Bundesregierung will Marktmacht der Landwirte stärken
Meist kommt von dem, was an der Ladenkasse für ihre Produkte gezahlt wird, nur ein geringer Teil bei den Landwirten an. Die Bundesregierung will nun die Marktmacht vor allem kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe stärken.
Auf dem Biobetrieb Böse-Hartje im niedersächsischen Thedinghausen gibt es frische Milch, Fleisch, Käse, Wurst und Eier. Die Geschwister Johanna Böse-Hartje und Elisabeth Böse haben den Hof mit knapp 200 Milchkühen jahrzehntelang geführt. Kürzlich haben sie ihn an die nächste Generation weitergegeben. Doch die Situation ist schwierig, vor allem zwischen Hof und Molkerei.
Milchpreise stehen erst nach Wochen fest
"Wir als Biobetriebe bräuchten aktuell 69 Cent pro Liter Milch, die uns die Molkereien zahlen müssten, um alle Kosten zu decken", erzählt Elisabeth Böse. Die Molkerei aber zahlte zuletzt nur 55 Cent - die Lücke von 14 Cent drückt die Wirtschaftlichkeit. An den Preisen ändern könnten sie nichts, sagt die Bäuerin. Denn: Die Bauern lieferten der Molkerei die Milch ohne Verträge - und die Molkerei teile Wochen nach Ablieferung mit, was sie zahlt.
Eine alltägliche Situation vor allem für kleine Betriebe. Tatsächlich beklagen viele Landwirte schon lange, dass sie bei Verhandlungen eine schlechte Position hätten gegenüber den Unternehmen in der Verarbeitung oder gegenüber dem Lebensmittel-Einzelhandel. Das bestätigt auch das Bundeslandwirtschaftsministerium: Oftmals hätten die Landwirte weniger Verhandlungsmacht und damit häufiger das Nachsehen.
Gesetz gegen unlautere Handelspraktiken
Neben Milchviehhaltern sind auch Gemüsebauern betroffen, die ihre Ware direkt an den Handel liefern. Ein Beispiel: Ein Händler bestellt vom Erzeuger 30 Paletten Salat und storniert zehn davon kurzfristig - der Landwirt bleibt auf der Ware sitzen. Die Rede ist von unfairen Handelspraktiken.
Seit Sommer 2021 soll das "Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz" für mehr Fairness sorgen. Es verbietet unfaire Praktiken. Nach einer Evaluierung im Jahr 2023 sieht das Bundesagrarministerium erste Verbesserungen: Unlautere Handelspraktiken seien zurückgegangen, kleine Erzeuger bessergestellt. Das reicht aber nach Ansicht des Ministeriums noch nicht aus. Das Gesetz soll nun nachgeschärft werden.
Bessere Erzeugerpreise für die Landwirte
Supermärkte und Discounter hätten "definitiv" zu viel Marktmacht, kritisiert Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe. Deswegen könnten sie nach wie vor unfaire Handelspraktiken durchsetzen. Benning gehört zur "Initiative faire Preise in der Lebensmittel-Lieferkette", ein Zusammenschluss von Landwirten. Auch Umweltverbände und Vertreter aus der Entwicklungspolitik sind mit dabei.
Tatsächlich beherrschen die vier größten Namen - also Edeka, Rewe, Lidl und Aldi - 85 Prozent des Lebensmittel-Marktes in Deutschland. Die Initiative setzt sich unter anderem für eine bessere Situation kleinerer Milchbauern ein, fordert darüber hinaus mehr: Sie will gesetzliche Regeln für faire Verträge und ein "Gebot für kostendeckende Preise". Damit soll sichergestellt werden, dass Landwirte bessere Erzeugerpreise erzielen.
Handelsbeziehungen unter der Lupe
Doch die Lieferbeziehungen sind komplex. Der Handelsverband Deutschland weist darauf hin, dass direkte Geschäftsbeziehungen zwischen Landwirten und Handelsunternehmen "die große Ausnahme" seien. Und er betont, dass meistens nicht der Handel direkt, sondern Molkereien dazwischengeschaltet sind oder aber andere Nahrungsmittel-Produzenten. Zudem gehe ein großer Teil der landwirtschaftlichen Produkte ins Ausland.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium setzt nun auf mehr Fairness für kleinere Höfe. Unfaire Handelspraktiken sollen weniger werden, außerdem ist geplant, dass die Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien künftig "ausgewogener" gestaltet sind. Das Ministerium hat zudem die Monopolkommission beauftragt, die Handelsbeziehungen nochmal genau unter die Lupe zu nehmen. Die will zunächst noch Daten auswerten, bis zum Ende dieser Legislaturperiode soll es dann eine ausführliche Einschätzung geben.
Verbraucher können kleine Betriebe unterstützen
Auch Verbraucherinnen und Verbraucher können einen Teil beitragen, um kleine Betriebe zu unterstützen: Experten raten dazu, kurze Wertschöpfungsketten zu nutzen. Sprich: Gemüsekisten-Abos nutzen, Einkaufen auf dem Wochenmarkt oder in Hofläden. Eine Möglichkeit, die auch der Biohof Böse-Hartje in Thedinghausen bietet: Einmal im Monat findet dort ein Hofmarkt statt.