Alternativer Kraftstoff: "Klimadiesel" aus altem Speisefett
Rund 14 Millionen Diesel-Fahrzeuge gibt es in Deutschland. Eine Alternative zum Umstieg auf E-Mobilität ist das Tanken von umweltschonendem Kraftstoff aus altem Speisefett. In Hamburg wird an einem Verfahren geforscht, das eine regionale Verarbeitung ermöglicht.
Im Restaurant "Fisch & Feinkost Thiele" in Neumünster wird das Fett aus der Fritteuse von einem Entsorgungsunternehmen abgeholt. "Bei uns bekommt ihr euer Fett weg" steht groß auf dem LKW. Die Mitarbeiter holen Speisereste aus Imbissbetrieben, Kantinen und Restaurants in ganz Norddeutschland ab. "Unser Ziel ist es, dass wir die gesammelten Altspeisefette an unserem Standort verarbeiten und für unsere eigene Flotte nutzen können, um CO2-neutral zu fahren", erklärt Tobias Krümmel von dem Unternehmen "Krebs Brüggen Sekundärrohstoffe".
Weil es bisher nur großindustrielle Anlagen im Ausland gibt, die aus altem Fett Diesel machen, liefert das Entsorgungsunternehmen aus Großenaspe im Kreis Segeberg einen Teil der Fette an die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. Dort wird seit fünf Jahren an der Entwicklung einer effektiven, kleinen Anlage geforscht.
"Klimadiesel" soll vor Ort produziert und verbraucht werden
"Wir wollen mit unserem dezentralen Konzept verhindern, dass Abfälle über weite Strecken transportiert werden müssen", erklärt Professorin Anika Sievers, die das Projekt leitet. "Unsere Anlagen sollen am Ort der Entstehung aufgestellt werden, damit die abfallbasierten Kraftstoffe an Ort und Stelle erzeugt und verbraucht werden können." Die Herstellung sei CO2-neutral und verbrauche kaum Strom.
Neun Ingenieure entwickeln die Anlage. Das Verfahren: Die Kohlenwasserstoff-Moleküle des Fetts werden in einem Reaktor bei rund 400 Grad "gecracked", also gespalten. So entsteht Bio-Rohöl. Dem wird in einem zweiten Schritt im Labor der restliche Sauerstoff entzogen, wodurch reine Kohlenwasserstoffe entstehen - sogenannter Klimadiesel - mit dem sich konventionelle PKW-Motoren betanken lassen. Nächstes Jahr will die HAW ihre erste Anlage bauen und die Produktion von "Klimadiesel" so regional vereinfachen.
ADAC: "Klimadiesel" ist verträglich für Fahrzeuge
"Diese Kraftstoffe sind technisch absolut verträglich", sagt Rainer Pregla vom ADAC Schleswig-Holstein, der den Einsatz verschiedener alternativer Kraftstoffe getestet hat. "Am Markt herrscht aber Verunsicherung, weil viele Auto-Hersteller die Freigaben noch nicht erteilt haben", erläutert der Experte. Ein Grund hierfür ist, dass Bio-Diesel noch nicht die deutsche Dieselkraftstoffnorm erfüllt. In anderen europäischen Ländern sei Bio-Diesel ähnlicher Art bereits Standard, so der ADAC.
Erste Tankstellen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein bieten bereits "Klimadiesel" an. Dieser wird den Betreibern zufolge gut angenommen, obwohl der Preis höher und der Kauf mit etwas Bürokratie verbunden ist.
Umweltschützer: "Klimadiesel" ist sinnvoll, aber nicht die Lösung
Umweltschützer halten den Kraftstoff aus Pflanzenfett grundsätzlich für sinnvoll. "Er kann auf jeden Fall einen Beitrag dazu leisten, die Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren", sagt Ulf Neuling, Kraftstoff-Experte des Think Tanks "Agora Verkehrswende". Er bezweifelt aber, dass die globale Verkehrs- und Umweltkrise mit Bio-Diesel gelöst werden kann. Das meint auch Alexandra Kruse, Sprecherin des ADAC Niedersachsen. Dafür sei er noch zu teuer. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass die Grundstoffe für die Biodiesel-Produktion auch in Zukunft in ausreichender Menge vorhanden sei.