Abstimmung im Bundestag: Vor allem Erleichterung im Norden
Nach einer langen und hitzigen Debatte im Bundestag ist die Union mit ihrem "Zustrombegrenzungsgesetz" gescheitert. Unter Politikerinnen und Politikern im Norden herrscht überwiegend Erleichterung.
„Ich bin froh, dass uns ein Gesetz erspart geblieben ist, das überhaupt nur mit Unterstützung der AfD eine Chance gehabt hätte", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Damit ende eine Woche, "in der unsere Demokratie erhebliche Belastungen hat aushalten müssen".
Es müsse künftig wieder gelingen, auch über schwierige Themen wie Migration verantwortungsbewusst zu debattieren, betonte Weil. "Es ist Aufgabe der demokratischen Parteien, gemeinsam eine Migrationspolitik zu entwickeln, die humanitären Ansprüchen ebenso genügt wie dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung."
"Friedrich Merz lässt sich nicht belehren. Er sollte sich schämen, immer weiter nach rechts zu gehen und die AfD hoffähig zu machen", sagte der niedersächsische Fraktionsvorsitzende der Grünen, Detlev Schulz-Hendel.
Schwesig: "Merz hat viel verbrannte Erde hinterlassen"
Mit der Ablehnung des umstrittenen Migrationsgesetzes im Bundestag sei Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz aus Sicht von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) mit Ansage gescheitert.
"Er hat viel verbrannte Erde hinterlassen. Wir brauchen jetzt Lösungen in der Sache", sagte Schwesig. Dazu gehöre die Umsetzung der neuen europäischen Asylpolitik zur besseren Steuerung und Begrenzung der Migration durch Asylverfahren an den EU-Außengrenzen.
CDU-Landeschef Daniel Peters betonte hingegen, SPD und Grüne seien nicht bereit, den dringend notwendigen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik mitzutragen. "Ihnen ist der Wille der großen Mehrheit der Menschen egal. Sie teilen deren Sorgen nicht."
SPD und Grüne seien der Meinung, wenn man aufhöre, über ein Problem zu sprechen, dann höre es auch auf zu existieren, warf der CDU-Politiker der Gegenseite vor. "Beide Parteien sind weit weg von der Lebensrealität der Menschen."
Günther: Keinen Schritt weiter im Kampf gegen AfD
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte, dass er den Gesetzentwurf der Union in der Sache für richtig halte. Es wäre seiner Meinung nach jedoch wichtiger gewesen, sich im Bundestag zu verständigen. "Denn ich glaube nicht, dass man heute im Kampf gegen die AfD, in dem wir sie klein bekommen wollen, einen Schritt weiter gekommen ist."
Bei aller Erleichterung darüber, dass es heute keinen Beschluss gegeben habe, der sich auf die Stimmen der AfD gründet, sei er enttäuscht darüber, "dass es heute auch zwischen den demokratischen Parteien nicht gelungen ist, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen".
Midyatli: Proteste haben offenbar Wirkung gezeigt
Die Landesvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein Serpil Midyatli sagte: "Der Aufschrei und die Proteste der Zivilgesellschaft der letzten Tage über den Dammbruch bei der CDU haben offenbar Wirkung gezeigt."
Merz habe sich "absolut verzockt und ist in der Sackgasse gelandet", so die SPD-Landeschefin. "Er hat den Geist aus der Flasche gelassen." Er sei sogar bereit, "unsere Demokratie zu verraten, um Kanzler zu werden".
SH-Linke: "Antidemokratischer Tabubruch"
Cornelia Möhring, Bundestagsabgeordnete der Linken aus Schleswig-Holstein sprach von einem "Schaden für die Demokratie". Merz bezeichnete sie als "politischen Hasardeur und Brandstifter".
"Die Parlamentswoche wird in die Geschichte eingehen als historische Rechtsrolle des deutschen Nachkriegs-Konservatismus", so die Linken-Politikerin. Für ein paar erhoffte Prozentpunkte im Wahlkampfendspurt strecke CDU-Kanzlerkandidat Merz den "Demokratiefeinden mit rechtswidrigen Asyl-Vorschlägen die Hand aus". Dass FDP und BSW diesen "antidemokratischen Tabubruch" unterstützen spräche Bände.
Stefan Seidler, Bundestagsabgeordneter vom SSW betonte, dass heute kein Tag zum Jubeln sei. "Die Debatte hat gezeigt, wie fragil unsere Demokratie ist. Das darf nie wieder passieren."
Özoguz: "Wir haben tief in einen Abgrund geschaut"
Die Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz (SPD) zeigte sich nach der Abstimmung erleichtert: "Wir haben heute tief in einen Abgrund geschaut." Es sei um ein Sicherheitsgesetz gegangen, "dass man gemeinsam mit Rechtsextremen durchsetzen möchte. Das hat uns schon allen den Magen umgedreht". Sie hoffe, dass alle Demokraten wieder ordentlich miteinander sprechen.
Die CDU im Bundestag habe einen rechtswidrigen Beschluss auf den Weg gebracht, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). "Das ist einfach ein Dammbruch."
AfD: "Merz haben die eigenen Leute gefehlt"
Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Till Steffen (Grüne) sprach von einem "großen Fehler" von Friedrich Merz zusammen mit der AfD symbolische Mehrheiten herzustellen. "Symbolisch, weil dieser Gesetzentwurf ja eh nie in Kraft getreten wäre, weil er im Bundesrat keine Mehrheit gehabt hätte."
Friedrich Merz hätten die eigenen Leute gefehlt, sagte der AfD-Bundestagsabgeordnete Bernd Baumann. "Scheinbar hat die Ansage von Angela Merkel den Ausschlag gegeben, dass einige CDU-Abgeordnete dem nicht gefolgt sind." Das sei eine Beschädigung für Merz "und das ist auch ein Zeichen, dass mit der Union in Sachen Migrationsbegrenzung nichts zu gewinnen ist".
Tausende demonstrieren gegen AfD und Kurs der Union
Am Mittwoch hatte der Bundestag einen Antrag der Union zu einem Fünf-Punkte-Plan zu einer schärferen Migrationspolitik mit einer knappen Mehrheit mit Stimmen von AfD, FDP und Fraktionslosen gebilligt.
Tausende Menschen gingen daraufhin bundesweit gegen die AfD und den Kurs der Union auf die Straße. In Hamburg bildeten Demonstrierende am Freitag eine Menschenkette um das Rathaus.