Erste Landwirtschaftskoordinatorin als neue Stimme der Bauern
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg leistet sich die Stelle einer Landwirtschaftskoordinatorin. Das ist bislang einmalig in Niedersachsen. Nach den Bauernprotesten sucht Selina Schmid nun das Gespräch mit den Bauern.
Selina Schmid hat sich viel vorgenommen. Die 39-Jährige tourt aktuell durch den Landkreis, stellt sich vor und sucht das Gespräch mit aufgebrachten Bauern, die ihrem Unmut bislang vor allem auf der Straße lautstark Luft gemacht haben. "Ich denke, dass es wichtig ist, vom extremen Denken zurückzukommen. Ich sehe mich als Initiatorin, als jemanden, der Brücken baut, der Kommunikation anstößt und vorantreibt und hier im Haus mit der landwirtschaftlichen Brille auf die Dinge guckt", sagt Schmid.
Wie wird man Landwirtschaftskoordinatorin?
Schmid ist am Bodensee aufgewachsen, hat in Hamburg Sinologie und Rechtswissenschaften studiert und in China und Berlin gearbeitet. Ihre Liebe zu Tieren und der Natur bringt ihr bisheriges Leben ins Wanken: "Dann habe ich ein Sabbatjahr gemacht, bin von Hof zu Hof gegangen, habe dort gearbeitet. Dort habe ich die Energie gespürt. Das hat mich beflügelt." Gesagt, getan: An ihr schon aufwendiges Studium hängt sie eine Ausbildung zur Landwirtin und drückt in dieser Zeit mit potenziellen Hoferben die Schulbank.
Wandel mit der Landwirtschaft gestalten
Die Landrätin Dagmar Schulz nennt sie eine "Anwältin der Landwirtschaft" in ihrer Behörde. Allein 50 Prozent der Fläche im Kreis würden landwirtschaftlich genutzt. So ein wichtiger Wirtschaftszweig brauche eine eigene Stimme: "Wie können wir Wandelprozesse gut gestalten mit der Landwirtschaft, die ja durch viele Rahmenbedingungen sehr belastet ist? Wie kann man die unterstützen und wie kann man einen Interessenausgleich hier im Haus erreichen. Dafür ist diese Stelle da."
Arbeit mit viel Konfliktpotenzial
Die Reibungsflächen in der Landwirtschaft sind groß - ob beim Wassermanagement oder beim Naturschutz, ob bei sozialen oder ökologischen Debatten. Schmid will nicht nur zuhören und Kritik weiterreichen, sondern eigene Ideen entwickeln, für Fördermöglichkeiten für Modellprojekte zum Beispiel: "Es gibt Dinge in der großen Politik, die kann ich voranbringen über den Landkreistag. Der Bürokratismus ist ein Thema. Was können wir vor Ort besser machen, zum Beispiel bei Anträgen für eine Betriebserweiterung?" Mit dem Bauamt Kontakt aufnehmen, notwendige Genehmigungsverfahren unterstützen, auch darin sieht sie ihre Aufgabe: "Ich glaube, dass das strukturell so ist, dass die Landwirtschaft nicht gesehen wurde in den letzten Jahren. Diese existenzielle Unsicherheit, das macht was mit den Menschen."
Was denken Bauern über Landwirtschaftskoordinatorin?
Schmid hat sich beim Vorsitzenden des Bauernverbandes Lüchow-Danneberg, Adolf Tebel, vorgestellt. Dieser zögert noch, was er von der Idee halten soll: "Ob wir sie brauchen, kann ich Ihnen in ein paar Jahren sagen. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass wir eine Person haben, die vermitteln kann, die auch die Landwirte zusammenbringt." Pia Ramp vom Maschinenring Lüchow klingt zuversichtlicher. Es gebe schon viele Gesprächsrunden und Arbeitskreise. Oft würden die Dinge in Diskussionen allerdings verschwimmen. Niemand sei konkret zuständig. Das sei nun anders: "Für den Maschinenring und den Bauernverband ist es jetzt schön, eine Verbindung zu den Behörden zu haben. Wir sind gespannt, es ist ja alles noch sehr frisch", sagt Ramp.
Wandel in der Landwirtschaft
Schmid hat sich zum Ziel gesetzt, den Wandel in der Landwirtschaft mit moderaten Tönen bestmöglich zu unterstützen. Die anderen 36 Landkreise in Niedersachsen, die noch keine spezielle Koordinierungsstelle eingerichtet haben, werden dies bestimmt genau verfolgen.