sozusagen aufzufrischen und zu schützen. Also das ist ein Konzept, von dem ich überzeugt bin, dass es sehr vielversprechend ist.
Hennig: Das heißt, das eine ist ja der Verabreichungsweg, also dass es direkt auf die Schleimhäute geimpft wird. Und das andere ist natürlich aber auch die Art der Impfung.
Lebendimpfung
Eine Lebendimpfung, haben wir aber gelernt, kommt normalerweise nicht für alle Risikogruppen in Frage.
Sander: Wir kennen ja klassischerweise Lebendimpfstoffe, wie zum Beispiel gegen Mumps und Masern. Das sind lebende Impfstoffe. Die darf man aber bei Personen, die eine Immunschwäche haben oder auch in der Schwangerschaft nicht einsetzen. Weil dann die Gefahr besteht, dass sich auch dieses attenuierte, also abgeschwächte Virus zu stark vermehren kann und zu Krankheiten führen kann, die auch schwer verlaufen können. Deswegen sagt man, die sollen wirklich nur bei immun gesunden Personen eingesetzt werden. Das ist eine Limitation von Lebendimpfstoffen.
Nichtsdestotrotz wissen wir, dass Lebendimpfstoffe traditionell sehr, sehr langlebige und gute Immunantworten auslösen. Einschränkend muss man aber sagen, wir alle oder viele von uns haben sich ja leider auch schon zwischendurch mit dem Coronavirus infiziert. Das ist, wenn Sie so möchten, auch eine Art Lebendimpfung. Weil es das lebendige Virus ist, dem wir uns exponiert haben. Und trotzdem wissen wir, dass diese Impfung, weil es eben ein Coronavirus ist, nicht lebenslänglich hält. Die Tatsache, dass dies ein Lebendvirus ist, ist sicherlich nicht nachteilig, aber das alleine wird nicht garantieren, dass man lebenslangen Schutz hat.
Applikationsweg
Sondern das ist sicherlich auch noch mal der Applikationsweg. Und auch das, glaube ich, wird nicht lebenslang anhalten, sondern immer wieder nachlassen, weil wir wissen: Antikörperantworten auf den Schleimhäuten bleiben nicht lange bestehen, die werden immer angepasst an das jeweilige Milieu, an die jeweiligen Erreger, mit dem wir es zu tun haben, sei es im Darm oder auf den Atemwegen.
Und wenn das Coronavirus dann eine Weile nicht da war, dann ziehen sich auch dort die Antikörper-Antworten wieder ein bisschen zurück. Und wenn das Coronavirus nach einem Jahr wiederkommt, dann ist man leider auch wieder empfänglich dafür. Das ist bei solchen Atemwegserregern häufiger so.
Bedeutung des Begriffs "Schleimhautimmunität"
Hennig: Heißt das, die Vorstellung, dass wir mit zunehmender Zahl an Infektionen irgendwann eine richtige stabile Schleimhautimmunität entwickeln, die dann das Infektionsgeschehen wirklich massiv bremst, ist trotz allem eine Illusion?
Sander: Ich glaube nicht. Wir müssen nicht das Individuum betrachten, sondern die Bevölkerung. Es wird immer wieder Infektionswellen geben und es wird nicht jeder im gleichen Stadium stehen. So, dass die ganze Bevölkerung wieder eine nachlassende Immunität hat und deswegen wieder ein Fenster aufgeht, sondern das wird sich dann nicht mehr so synchronisieren. Leute werden unterschiedliche Impf- und Infektionshistorien haben und trotzdem werden, glaube ich, mit jeder Infektion natürlich ein paar Gedächtniszellen in der Schleimhaut bleiben und dieser Schutz wird sich in der Schleimhaut auch immer wieder weiter verbessern. Sodass man sich vielleicht zwischendurch noch infizieren kann.
Abgeschwächte Ausprägung
Aber dass die Ausprägung dieser Infektion vielleicht immer schwächer wird und dann auch die Weitergabe des Virus schwächer wird. Also ich glaube schon, dass wir die Schleimhautimmunität sukzessive aufbauen werden, aber verschwinden wird das Virus nicht und auch die Infektionswellen werden auf keinen Fall verschwinden. Das ist, glaube ich, tatsächlich eine Illusion.
Hennig: Was diesen Nasenspray-Impfstoff angeht, den konkreten, der in Berlin entwickelt wurde, über den wir gesprochen haben - Sie haben es schon gesagt -, das wird bis zur Produktreife natürlich noch eine ganze Weile dauern. Was würden Sie sagen, anderthalb Jahre mindestens, oder?
Sander: Ich glaube, das wird noch länger dauern. Diese Entwicklungen, gerade wenn die aus der Akademie kommen, können sehr lange dauern. Ich glaube, die Kolleginnen und Kollegen haben schon Partner, die auch den Impfstoff produzieren werden. Die müssen ja unter ganz bestimmten Bedingungen so produziert werden, dass sie den auch in klinischen Studien einsetzen können. Also ich glaube, das wird noch einige Jahre dauern.
Bereits existierende Impfstoffe in Nasensprays
Ich halte eine andere Strategie für vielversprechend und das ist, dass man vielleicht existierende Impfstoffe so umfunktioniert, dass man sie als Nasenspray erheben kann. Und ich glaube, damit hätte man im Grunde einen Ausweg. Wenn Sie in eine große Infektionswelle im Herbst hinein alle Menschen zum Beispiel über einem bestimmten Alter solche Nasensprays zur Verfügung stellen, die können Sie ja dann möglicherweise sogar selbst applizieren und haben dann wieder einen Schutz über drei Monate.
Ich glaube, dann kann man so ein Infektionsgeschehen dämpfen und auch die Auswirkungen einer Infektionswelle dämpfen. Ich sage das jetzt alles so aus dem Bauch raus. Das ist so ein Gefühl von mir. Aber ich glaube, das wäre ein Weg, den man massiv forcieren sollte, weil man damit letztendlich eine Strategie hätte, die nicht immer über Kontaktreduktion oder über solche einschneidenden Maßnahmen gehen würde. Aber auch das ist noch nicht entwickelt, das muss noch in klinischen Studien erprobt werden und hilft uns jetzt im Herbst noch nicht.
Hennig: Das ist aber nichts, wo sie aus ihrer Forschungserfahrung sagen würden: Das ist undenkbar, dass man einen mRNA-Impfstoff auch auf diesem Weg gibt, der dann zum Beispiel auch für immungeschwächte Personen infrage kommt?
Sander: Ich denke eher daran, dass zum Beispiel diese Vektorimpfstoffe gut funktionieren würden. Wir haben die Daten aus China. Da haben Sie einen Virus, das kann die Zellen auch im Nasen-Rachenraum infizieren und dann können sie dort eine Infektion ausbilden. Das kann sich aber nicht weiter teilen. Auch die Vektorimpfstoffe haben einen hervorragenden Schutz geboten. Da gab es bloß in sehr, sehr seltenen Fällen diese Komplikationen mit der Immunthrombose. Das war nach Injektion.
Wenn Sie jetzt eine kleine Menge über die Nasenschleimhäute geben, könnte ich mir vorstellen, dass es einen guten Schutz geben könnte. Das ist ein Konzept und ich glaube, da wird auch drüber nachgedacht, so etwas zu tun. Vielleicht gibt es auch schon andere Impfstoffe, die für die nasale Applikation entwickelt sind. Bei den mRNA´s wird man sicherlich daran arbeiten müssen, wie die verpackt sind, damit die auch gut in die Schleimhaut reinkommen. Das ist jetzt optimiert für die Injektion und das wird sicherlich nicht so einfach funktionieren. Aber vielleicht funktioniert das bei den Vektorimpfstoffen und ich glaube, dann ist der Weg möglicherweise etwas kürzer, als wenn sie sozusagen ganz von Null an einen neuen Impfstoff entwickeln müssen.
Hennig: Dann ist man möglicherweise auch nicht mehr so beschränkt auf das Spike-Protein als Ziel, weil das ja so mutationsfreudig ist.
Sander: Das kann man natürlich machen.
Spike-Protein als Achillesferse
Auf der anderen Seite wissen wir, dass das Spike-Protein einfach die Achillesferse ist. Wenn sich dort Antikörper effektiv anheften können, dann verhindern wir Infektionen. Und wenn wir andere Proteine blockieren, dann haben wir vielleicht die Möglichkeit, Erkrankung zu verhindern. Aber dann ist es schwieriger, eine Infektion zu verhindern, weil das Spike im Grunde genommen der Schlüssel ist, der in das Schloss passt. Und da muss man dazwischen kommen. Von daher glaube ich, wenn man wirklich Impfstoffe entwickeln will, die Infektionen und Weitergabe des Virus blockieren will, dann ist Spike weiterhin das richtige Ziel.
Stiko-Empfehlung für Kinderimpfung U 12
Hennig: Ich möchte noch mal auf die Hybridimmunität zurückkommen, nämlich innerhalb dieses großen Impfthemas mit Blick auf die Kinderimpfung. Die Stiko empfiehlt ja mittlerweile die Impfungen auch für nicht-vorerkrankte Kinder unter zwölf Jahren. Das ist, glaube ich, eine gute Nachricht für viele Eltern, die da in Sorge waren. Aber ich muss gestehen, dass ich es als Laie ein bisschen schwierig fand, den Sinn der Empfehlung im Detail tatsächlich zu verstehen.
Die Stiko setzt ausdrücklich auf die Hybridimmunität, auch in ihrer Empfehlung. Das heißt, nicht-vorerkrankten Kindern wird nur eine Dosis empfohlen. Mit dem Argument, dass ein Großteil der Kinder die Infektion schon durchgemacht hat und der Rest könnte sich dann nach der einen Dosis infizieren und so die Hybridimmunität erlangen. Aber diese eine Dosis kommt ja in den Zulassungsstudien der Hersteller so gar nicht vor.
Schutz für nicht-infizierte Kinder
Wie gut ist der Schutz nach einer Dosis für Kinder, die sich eben noch nicht infiziert haben und für die die Erkrankung ja trotz allem nicht völlig risikofrei ist. Kann man das immunologisch sagen?
Sander: Das ist natürlich eine Diskussion, die sehr, sehr kontrovers geführt wurde. Und es gibt auch in skandinavischen Ländern Leute, die sagen, Kinder sollten sich möglichst natürlich immunisieren, also sprich infizieren lassen. Ich sehe das bekanntermaßen ein bisschen anders. Ich glaube, das muss man einfach noch mal vorweg sagen, dass wir zum Glück ein Virus haben, das bei Kleinkindern und bei Kindern nicht häufig zu schweren Krankheitsverläufen und auch nicht häufig zu solchen schweren Folgeerscheinungen wie zum Beispiel PIMS, also diesem Inflammationssyndrom, oder Long-Covid-Verläufen führt.
Das ist wirklich ein großes Glück, wenn man die Zahl der Infektionen betrachtet, sonst hätten wir wirklich eine Katastrophe gehabt. Das ist das eine. Zum anderen, das haben Sie ja gesagt, ist das Risiko eben nicht Null, sondern es gibt ein Restrisiko. Mit sehr, sehr vielen Infektionen kriegt man auch kranke Kinder und auch Kinder mit Folgeschäden. Das ist tatsächlich so. Wir hatten dann schon relativ früh aus den USA Daten zur Sicherheit bei den Kindern vorliegen, die eigentlich durch die Bank sehr, sehr gut aussahen.
Herzmuskelentzündungen
Die Ausnahme und das ist sicherlich auch das, worauf auch die Kolleginnen und Kollegen in der Stiko genau geachtet haben, ist eben diese Herzmuskel -und Herzbeutelentzündung, die man insbesondere bei Männern, bei jungen Männern, männlichen Jugendlichen gesehen hat. Da sollte man tatsächlich darauf achten. Das ist eine seltene Komplikation und deswegen war da eine große Zurückhaltung, auch bei noch kleineren Kindern zu gucken. Wobei dieses Risiko für die Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung auch bei den kleineren Kindern eigentlich wieder sehr, sehr gering ist.
Also die ist geringer als bei männlichen Jugendlichen. Das scheint so mit der Pubertät einzusetzen. Ich deute diese Entscheidung zu dieser Impfstrategie als eine Art Kompromiss zwischen dieser zurückhaltenden Linie, dass man sagt, das Risiko für Kinder ist sehr, sehr gering. Und auf der anderen Seite ist die vorsichtigere Linie zu sagen: "Selbst bei dem geringen Risiko kann die Impfung schützen". Und zunächst einmal will ich festhalten: "Es ist gut, dass wir jetzt auch in Deutschland eine allgemeine Impfempfehlung für alle über fünf Jahre haben". Das ist erst mal etwas, das man festhalten kann.
Die Strategie, hier nur eine Impfung zu wählen, finde ich auch etwas schwierig, weil, wie Sie schon sagen, die Daten, für die wir wirklich eine breite Datenbasis haben, die liegt eben für die zweifache Impfung vor. So wurden auch die Zulassungsstudien gemacht. Deswegen finde ich das auch etwas unkonventionell. Es gibt andere Länder, die das auch mal überlegt haben, dass man eine Impfdosis empfiehlt, um dieses Myokarditis-Risiko zu reduzieren, weil das nach der zweiten Impfung etwas häufiger ist. Ich deute das als einen Kompromiss.
Allgemeine Impfempfehlung
Was ich für mich damit rausnehme, ist, wir haben eine allgemeine Impfempfehlung und im Grunde wäre es aus meiner Sicht konsequent gewesen zu sagen, wir verfahren so, wie es in der Zulassung steht. Und wenn wir eine allgemeine Impfempfehlung aussprechen, dann sprechen wir eben auch die Empfehlung aus, für die der Impfstoff zugelassen ist, nämlich zwei Impfungen zu geben. Und ich glaube, das kann man auch tun. Aber die Stiko hat sich da sehr, sehr genau Gedanken gemacht. Jetzt gibt es eben diese Empfehlung zu der einen Impfung.
Hennig: Sie haben es ja schon gesagt, dass es nach wie vor auch möglich ist, zwei Dosen zu geben. Das haben ja viele gemacht, weil die Stiko es Eltern vorher schon freigestellt hat: Wenn sie sich nach Beratung entscheiden, könnten sie auch nicht vorerkrankte Kinder mit zwei Dosen mRNA-Impfstoff impfen lassen. Halten Sie es für denkbar, dass man irgendwann auch über einen Booster für Kinder nachdenkt? Wir haben ja eigentlich gelernt, bei den Erwachsenen und auch Jugendlichen ab zwölf, dass das Impfschema erst nach drei Dosen vollständig ist.
Sander: Auch das ist richtig. Natürlich haben schon viele vor der Stiko-Empfehlung Kinder mit zwei Impfdosen impfen lassen, so wie es vorgesehen ist. Und das ist auch weiterhin problemlos möglich. Sie müssen sich nicht unbedingt verpflichtend an die Stiko-Empfehlung halten. Die Stiko gibt Empfehlungen basierend auf Evidenz, die eine sehr, sehr gute Richtschnur für Ärztinnen und Ärzte und auch für Patienten oder Eltern und Impflinge ist. Aber die Zulassung für dieses Medikament ist eine andere und Sie können deswegen auch problemlos diese zwei Impfdosen geben.
Booster für Kinder
Und mit dem Booster, glaube ich, verhält es sich ein bisschen so ähnlich. Wir haben bei den Erwachsenen gesehen, dass wir den Booster brauchen. Natürlich ist die Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs bei den Erwachsenen höher, und das versucht man durch die dritte Dosis, wie Sie gesagt haben. Da komplettiert man eigentlich das Impfregime und kommt dann überhaupt erst auf den vollständigen Schutz bei den Kindern. Da reden wir natürlich über die Reduktion eines ohnehin schon sehr, sehr geringen Risikos. Und deswegen glaube ich, dass die allermeisten Kinder, wenn sie erst einmal diese zwei Impfungen bekommen haben, eine sehr, sehr effektive Reduktion dieses Risikos haben.
Leider, das müssen wir uns sicherlich auch selber ein bisschen zuschreiben, haben natürlich viele, viele Kinder auch schon eine Infektion durchgemacht, sodass de facto, wenn Sie zweimal impfen, natürlich viele Kinder schon dreimaligen Antigenkontakt hatten, mit allen Einschränkungen zu dem, was wir zu Beginn besprochen haben, in welcher zeitlichen Abfolge und wie das verlaufen ist. Aber ich kann mir vorstellen, dass auch eine Empfehlung zur Booster-Impfung irgendwann kommen wird.
Sicherheit von Impfungen für Kinder U 5
Hennig: In den USA könnte nun bald auch eine Impfkampagne für Kinder ab sechs Monaten beginnen. Die Arzneimittelbehörde FDA hat die Zulassung für den Impfstoff erteilt. Nun untersuchen die Hersteller ja auch weiter die Sicherheit der Impfstoffe. Aber es gibt auch eine deutsche Studie außerhalb dieser Herstellerstudien dazu, nämlich aus den Daten von gut 7.800 off-label Impfungen, die es für Kinder in der Zwischenzeit in Deutschland gegeben hat. Wenn Sie sich das mal angucken und mit dem Sicherheitsprofil im Vergleich mit anderen Impfungen vergleichen, stehen die da auch für sehr kleine Kinder gut dar?
Sander: Ja, also absolut, die steht gut dar. Vor allen Dingen muss man das auch mit anderen impfpräventablen Erkrankungen vergleichen, die man ja Kindern gibt. Aus gutem Grund, weil wir verhindern wollen, dass Kinder solche Infektionskrankheiten im frühen Alter bekommen und vielleicht auch schwer erkranken. Und wenn man sich einfach die Krankheitslast dieser anderen Erkrankungen ansieht, gegen die wir regelhaft impfen, also Röteln und Windpocken und Hirnhautentzündung und so weiter, dann sind natürlich die Todesfälle sehr niedrig. Eben weil wir Impfungen haben.
Und verglichen damit sind Todesfälle oder schwere Krankheitsfälle mit Kindern noch relativ hoch. Und sowohl das Sicherheitsprofil als auch diese Risiko-Nutzen-Abwägung spricht schon dafür, dass, wenn man A sagt, dass man dann auch B sagt. Also wenn wir gegen diese anderen Erkrankungen impfen, weil wir wissen, dass wir damit Todesfälle und Krankheiten verhindern können, dann sollte man konsequenterweise auch gegen diese Erkrankungen impfen, die eben auch präsentabel ist.
Hennig: Man muss aber sagen, ganz vereinzelt hat es Auffälligkeiten gegeben, auch nach der Impfung mit Biontech, mit dem mRNA-Impfstoff bei Kindern. Allerdings konnte man die nicht unbedingt den Impfungen zuordnen.
Sander: Das ist ja ein generelles Problem bei Komplikationen oder möglichen Komplikationen im Rahmen einer Impfung, weil sie Schwierigkeiten haben, eine Erkrankung, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung auftritt der Impfung sicher zuzuschreiben oder eben auch sicher zu der Aussage zu kommen, dass sie eben nicht mit der Impfung im Zusammenhang stehen. Das ist die Unsicherheit, die man hat und dazu braucht man eben deutlich größere Datensätze.
Statistisches Signal
Damit man sieht, es gibt hier statistisch ein Signal, das sich von dem Signal der Hintergrundinzidenz abhebt. Also wie häufig tritt eine Erkrankung in einer bestimmten Altersgruppe auf? Nehmen wir jetzt mal die Herzmuskelentzündung. Wie viele Fälle würden wir erwarten? Und dann in einer Gruppe von Geimpften, wie hoch liegt das über der erwartbaren Zahl?
Und dann geht man bei ausreichender Fallzahl davon aus, dass man da ein Signal hat. Bei den Immunthrombosen, die man zum Beispiel bei den Impfstoffen beobachtet hatte, sah man relativ früh, dass es hier statistisch gesehen ein Signal, eine Häufung gegeben hat. Bei den Impfungen für die Kinder ist es momentan noch relativ früh, um ein solches Signal ausmachen zu können.
Nebenwirkungsprofil Covid-19-Impfstoffe im Vergleich mit anderen Impfungen
Hennig: Aber ganz allgemein gesprochen, nicht nur auf die Kinder bezogen: Wenn man in den Sicherheitsbericht des Paul Ehrlich-Instituts guckt und auch in die Äußerungen, die von dort kommen, dann hört man, dass in den vergangenen Monaten bei den Erwachsenen keine neuen, unerwarteten Ereignisse nach Impfung aufgefallen sind. Man kann also mit Fug und Recht sagen: Das ist ganz gut erforscht. Wie würden Sie allgemein betrachtet das Nebenwirkungsprofil der Covid-19-Impfstoffe mit den Impfungen von anderen impfpräventablen Krankheiten vergleichen?
Sander: Die Covid-19-Impfstoffe schneiden glücklicherweise sehr, sehr gut ab. Wir wissen, dass es bei allen Impfstoffen, die wir haben, in seltenen Fällen zu Komplikationen kommen kann. Das ist ja bei jedem Medikament so, besonders Medikamente, die man injiziert. So, dass es zu Nebenwirkungen, Komplikationen kommen kann, die bei Impfstoffen glücklicherweise sehr, sehr selten sind. Das muss ja auch so sein, weil Sie hier erst mal formal gesunden Personen gegeben werden. Und da schneiden die Covid-19-Impfstoffe im Vergleich sogar noch besser ab.
Daten aus anderen Ländern
Zum Glück haben wir da wieder Daten aus verschiedenen Ländern, die mit unterschiedlichen Systemen die Sicherheit analysiert haben. Und gerne zitiere ich da auch wieder eine Studie, die die israelischen Kollegen gemacht haben. Sie basiert auch auf Krankenkassen-Daten. Man kann sich ansehen, welche Erkrankungen treten denn im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung auf? Und das kann man dann vergleichen mit einer Gruppe von Versicherten, die eben nicht geimpft war in dem Zeitraum.
Und die haben klar dieses Signal für die Myokarditis gesehen, also die Herzmuskelentzündung. Ganz leichte Häufung für Gürtelrose und für die meisten anderen vermuteten Komplikationen haben Sie hier kein Signal gesehen. Und interessanterweise haben Sie das dann noch mal verglichen, was ist denn mit Personen, die im gleichen Zeitraum Covid-19-Erkrankungen haben? Und da sehen Sie eigentlich für alle diese Komplikationen, die es im Rahmen einer Impfung geben kann, meistens ein deutlich stärkeres Signal, das durch die Erkrankung selber ausgelöst wird.
Und von daher haben wir das große Glück, dass wir nicht nur so effektive Impfstoffe haben, die uns so effektiv vor der schweren Erkrankung und dem Tod schützen, sondern dass sie auch sehr, sehr sicher sind. Und die Amerikaner haben unterschiedliche andere Meldesystem oder auch aktive Studien. Und alle diese Datensätze kommen im Prinzip zu dem gleichen Ergebnis, was uns sehr, sehr beruhigt, weil wir eben guten Gewissens empfehlen können, sich zu schützen und dass es Impfstoffe sind, die sehr gut verträglich und sehr sicher sind.
Hennig: Das heißt: Wenn immer wieder Zahlen auftauchen, die sagen, die Nebenwirkungen werden unterschätzt, ist der Hauptirrtum einfach, dass Phänomene auftreten, die unabhängig von der Impfung wahrscheinlich auch aufgetreten wären. Noch eine Nachfrage: Wenn Sie sagen, im Vergleich mit anderen Impfstoffen gegen andere Krankheiten sind die Covid-19-Impfstoffe sehr, sehr gut. Gibt es andere, die schlechter aussehen?
Sander: Also es gibt sicherlich, wenn wir das zum Beispiel mit der alten Pockenimpfung vergleichen, wo ja weltweit die gesamte Bevölkerung geimpft wurde, da gab es sehr viel häufiger Komplikationen, die auch sehr, sehr unangenehm sein konnten - von Vernarbung bis hin zu Gehirnentzündungen. Und auch bei anderen Lebendimpfstoffen kann es in Einzelfällen, wenn das doch eine immungeschwächte Person war, auch zu schweren Verläufen kommen, wenn Sie diesen Impfstoff geben. Die moderneren Impfstoffe sind in der Regel deutlich sicherer.
Schweinegrippe-Impfstoff
Wir hatten das Problem mit diesem Impfstoff gegen die Schweinegrippe, dass es da bei einem Teil von Personen, die eine bestimmte Veranlagung im Immunsystem hatten, eben zu dieser Narkolepsie, also der Schlafkrankheit gekommen ist. Also das gibt immer wieder Komplikationen. Und ich muss ja an dieser Stelle noch mal in aller Deutlichkeit sagen: Auch bei den Impfstoffen kann es zu Komplikationen kommen. Es gibt Menschen, die haben einen Schaden, die haben eine Erkrankung, weil sie sich haben impfen lassen, und die müssen ernst genommen werden, und die müssen ärztlich genauestens untersucht werden. Und die müssen natürlich - je nach Komplikation, die sie erlitten haben -, auch entsprechend behandelt werden.
Zum Beispiel bei der Herzmuskelentzündung oder bei anderen seltenen Komplikationen erfordert das meistens die Fachexpertise der jeweiligen Fachdisziplinen, also sei es die Kardiologie oder bei seltenen neurologischen Komplikationen die Neurologie. Man sollte auf keinen Fall dieses Problem wegwischen, aber man sollte es klar benennen und sagen: "Okay, es ist eine seltene Komplikation und es gibt keine systematische Unterschätzung des Problems". Auf der andern Seite sollte man auch nicht sagen, es gibt überhaupt keine Komplikationen. Und jemand, der sagt, er hat eine Komplikation bildet sich das automatisch ein. Das ist sicher auch falsch.
Hennig: Transparente Kommunikation ist da das wichtige Stichwort. Die politische Stimmung ist im Moment nicht so richtig Pro “Wir sollten noch mal Maßnahmen einführen mit Blick auf den Herbst, um das allgemeine Infektionsgeschehen einzudämmen". Gehen Sie davon aus, dass wir noch mal eine Impfkampagne im Herbst haben werden?
Sander: Ich gehe schon davon aus, dass die Impfungen auch diesen Herbst wieder eine wichtige Rolle spielen werden. Da hatten wir vorhin drüber gesprochen. Schon so, dass eine gezielt eingesetzte Impfkampagne einen guten Effekt auf das Infektionsgeschehen haben kann. Jetzt muss man sich trotzdem ansehen: Was für eine Variante haben wir im Herbst? Da hatten wir auch mit dem Expertinnenrat versucht, verschiedene Szenarien zu skizzieren. Es kann natürlich auch ein Szenario geben, bei dem wir wieder vermehrt Probleme haben. Und da werden die Impfstoffe noch wertvoller werden als wenn wir beispielsweise eine Variante hätten, die zwar viele Infektionen, aber kaum Erkrankungen macht. Da kann man sich überlegen: Brauchen wirklich alle noch mal eine neue Impfung?
Impfinitiative im Herbst
Aber ich bin mir ganz sicher, dass wir eine neue Initiative brauchen werden und dass viele Menschen davon profitieren würden, sich noch mal impfen zu lassen. Ganz klar wieder mit der Einschränkung: Auch diese zusätzliche Impfung wird keinen ewigen kompletten Schutz bieten. Und auf der anderen Seite können wir, die allermeisten von uns, die dreimal geimpft sind und ein gesundes Immunsystem haben, schon relativ sicher davon ausgehen, dass wir vor ganz schwerer Erkrankung und Tod durch eine Erkrankung geschützt sind. Aber im Herbst werden Impfungen und auch andere Maßnahmen sicher wieder relevant werden.