(57) Coronavirus-Update: Goldstandard bleibt der PCR-Test
Patienten sollen sich im Wartezimmer untereinander nicht mit dem Coronavirus anstecken, sagt Gesundheitsminister Jens Spahn. Deshalb setzt er auf Fieberambulanzen für die kalte Jahreszeit. Als Anlaufstelle für alle mit SARS-CoV-2 oder Grippe-Symptomen.
Jens Spahn hat zudem eine neue Teststrategie angekündigt und eine weitere Zahl genannt. Ein Drittel aller Tests auf das Virus in Deutschland, so hieß es, sind in den vergangenen vier Wochen gemacht worden. Deshalb wird in dieser Folge des Podcasts mit Sandra Ciesek, der Leiterin der Virologie an der Uniklinik Frankfurt, vor allem über Diagnostik geredet. Was für Tests gibt es auf das Coronavirus? Was können sie? Was nicht?
Die zentralen Fragen der Folge im Überblick
Sind Fieberambulanzen ein guter Plan?
Können Stuhlproben auch aussagekräftig sein oder enthalten sie nur inaktives, totes Virusmaterial?
Korinna Hennig: Das Infektionsgeschehen hat innerhalb der letzten Woche an Dynamik zugenommen. Von der Lage in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien und Spanien ist Deutschland noch immer weit entfernt. Das muss gesagt werden. Allerdings hat das Robert Koch-Institut am Wochenende die höchste Zahl an Neuinfektionen seit April gemeldet. Hat Sie das zum jetzigen Zeitpunkt überrascht? Ging das schneller als erwartet?
Sandra Ciesek: Ich denke, da ist es im Nachhinein immer einfach zu sagen, das habe ich so erwartet. Ich denke schon, dass das, was wir jetzt sehen, nicht ganz unerwartet ist. Der Herbst kommt näher, es wird kälter. Auch andere Erkältungsviren, respiratorische Viren, treten häufiger auf, wie das Rhinovirus. Trotzdem weiß niemand hundertprozentig, wie es weitergeht. Das ist reine Spekulation.
Hennig: Wir wollen uns die Möglichkeiten ansehen, die dem Labor und der Medizin zur Verfügung stehen, um Infektionen aufzuspüren. Wir wollen über Tests reden heute. Natürlich spielen da auch Testzentren eine Rolle. Wenn der Gesundheitsminister nun von Fieberambulanzen spricht, dann klingt das erst mal gut. Manche kennen solche ähnlichen Einrichtungen auch aus dem Frühjahr. Das ist aber auch eine Kapazitätsfrage. Sie arbeiten viel mit dem Gesundheitsamt in Frankfurt am Main zusammen und haben einen Einblick in strukturelle Gegebenheiten. Ist das auf den ersten Blick ein guter Plan? Oder sagen Sie: Na ja, so einfach ist das alles nicht, wie sich das auf dem Papier anhört.
Ciesek: Wir haben hier in Hessen diese Abstrichzentren. Generell finde ich das eine gute Idee für den Herbst und Winter. Ich finde den Namen nicht ganz so passend oder treffend, weil nicht jeder Fieber haben muss. Und das suggeriert, dass nur jemand mit Fieber in diese Ambulanz gehen kann. Das soll natürlich nicht so sein. Das finde ich nicht so gelungen. Aber ich denke, es macht Sinn, dass es spezielle Einrichtungen gibt, wo diese Patienten mit respiratorischen Infekten sich vorstellen können, weil sie zum einen die Hausärzte entlasten könnten und zum anderen müssen sich die Patienten, die wegen anderer Gründen zum Hausarzt gehen wollen, nicht sorgen, sich im Wartezimmer anzustecken. Deswegen finde ich die Idee an sich sehr gut.
Man muss schauen, wie das in jedem Bundesland zu regeln ist. Ich habe auch gestern gelesen, dass überlegt wurde, ob man da einen Antigentest macht und dann zum Beispiel nach 15 Minuten dem Patienten Bescheid sagen kann, ob er SARS-CoV-2-positiv ist und dann im Nachhinein eine PCR zu machen. Da bin ich nicht dafür, muss ich sagen. Weil bei symptomatischen Patienten möchte ich schon die Diagnose genau wissen. Da gehen wir später noch darauf ein, was Antigentests für Schwächen haben. Ich stelle mir das dann schwierig vor, stellen Sie sich vor, da ist jemand mit Symptomen. Der ist im Antigentest negativ, denkt dann, er hat Rhinoviren oder irgendwelche anderen Viren, geht wieder nach Hause und wird nach ein paar Tagen doch schlechter von der Symptomatik, stellt sich im Krankenhaus vor. Und dann gibt es Verwirrung, dass der ja negativ getestet war, muss man den jetzt noch mal testen? Oft ist auch gerade im weiteren Verlauf die Diagnostik nicht einfacher, weil die Viruslast dann nicht mehr so hoch ist oder sie muss nicht mehr so hoch sein. Und dann spielt auch das Immunsystem und die Reaktion des Immunsystems eine Rolle. Deswegen finde ich bei symptomatischen Patienten sollte man möglichst die richtige Diagnose mit einem sensitiven Test, also mit der PCR haben, um das ganze Drumherum nicht zu erschweren.
Wir hatten auch Patienten hier am Uniklinikum, die schon zwei, drei Wochen krank waren und dann hierherkamen, wo die PCR immer negativ war und man erst im Nachhinein festgestellt hat oder zum Beispiel durch radiologische Aufnahmen, durch Untersuchungen, wenn die verstorben waren, in einer Obduktion, dass die infiziert waren. Deswegen würde ich da eher von abraten. Ambulanzen speziell, die darauf ausgerichtet sind, sich um diese Patienten zu kümmern, finde ich sehr gut, wenn die Diagnostik schnell ist. Aber hier würde ich PCR bevorzugen.
PCR-Test, Antikörpertest, Antigentest
Hennig: Wie das sein kann, dass ein Test negativ ausfällt, obwohl ein Patient infiziert ist, darauf kommen wir gleich noch mal. Wir sind jetzt eingestiegen in die Begrifflichkeiten. Das Wissen über das Virus und die Virologie wächst mit der Pandemie. Manche Begriffe benutzen wir alle jetzt mittlerweile schon ganz selbstverständlich. PCR-Test, Antikörpertest, Antigentest, die letzten beiden klingen ähnlich, meinen aber unterschiedliche Dinge. Lassen Sie uns das mal ein bisschen sortieren. Es gibt den direkten Virusnachweis und den indirekten. Und für den direkten haben Sie es erwähnt, gilt der PCR-Test als Goldstandard, wie die Virologen sagen. Was für Möglichkeiten gibt es noch?
Ciesek: Also direkt bedeutet, dass man das Virus direkt nachweisen will. Indirekt bedeutet, dass Sie nachweisen wollen, dass der Patient mal Kontakt zu diesem Virus hatte. Ein direktes Verfahren ist dieser berühmte PCR-Test, aber auch einen Antigentest. Also wenn Sie Proteine vom Virus nachweisen, ist das ein direkter Virusnachweis. Dann gibt es noch Verfahren wie die Elektronenmikroskopie. Viren sind ja ganz, ganz klein und man kann sie durch ein Lichtmikroskop nicht sehen. Deshalb braucht man ein Elektronenmikroskop, um sie wirklich zu sehen. Das haben natürlich nicht viele Labore. Das gibt es an Universitätskliniken, aber das ist sehr eingeschränkt, da muss man sehr viel Erfahrung mit Elektronenmikroskopie haben. Und dann gibt es noch die Anzucht. Das heißt, man versucht, dieses Virus zu isolieren. Dafür braucht man bei Viren immer eine Zelle. Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel und können sich nicht allein vermehren. Das macht sie zu sogenannten Schmarotzern. Also sie brauchen uns und nutzen unsere Zellen und Bestandteile unserer Zelle, um sich zu vermehren.
Hennig: Anders als Bakterien zum Beispiel.
Ciesek: Genau, das ist der große Unterschied. Viren sind immer in den Zellen und wenn Sie eine Virus-Anzucht machen wollen, das machen in Deutschland nur die großen Virologien, die ein sogenanntes S3-Labor haben. Das ist ein spezielles Sicherheitslabor mit einem gewissen Sicherheitsstandard. Also es gibt S1, S2, S3, S4. S4 ist die höchste Sicherheitsstufe. Das gibt es zum Beispiel in Marburg oder Hamburg, wenn man mit Ebola arbeiten will. S3 ist schon direkt darunter. Da muss man, wenn man da arbeiten will, sich umziehen, spezielle Schutzkleidung tragen. Und da ist so ein Unterdruck im Labor, da möchte man auch nicht den ganzen Tag verbringen, es ist nicht angenehm zu arbeiten.
Und wenn Sie zum Beispiel eine Probe von einem Patienten nehmen und die anzüchten wollen, dann braucht man erst mal Zellen. Dafür nimmt man meistens Tumorzelllinien, die sich immer vermehren, sodass man damit gut im Labor arbeiten kann. Dann muss man die aussäen in so Platten. Dann kann man das Patientenmaterial nehmen und auf diese Zellrasen geben. Und dann muss man eine ganze Weile warten. Und da sehen Sie auch schon das Problem der Anzucht. Das dauert leider Tage bis Wochen. Es kommt sehr auf den Erreger an. Man muss bis zu einer Woche warten, um wirklich zu sagen, eine Probe ist negativ oder lässt sich nicht anzüchten. Und dann gibt es verschiedene Möglichkeiten zu zeigen, dass die Zellen infiziert sind. Das Einfachste ist, dass das Virus die Zellen einfach umbringt, also dass es zu einem Zerstören der Zellen kommt und dass Sie dann zum Beispiel die Viren nachweisen können mittels PCR oder anderer Methoden. Und was es noch gibt, ist die Sequenzierung. Wir sequenzieren viele dieser Viren, die wir isoliert haben. So nennt man das, um zu gucken, ob sich die genetische Information der Viren irgendwie verändert.
Das wird auch in den Virologien durchgeführt, natürlich in Berlin am meisten, in Düsseldorf, in Frankfurt. Man sieht aber, was für ein Aufwand dahinter steckt. Das können Sie an einzelnen Proben gut machen. Aber damit können Sie keine Millionen Menschen testen pro Woche. Das dauert erstens einfach sehr, sehr lange. Zweitens brauchen Sie speziell geschultes Personal. Da darf auch gar nicht jeder rein in ein S3-Labor. Und wenn man eine Woche oder so warten muss, bis man ein sicheres Ergebnis hat, dann ist das für die Diagnostik dieser Erkrankung SARS-CoV-2 viel zu spät.
Direkter und indirekter Virusnachweis
Hennig: Sie haben es eben schon gesagt, der direkte Virusnachweis ist unmittelbar, wenn die Infektion stattfindet. Und wenn jemand Kontakt zum Virus hatte, kann man das später über Antikörpertests nachweisen. Entscheidend ist aber, hier wird kein Abstrich im Rachen gemacht oder im Speichel, sondern es braucht einen Tropfen Blut oder Blutserum.
Ciesek: Genau, das ist der große Unterschied. Wenn sich jemand nicht sicher ist, was der Arzt macht, wurde jetzt das Virus nachgewiesen oder vielleicht Antikörper, dann können Sie das daran erkennen, welche Probe der Arzt genommen hat. Bei dem indirekten Nachweis von Antikörpern benötigen wir Blut oder Serum, also den flüssigen Bestandteil. Und dann können wir verschiedene Tests durchführen, sogenannte ELISA-Tests zum Beispiel. Die sind auch automatisiert mittlerweile und können die Antikörper bestimmen. Und der Goldstandard hier ist der sogenannte Neutralisationstest. Das ist aber auch wieder ein Test, wo Sie ein S3-Labor benötigen, weil Sie das ähnlich machen, wie ich eben erzählt habe, diese Anzucht oder Isolation von Viren, dass Sie wieder Zellkultur brauchen, dass Sie eine Infektion herbeiführen mit einem Virus, was Sie vorher isoliert haben.
Und dann geben Sie von dem Patienten das Serum dazu. Dann kann man sehen, ob die Zellen infiziert werden oder nicht. Also wenn die Zellen infiziert werden, obwohl das Serum von Patienten anwesend war, dann spricht das dafür, dass keine neutralisierenden Antikörper vorhanden sind. Wenn aber das Serum bewirkt, dass die Zellen nicht mehr zu infizieren sind im Labor, dann spricht das dafür, dass der Patient neutralisierende Antikörper hat.
Hennig: Die verhindern, dass die Zelle das Virus aufnehmen kann.
Ciesek: Genau.
Ciesek: Genau, diese Antikörperschnelltests sind leider nicht so genau, dass sie sich zum Beispiel eignen würden für einen Immunitätsnachweis. Das wurde, ich glaube, im April gefordert, ob man nicht so einen Pass ausstellen sollte. Und jeder, der Antikörper hat, kriegt einen Pass. Da hat man jetzt mittlerweile gelernt, dass das nicht sinnvoll ist. Ich habe auch gerade gesehen, der Ethikrat hat gerade eine Stellungnahme rausgegeben.
Hennig: Gerade heute.
Ciesek: Er lehnt das ab, was sicherlich sinnvoll ist, weil wir sehen, dass das nicht gut korreliert. Und dass die Tests, also diese automatisierten Tests, nicht so genau sind, als dass Sie für ein Individuum eine Aussage treffen können. Das ist eher, wenn Sie große Studien machen, also 10.000 oder 100.000 Menschen testen auf Antikörper und dann sagen wollen, wie die Durchseuchung ist. Da ist das nicht ganz so relevant, wenn der Test nicht hundertprozentig richtig ist. Aber fürs Individuum ist das schon relevant, weil der wissen will, bin ich geschützt oder nicht. Das können wir so mit einem dieser kommerziellen Antikörpertests nicht sagen. Wir zum Beispiel in Frankfurt, wir führen immer zwei Tests durch. Wir machen eine Kombination aus zwei Antikörpertests, dadurch können Sie auch die Spezifität erhöhen.
Hennig: Spezifität noch mal zur Erklärung, ist die Frage, ob ein Test tatsächlich auf das konkrete Virus beziehungsweise auf die konkreten Antikörper gegen das Coronavirus anspringt und nicht auf andere.
Ciesek : Ja, wir können noch mal die Begriffe kurz erläutern. Das geht immer sehr durcheinander. Sensitivität heißt, dass der Test korrekt positiv ist. Das heißt, er erkennt, dass jemand wirklich infiziert ist.
Hennig: Oder war, im Fall von Antikörpertests.
Ciesek: Genau. Spezifität heißt, dass der Test einen Nicht-Infizierten auch korrekt negativ macht.
Wichtig: ein gründlicher Nasen-Rachen-Abstrich
Hennig: Das führt uns zu der Frage, was für eine Rolle der Abstrich für den direkten Nachweis spielt, also den unmittelbaren Nachweis durch einen PCR-Test. Viele, die schon mal so einen Test haben machen lassen, wissen, dass so ein Abstrich im Nasen-Rachenraum oder im Rachenraum nicht ganz simpel ist. Da muss man genug Material auf dem Tupfer haben. Diese Angaben zur Sensitivität von PCR-Tests, ist da ein möglicher Fehler bei der Abnahme des Abstrichs schon einberechnet?
Ciesek: Nein, in der Regel nicht. Man muss erst mal sagen, das ist auch eine Schwierigkeit überhaupt bei dieser Erkrankung. Wir nehmen ein Nasen-Rachen-Abstrich und so ein Abstrich ist von vielen, vielen Faktoren abhängig. Zum Beispiel welches Abstrichbürstchen Sie nehmen, da gibt es unterschiedliche Qualitäten. Ich weiß noch, als im April alle Materialien eng waren, da haben wir jeden Abstrichtupfer und jedes Abstrichröhrchen genommen, das wir bekommen haben. Da gibt es aber unterschiedliche Qualitäten. Es gibt einfach so Watteabstriche, dann gibt es extra sogenannte Phlox-Swaps. Die nehmen deutlich mehr Material auf und sind besser geeignet.
Dann gibt es verschiedene Transportmedien, in denen der Abstrich transportiert wird. Das hat auch Einfluss auf das Ergebnis. Es kommt auf die Technik vom Abstreicher oder Untersucher an, wie gut das gemacht ist. Wie viele Zellen hat der aufgenommen. Wie dann die Probe gelagert wurde, zum Beispiel. Also hat der Arzt die in die Sonne gelegt und da ein paar Stunden liegen lassen oder ist die Probe gekühlt worden. Und dann ist beim Rachenabstrich sicherlich auch möglich, dass der Erreger ungleichmäßig in der Probe verteilt ist. Das ist ein bisschen anders, als wenn Sie Blut oder Serum untersuchen. Wenn der Arzt Blut abnimmt und dann das Serum untersucht, das ist relativ definiert. Da können Sie genau sagen, ich nehme zehn Milliliter Blut ab oder ich brauche zwei Milliliter Serum. Und bei Abstrichen ist das nicht so homogen. Und das spielt alles auch für den Test eine Rolle.
Hennig: Aber im Blut lässt sich ein Direktnachweis nicht führen, sondern nur dann wiederum auf Antikörper?
Ciesek: Für SARS-CoV-2 ist das nicht möglich. Also bei ganz Schwerkranken, die auf Intensivstation liegen, gibt es Einzelberichte, dass man das Virus gefunden hat. Aber in der Regel ist das bei leicht symptomatischen Patienten, die ambulant sind, nicht der Fall.
Speicheltest für Zuhause
Ciesek: Da forschen, glaube ich, ganz viele dran, inklusive uns. Ich finde das ganz wichtig, dass man evaluiert, geht ein Selbstabstrich. Das hat erst mal enorme Vorteile. Sie brauchen weniger Fachkräfte und weniger Schutzkleidung für die Fachkräfte. Sie können theoretisch mehr Tests durchführen, weil ein Nadelöhr wegfallen würde. Und, das ist nicht zu unterschätzen, das Ansteckungsrisiko ist viel geringer, wenn die Patienten sich selbst abstreichen könnten und zu Hause bleiben könnten und dann ihre Proben einfach vor die Tür legen und die dann durch einen Fahrdienst abgeholt werden.
Das hat schon enorme Vorteile, es schont auch den öffentlichen Gesundheitsdienst. Das Personal ist ja auch begrenzt. Deshalb gibt es viele Bestrebungen, dass man da andere Materialien sucht, die jeder Mensch selbst abnehmen könnte. Es gibt zum Beispiel in "Jama Open" eine Studie, die ist im Juli erschienen, aus den USA. Die haben Nasenabstriche untersucht. Also nicht, dass man durch die Nase bis in den hinteren Rachen geht, sondern, dass man aus dem mittleren Nasenbereich einen Abstrich nimmt. Das haben sie an 185 Menschen untersucht. Die waren aber symptomatisch, das waren keine asymptomatischen Patienten. Deswegen sind die Resultate nicht unbedingt übertragbar auf alle Personen, sondern das galt für die symptomatischen. Die hatten einen Nasopharyngeal-Abstrich bekommen und haben das verglichen mit einem Selbstabstrich der mittleren Nase und haben gesagt, dass wenn die Viruslast hoch ist, waren die Resultate, die die PCR ergab, vergleichbar. Allerdings muss man sagen, dass wenn die Viruslast nicht hoch war, beziehungsweise der Ct-Wert über 33 in dem Fall war, dann waren die oft falsch-negativ. Da sieht man wieder den Unterschied, dass es sehr darauf ankommt, wie die Viruslast ist. Und was man einschränkend bei der Studie sagen muss, dass sehr viele Teilnehmer aus dem Gesundheitswesen waren. Also von den 185 arbeiten 158 im Krankenhaus oder im Gesundheitswesen und waren deshalb keine Laien. Und das muss man auch bedenken. Und ein Unterschied war auch, dass die Proben dann eingesammelt wurden und oft der Selbstabstrich erst am nächsten Tag durchgeführt wurde. Also nicht am gleichen Tag wie der Abstrich des Arztes. Deshalb muss man bei der Studie sagen, das ist ein interessanter Ansatz, das kann funktionieren. Die Frage ist nur, wie ist es wirklich bei echten Laien? Und wie ist es, wenn jemand wirklich asymptomatisch, präsymptomatisch ist, im Gegensatz zu denen, die hier untersucht wurden, die schon Symptome hatten, also funktioniert es dann auch.
Hennig: Wobei noch nicht ganz klar ist, nach meinem Kenntnisstand, ob asymptomatische oder präsymptomatische Fälle nicht trotzdem eine vergleichbare Viruslast haben. Also die Frage ist in beide Richtungen offen, oder?
Ciesek: Genau, auf jeden Fall. Aber Selbsttests will man auch bei Leuten durchführen, die keine Symptome haben. Deshalb muss man das auch bei denen natürlich einmal zeigen. Dann gibt es noch im "New England Journal" eine Arbeit aus dem August, ebenfalls aus den USA. Die haben Speichel verglichen mit Nasopharyngeal- oder Oropharyngeal-Abstrichen, also durch die Nase oder durch den Mund jeweils den Rachen abzustreichen. Da waren interessanterweise auch Personen dabei, die keine Symptome hatten. Die waren aber auch meistens Mitarbeiter vom Krankenhaus, sodass hier die gleichen Limitationen wieder gelten, dass das keine echten Laien waren. Die haben zum einen Patienten verglichen, die im Krankenhaus waren, also Symptome hatten. Da waren auch Leute dabei, die keine hatten, aber auch knapp 500 Mitarbeiter vom Krankenhaus haben sich alle drei Tage testen lassen. Und da haben sie dann im Speichel von 13 Personen, die keine Symptome hatten zum Zeitpunkt der Probennahme, SARS-CoV-2 finden können. Und von den 13 Personen hatten auch neun dann gleichzeitig in dem Nasopharyngeal-Abstrich ebenfalls SARS-CoV-2 am gleichen Tag.
Hennig: Also ein relativ gutes Ergebnis für den Speicheltest.
Ciesek: Genau. Es ist auch beschrieben, wie die das gemacht haben. Sie haben das morgens gemacht. Sie haben vorher nichts gegessen, nichts getrunken, nicht Zähne geputzt. Und das ist so ein bisschen mein Problem dabei, die nehmen dann Urinbecher. Die kennt man vielleicht vom Arzt, wenn man eine Urinprobe abgibt. Und die sind gar nicht so klein, das sind so 125 bis 150 Milliliter. Und die sollten ein Drittel dieses Bechers füllen, also knapp 40 bis 50 Milliliter. Das ist gar nicht so wenig, wenn man morgens aufsteht und nichts getrunken und gegessen hat, erst einmal 40 bis 50 Milliliter Speichel zu produzieren.
Ein Urinbecher voll Speichel
Hennig: Man braucht viel Spucke.
Ciesek: Genau, das stelle ich mir ein bisschen zeitaufwendig und gar nicht so banal vor. Das ist das eine Problem. Das andere Problem ist im Labor. Also wenn ich an mein Labor denke, meine MTA würden mich erschlagen, wenn wir nur noch Urin-Pöttchen bekommen würden, weil das sehr viel Platz wegnimmt. Wir haben im Labor Ständer, wo die Abstrichröhrchen reinpassen, aber Urinbecher sind viel größer. Und wenn Sie überlegen, am Tag tausend von diesen Urinbechern, dann müssen die unter eine Sicherheitswerkbank passen, weil wir arbeiten im Labor mit solchen Sicherheitswerkbänken, wenn wir die Proben öffnen, die kriegen Sie da gar nicht runter. Und das ist logistisch und vom Aufwand schwieriger, als diese Abstrichröhrchen.
Dann haben Sie oft das Problem, gerade wenn Sie morgens noch nichts gegessen, getrunken haben, ist der Speichel manchmal zäh und lässt sich gar nicht so gut pipettieren bei uns. Und manchmal schäumt der dann auch. Und das kann dann auch wieder Probleme machen bei den Tests. Und was auch einschränkend zu sagen ist, diese Menge, die sie da verwendet haben in dem "New England"-Paper, also ein Drittel eines Bechers, das kann ich mir zum Beispiel bei Kindern gar nicht vorstellen, dass die das schaffen, so eine große Menge an Speichel, ohne zu trinken, dann abzugeben.
Hennig: Ist genau dieser Zeitpunkt am Morgen relevant? Weil Sie sagten, morgens nichts gegessen, nichts getrunken, nicht Zähne geputzt. Weil dann müsste man im Zweifel auch warten, während ich einen Rachenabstrichen irgendwann am Tag machen kann.
Ciesek: Das ist korrekt. Erst mal ist es so, dass zum Beispiel durch Zähneputzen oder Essen, die PCR gestört werden kann. Das kann dazu führen, dass die inhibiert, dass die nicht funktioniert.
Hennig: Also gehemmt wird.
Ciesek: Genau, dass die Enzyme, die da drin sind, nicht mehr richtig arbeiten können und dass man dann gar kein Ergebnis behält. Und wenn man morgens noch nichts gegessen, getrunken hat, das ist so ein bisschen wie wenn Sie eine Urinprobe beim Arzt abgeben. Da sagt man auch, man soll den Morgenurin abgeben. Also dass man möglichst repräsentatives Material hat und nichts verdünnt hat und sich davon erhofft, dass das bessere Ergebnisse liefert. Und das Positive dieser Studie ist auch, die Sensitivität von Speichel, wie die das gemacht haben in der Studie, war genauso gut wie der Abstrich. Also es funktioniert schon, aber es ist, wenn man jetzt alles mit Speichel machen würde, auch nicht einfach. Also muss man das auch mit dem Labor besprechen.
Was aber auch ein Vorteil der Studie ist, dass die gesehen haben, dass Speichel als Material weniger Schwankungen in der PCR zeigt wie der Nasopharyngeal-Abstrich. Und das ist ein häufiges Problem, das wir sehen, wenn wir zum Beispiel mehrere Nasopharyngeal-Abstriche von Patienten kriegen über die Zeit, also zwei, drei am Tag über mehrere Tage, dass man schon sieht, dass die CT-Werte sehr schwanken können. Das liegt dann wieder an so Dingen wie welches Röhrchen, welcher Tupfer wurde benutzt und wer hat den Abstrich gemacht. Das ist bei Speichel ein wenig mehr standardisiert, wenn Sie genau festlegen, wie das passieren soll.
Hennig: Zur Erklärung des Ct-Werts, da kommen wir gleich auch noch mal drauf, was genau das bedeutet. Aber vorher noch einmal zum Verständnis: das was die Leute so aus einem Fernsehkrimi kennen, also einfach so einen Wattetupfer in der Wange und da ein bisschen Speichel abstreichen, das würde definitiv nicht ausreichen für so einen Speicheltest?
Ciesek : Nein, das haben wir versucht, diesen Wangenabstrich, und der war nicht sensitiv genug. Also was es noch gibt, das habe ich jetzt auch noch gefunden, das war eine ältere Studie, die gar nicht mit SARS-CoV-2 in Zusammenhang steht, und zwar ist die aus 2017, also gar nicht so alt, aber vor SARS-CoV-2. Und die haben mal geschaut, wie ist es denn mit gurgeln? Ist gurgeln möglich oder ergibt das Sinn als Alternative zu einem Rachenabstrich. Und die haben über 16.000 Proben untersucht und haben aus diesen 16.000 Proben immerhin 79 Patienten gehabt, die haben zeitgleich Gurgelwasser und einen Rachenabstrich abgegeben und weitere dann innerhalb von drei Tagen.
Und diese 79 Patienten wurden dann untersucht und verglichen, was da rauskam. Und da gab es Erreger, die häufigsten waren Influenza A und B und RSV, aber auch Coronaviren waren dabei. Und denen ist aufgefallen, von diesen 79 waren acht nur im Rachen positiv und im Gurgelwasser negativ, wobei da bei der Hälfte der Ct-Wert über 35 war, was bedeutet, dass die Viruslast sehr niedrig war. Und 18 von diesen 79 waren nur im Gurgelwasser positiv und waren im Abstrich negativ. Und da war der Ct-Wert über 29, also auch relativ hoch. Und das zeigt, dass das eine Alternative ist auf jeden Fall, also beide Methoden haben Vor- und Nachteile, muss man sagen.
Hennig: Je höher der Ct-Wert, das sage ich noch mal an dieser Stelle, desto geringer die Viruslast, weil man das genau andersherum denken muss.
Ciesek: Ich denke, bei Patienten, wo ein Abstrich aus anatomischen Gründen nicht so einfach ist, ist es eine gute Idee oder gute Alternative, auch Gurgelwasser oder Speichel zu nehmen. Es gibt einfach Menschen, die sich nicht gut abstreichen lassen, da kann man zum Beispiel den weichen Gaumen nicht sehen, wenn sie den Mund öffnen. Das werden Anästhesisten gut kennen. Da gibt es so eine Mallampati-Klassifikation. Anästhesisten schauen einem immer, wenn man irgendwann mal eine Narkose bekommt und intubiert werden muss, einmal in den Rachen oder in den Hals und schauen, wie weit kann man da einsehen. Deswegen werden die das gut kennen. Das ist natürlich jetzt nicht das Gleiche.
Aber wenn Sie in den Hals schauen als Abstreicher und nicht den weichen Gaumen, nur den harten Gaumen sehen können, also nicht tief reinschauen können, sind das meistens Patienten, wo man nicht so richtig gut abstreichen kann. Oder wenn die Nase sehr eng ist, also dass man mit dem größeren Tupfer da gar nicht durchkommt bis an die Rachenhinterwand. Bei denen macht das sicherlich Sinn, zusätzlich auch Speichel oder Rachenspülwasser einzuschicken, um eine sichere Diagnose zu haben.
Stuhlproben für Virusnachweis
Hennig: Wir haben im Podcast in der Vergangenheit auch schon über Stuhlproben gesprochen. Gerade bei sehr kleinen Kindern ist das mit dem Abstreichen eine schwierige Sache. Können die auch aussagekräftig sein oder enthalten Stuhlproben nur inaktives, totes Virusmaterial?
Ciesek: Das ist eine gute Frage, das hängt sehr von dem Zeitpunkt ab, wann man abstreicht. Man kann das Virus im Stuhl sehr lange nachweisen, länger als meistens im Rachen, über viele Wochen sogar. Das haben wir schon bei den ersten Patienten aus Bayern von Herrn Drosten gesehen, in der Studie. Es gibt auch einzelne Fälle, bei denen das infektiös sein kann. Aber als generelles Screening ist das meistens nicht sinnvoll. Also es kommt immer ein bisschen auf das Ziel an, das Sie verfolgen. Wenn Sie unbedingt eine Diagnose sichern wollen, um noch mal an den Anfang zu kommen, das Beispiel, Sie haben einen Patienten, der vielleicht in der zweiten, dritten Krankheitswoche ist, dann geht es ihm schlechter, er kommt in die Klinik und Sie finden das Virus nicht mehr im Nasopharyngeal-Bereich, also im Rachen. Dann haben wir auch schon gesagt, schick uns mal Stuhlproben oder einen Abstrich, und haben dann die Diagnose gesichert, weil das wichtig ist zu wissen, für den Patienten und für die Behandlung, welches Virus oder ob ein Virus ihn krank gemacht hat. Generell sind Stuhlproben im Labor nicht ganz einfach zu händeln. Da muss man auch ein bisschen an die Labormitarbeiter denken, das ist auch häufiger inhibiert, also dass die PCR hemmt und es ist nicht so einfach zu verarbeiten für die MTA, es braucht viel mehr händische Aktivitäten, sage ich mal, als wenn Sie einen Abstrich haben.
Hinweise aus dem Abwasser
Hennig: Beim Stichwort Stuhlproben, wenn wir jetzt einmal ganz kurz nicht auf die individuelle Diagnostik gucken, sondern auch auf das, was man über das Infektionsgeschehen wissen möchte, also wie verbreitet ist das Virus tatsächlich in der Bevölkerung, auch mit Blick auf Herbst und Winter. Sie haben mit Ihrem Team auch in der Frage geforscht, ob man aus dem Abwasser Hinweise ablesen kann. Also wo viele Infizierte sind, da kann man das Virus auch in der Kanalisation nachweisen und gucken, wo stehen wir in diesem Landkreis gerade? Wie weit ist die Forschung da? Ist das tatsächlich so ein Anzeiger oder bringt das nicht so viel?
Ciesek: Doch, das haben wir zusammen mit Kollegen aus Aachen gemacht. Im April, als gerade Nordrhein-Westfalen sehr betroffen war und viele Infektionen hatte, haben die für uns neun Abwasseranlagen untersucht, über Nordrhein-Westfalen verteilt, und uns Abwasserproben nach Frankfurt gebracht. Und wir haben dann gesehen, dass das korreliert. Also die Menge an Viren, die wir in dem Abwasser finden beziehungsweise die Menge an PCR oder an Genmaterial, korrelierte mit der Anzahl der Infektionen in dem Landkreis. Aber da muss man ganz klar sagen, wir haben nicht gefunden, dass das infektiös wäre. Das ist immer ganz wichtig zu betonen. Dass man sich darüber infiziert, halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Wir haben versucht, dieses Virus anzuzüchten, aber das ist uns nicht gelungen. Es handelt sich wahrscheinlich um kleine Genabschnitte, die noch vorhanden sind im Abwasser, aber die waren zum Glück nicht infektiös.
Hennig: Also zur epidemiologischen Überwachung geeignet, aber darüber hinaus kein Grund zur Sorge, um es mal zusammenzufassen.
Ciesek: Genau.
Hennig: Wir haben jetzt diese verschiedenen Möglichkeiten der Abstriche betrachtet. Unterm Strich steht für mich die Erkenntnis, PCR und Rachen- und Nasen-Rachen-Abstrich bleiben trotzdem der Goldstandard. Das ist so ein schönes Wort. Wenn wir den PCR-Test näher betrachten, über den wird immer sehr viel diskutiert, auch was die Genauigkeit angeht, Stichwort Sensitivität, Spezifität. Was für Anbieter sind da überhaupt im Moment auf dem Markt? Womit arbeiten die Diagnostiker? Kommerzielle, nichtkommerzielle Tests? Und wie unterscheiden sich die?
Ciesek: Fast jeder Anbieter von Diagnostika hat mittlerweile seine eigene PCR, sein eigenes Testset, und die sind sehr unterschiedlich. Also jede Firma designt sich den Test selbst. Und in der Regel werden zwei Gene nachgewiesen, also zwei verschiedene Abschnitte von dem Genom, von dem Erbmaterial von SARS-CoV-2, manchmal sogar drei. Die können natürlich unterschiedlich sein. Es gibt dann immer eine Packungsbeilage zu dem Test. Die sind alle natürlich geprüft, getestet und haben oft ein CE-Label. Und wenn Sie so eine neue PCR einführen in Ihrem Labor, also wenn ich jetzt sage, ich möchte von der Firma XY diese PC ausprobieren, ist es meine Verpflichtung bevor ich die anwende als Diagnostikum, dass ich die im Labor validiere. Das bedeutet, ich muss die austesten mit Proben, wo ich das Ergebnis schon kenne und muss da sowohl positive als auch negative Proben testen und erst mal zeigen, dass ich das richtige Ergebnis erzeuge. Das muss ich auch genau dokumentieren und vorlegen können. Und dann würde ich erst diese PCR benutzen dürfen, um sie als Diagnostikum anzuwenden. Und was ich generell noch mal zu PCR-Tests sagen wollte, das ist jetzt nichts Neues für uns, sondern das ist eine Diagnostik, wie wir sie in der Virologie, in der Mikrobiologie seit vielen, vielen Jahren nutzen und die als Goldstandard dient. Sie hat einfach den Vorteil, dass sie sehr schnell ist, sehr, sehr sensitiv ist und uns unabhängig macht von dieser Anzucht, die einfach sehr kompliziert ist, manchmal gar nicht möglich ist und viel zu lange dauern würde. Und dann kommt oft dieses Argument, das ist ja nur eine Besiedlung und nicht eine Infektion, die man damit nachweist. Ich glaube, da muss man noch mal kurz erklären, was ist eigentlich eine Normalflora.
Normalflora des Körpers
Den Begriff kennt man vor allen Dingen aus der Mikrobiologie. Das ist so, wir sind nicht alleine, die ganze Körperoberfläche, die Kontakt mit der Außenwelt hat, ist besiedelt mit vor allen Dingen Bakterien. Aber auch mit Hefepilzen zum Beispiel oder mit apathogenen, also nicht krankmachenden Parasiten. Man geht davon aus, dass auf dem Körper die Außenfläche mit zehn hoch 14 bis zehn hoch 15 Bakterien besiedelt ist, ohne dass uns das krank macht – im Gegenteil. Die Zusammensetzung dieser Bakterien, also diese Normalflora ist abhängig von der Genetik, vom Alter, Geschlecht und wo wir wohnen, aber auch von unserer Ernährung. Und das beginnt schon direkt nach der Geburt, also im Geburtskanal der Mutter. Wenn das Baby geboren wird, kriegt es die erste Normalflora sozusagen zugeteilt. Und im Rachen zum Beispiel finden wir ganz unterschiedliche Bakterien, die Streptokokken oder Staphylokokken, aber auch Hefen können da vorkommen, ohne dass das irgendeinen Krankheitswert hat. Der Sinn dahinter ist, dass uns diese Normalflora schützt vor krankmachenden Bakterien, indem sie als Platzhalter dienen. Also die machen es den anderen krankmachenden Erregern schwieriger, sich einzunisten. Deswegen ist eine Normalflora erst mal nichts Schlimmes. Aber, und das muss man ganz klar sagen, Coronaviren gehören nicht dazu. Die sind nicht Bestandteil der Normalflora und die gehören da nicht hin, genauso wie Influenzaviren. Und das ist, glaube ich, was manchmal so ein bisschen durcheinandergeht. Also Coronaviren und andere Viren müssen sich auch in den Zellen vermehren, was wir am Anfang gesagt haben, und sind nicht Teil der Normalflora von Bakterien oder Pilzen.
Hennig: Das heißt, wenn man sie nachweist, dann ist das schon ein Hinweis darauf, dass man mehr oder weniger infiziert ist.
Ciesek: Genau, es ist ein Hinweis, dass man infiziert ist. Es ist kein Hinweis, dass man ansteckend ist oder dass man dadurch krank wird. Das muss man auch betonen. Ob dieses Virus, tot oder lebend ist, ist eigentlich der falsche Ausdruck, weil ein Virus nicht lebt, aber ob es nur Fragmente sind oder ein vollständiges Virus, was infektiös ist, das können wir damit nicht sehen, aber es gehört da einfach nicht hin.
Hennig: Sie haben vorhin erwähnt, es wird auf unterschiedliche Gene, in der Regel auf zwei getestet in der PCR. Das macht man deshalb, falls eins schon kaputt ist, um einen sicheren Nachweis zu haben, um es mal hemdsärmelig zu formulieren.
Ciesek: Ja, zum Beispiel, auch um die Sicherheit zu erhöhen. Wenn man auf zwei Gene testet, das macht man auch bei verschiedenen Erkrankungen, bei HIV zum Beispiel auch oft, dann erhöht sich die Sicherheit, dass der Test auch wirklich nicht falsch-positiv ist, weil Sie zwei unabhängige Tests oder zwei unabhängige Gene nachweisen. Dadurch erhöht sich die Richtigkeit dieser Tests.
Bedeutung des Ct-Werts
Hennig: Es geht bei der PCR darum, in mehreren hintereinander ablaufenden Zyklen das Erbgut des Virus zu vervielfältigen, um es sichtbar zu machen, richtig?
Ciesek: Genau, das wurde in den 80er-Jahren entwickelt. Von dem Kollegen Kary Mullis aus den USA. Der hat dafür auch 1993 den Nobelpreis bekommen für Chemie. Man braucht dafür die Probe, man brauche ein Enzym, die sogenannte Polymerase. Man braucht Nukleotide, das sind kleine Abschnitte oder einzelne Fragmente dieser Gene.
Hennig: Bausteine von Nukleinsäure? Kann man das sagen?
Ciesek: Ja, zum Beispiel. Und man braucht sogenannte Primer, das sind ganz kurze Stücke, die synthetisch hergestellt werden, ebenfalls aus DNA, die dann den Abschnitt definieren, den man vermehren will von dem Virus zum Beispiel, dadurch wird das definiert. Dann mischt man das alles zusammen. Dann gibt es einen Wechsel zwischen erhitzen der Probe und wieder abkühlen, das sind diese Zyklen. Und dieser Ct-Wert, der heißt cycle treshold, das ist praktisch die Menge der Zyklen, die man braucht, um ein positives Ergebnis zu haben und um einen Nachweis des Virus zu haben. Deshalb ist es so, wenn der Ct-Wert niedrig ist, heißt das, dass wir schon sehr früh, also nur sehr wenige von diesen Zyklen brauchen, um das Virus sichtbar zu machen. Das heißt, es ist viel da. Und wenn der Ct-Wert hoch ist, bedeutet das, wir brauchen ganz viele Runden in der PCR, um überhaupt Viren zu finden. Und dann ist die Viruslast in der Regel niedriger. Das ist eine gute Orientierung. Die Ct-Werte sind aber untereinander nicht unbedingt vergleichbar, weil das nur innerhalb eines Systems vergleichbar ist. Ich kann meine Ct-Werte nicht mit einem anderen Test vergleichen, nicht mit einem anderen Gen, was ich nachweise, und auch eigentlich nicht mit einem anderen Labor direkt, was zum Beispiel einen anderen Test anwendet.
Hennig: Also man kann nicht sagen, bei Ct-Wert 30 ist immer die Schwelle erreicht, wo man sagt, ein Test gilt als positiv?
Ciesek: Nein, das kann man leider nicht sagen. Dafür bräuchte man einen Standard. Man müsste einen definierten Standard haben, wo man weiß, wie viel Viren da drin sind. Und dann könnte man eine Verdünnung machen. Dann könnte jedes Labor diesen Standard nehmen und überprüfen, wo der Zeitwert in ihrem Test liegt, der nicht mehr relevant ist. Also man müsste sich eine Schwelle überlegen und sagen, 10.000 Viren oder 100.000 Viren, da drunter wollen wir sagen, spielt das keine Rolle mehr. Dann muss das Labor sich sozusagen auskalibrieren und schauen, welchem Ct-Wert das bei denen entspricht.
Hennig: Nun spielt dieser Ct-Wert aber eine große Rolle, auch bei der Frage, gibt es Falsch-Positive, also die Frage, wie viel Viruslast wird nachgewiesen, im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Verkürzung von Isolierungszeiten, Abklingzeiten. Vor drei Wochen war das Thema. Spielt das auch eine Rolle? Also kann man Leute freitesten, kann man sagen, wir können hier zwar ein bisschen Virusmaterial nachweisen, aber die Schwelle ist noch nicht erreicht, wo wir sagen, das ist infektiös. Wo stehen wir da? Gibt es da Anhaltspunkte für die Laborärzte zu sagen, das ist zwar jetzt kein Falsch-Positiver, aber das ist jemand, der nicht rumläuft und viele andere anstecken kann.
Ciesek: Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Frage, habe ich gerade heute Morgen mit einem Kollegen aus der Klinik diskutiert. Da kommt es sehr darauf an, wie viel wissen wir über den Patienten? Der hatte einen Patienten, der war Anfang August positiv getestet worden, hatte eine Infektion und soll jetzt in die Klinik kommen und hat ein Ct von 35 nach sechs Wochen oder so später. Das ist eine völlig andere Situation, als wenn ein Patient kommt, der seit heute Morgen Symptome hat und Ct von 35 hat. Das kann man nicht über einen Kamm scheren. Bei dem ersten Fall von dem Kollegen hätte ich überhaupt kein Problem, weil wir eigentlich nach sieben bis zehn Tagen die Viren nicht mehr schaffen anzuzüchten. Also das, was wir am Anfang gesagt hatten, dass wirklich ein vollständiges Virus vorliegt, was in der Zellkultur infektiös ist, das schaffen wir so sieben bis zehn Tage und danach nicht mehr, wenn die Patienten nicht symptomatisch sind. Deshalb hätte ich bei dem Patienten, der keine Symptome hat und mal vor sechs Wochen eine Infektion hatte und jetzt noch so Reste an Genschnipseln hat, hätte ich überhaupt kein Problem damit und halte den nicht für infektiös. Wenn der aber ganz frisch erkrankt ist und infiziert ist, dann spielen noch diese ganzen anderen Faktoren eine Rolle. Wie gut war der Abstrich? Und zum Beispiel auch, wie gesagt, der Ct-Wert kann sehr schwanken. Wenn der heute 35 ist und der Patient gerade erst am Anfang der Erkrankung steht, kann der auch morgen 20 sein. Das schwankt schon sehr. Deswegen muss man diese beiden Fälle komplett trennen. Und man muss auch sagen, dass bei dem ersten Fall, der ist nicht falsch-positiv, der ist ja positiv, aber es ist nicht klinisch relevant, so würde ich das bezeichnen.
Falsch-positive Befunde sehr selten
Man muss dann vielleicht auch mal sagen, wie kommt es überhaupt zu falsch-positiven Befunden? Dazu muss ich sagen, dass die sehr selten sind. Wenn man sich die Befunde anguckt, die wir rausgeben, sind falsch-positive selten. Es kann mal passieren, dass es zu einer Kontamination kommt. Das ist auch in den USA mal durch die Presse gegangen. Da tun wir aber viel im Labor, um das zu verhindern. Gerade im PCR-Bereich sind die Mitarbeiter speziell trainiert. Und da sind in dem Lauf, den sie machen, also in dem PCR-Lauf ist nicht eine Probe, sondern in der Regel 50, manchmal 80, 90 Proben und in jedem Lauf haben Sie Kontrollen. Da ist immer eine Positiv-Kontrolle, wo Sie wissen, dass die positiv ist, und eine Negativ-Kontrolle dabei. Und diese Kontrollen können Sie sogar für einzelne Schritte mitführen. Also ob zum Beispiel die Extraktion, also der erste Schritt der PCR auch geklappt hat. Das führt dazu, dass das extrem selten ist. Selbst wenn der Test ein positives Ergebnis rauskriegt, Sie aber 90 Proben haben und alle positiv sind, würde spätestens dann die MTA oder der Arzt eingreifen und sagen, der Lauf muss wiederholt werden, das kann nicht stimmen.
Das ist ein bisschen der Unterschied zwischen der analytischen Spezifität und der klinisch-diagnostischen Spezifität. Das sind zwei wirklich unterschiedliche Dinge, da zwischen dem Lauf der PCR und der Befundung noch ganz viele Schritte stehen. Und das ist jetzt vielleicht nicht ganz passend, aber ich möchte mich bei allen MTA bedanken, die seit Februar diese Tests durchführen, oft sieben Tage die Woche, die einfach eine wahnsinnige Leistung vollbringen für uns und denen eigentlich viel zu wenig gedankt wird. Die machen einen tollen Job. Und die sind wirklich darauf trainiert, dass solche Fehler nicht passieren. Und dann gibt es noch den Unterschied zwischen einer technischen und medizinischen Validation. Technische Validation macht zum Beispiel die TA. Die schaut bei einem positiven Ergebnis, ob die Nukleinsäure im Probenmaterial identifiziert wurde, also die, die sie suchen, und keine Kreuzkontaminationen nachweisbar ist.
Hennig: Mit anderen Viren.
Ciesek: Genau und alle erforderlichen Kontrollen korrekt ausgefallen sind. Erst dann gibt sie in der technischen Validation ein positives Ergebnis raus, genauso negativ. Negativ gibt es eigentlich bei PCR nicht, sondern es heißt immer: unter der Nachweisgrenze. Das heißt, dass die Nukleinsäure, diese spezifische, nicht gefunden wurde in der Probe, aber genauso, dass es keine Inhibition der Reaktion geben durfte durch zum Beispiel geeignete Kontrollen. Und dass auch alle anderen Kontrollen, insbesondere die Positivkontrolle, korrekt positiv ausfällt, weil wenn Sie zum Beispiel einen Lauf haben, wo die Positivkontrolle auch negativ ist, dann können Sie den Lauf nur wiederholen. Und das wird regelmäßig auch gemacht und das ist die sogenannte technische Validierung. Dann gibt es noch die medizinische Validierung, die in der Regel der Arzt durchführt. Da gibt es eine Plausibilitätsprüfung, so nenne ich das immer, also passt der Befund zum klinischen Kontext und auch den Vorbefunden, die wir oft von den Patienten haben. Dann fließt natürlich das Ergebnis dieser technischen Validierung mit dazu. Schließlich wird dann auch eine Interpretation des Befundes, also eine Beurteilung, erhoben.
Hennig: Das heißt, dieser statistische Wert der Vortest-Wahrscheinlichkeit, der immer wieder kritisch angemerkt wird, in Bezug auf die Spezifität der PCR-Testung, der ist für Sie aus der Praxis betrachtet ein rein rechnerischer Wert auf dem Papier, den Sie aber zum Beispiel in Ihren Studien und in der täglichen Probenarbeit in der Praxis so gar nicht wiederfinden können.
Ciesek: Genau. Also der ist natürlich wichtig zu wissen, weil der mit der Qualität der PCR zusammenhängt. Wenn die schlecht ist, die Spezifität und Sensitivität, würde ich mich nicht für so einen Test entscheiden, sondern würde einen Hersteller nehmen, wo die besser ist. Man muss ihn auch immer bei der Interpretation zum Schluss beachten. Aber der ist natürlich nur ein ganz kleiner Teil unserer Arbeit im Labor. Und ich denke, was man noch sagen muss, zum Beispiel beim Ct-Wert gibt es eine Kurve, die ansteigt und irgendwann positiv wird. Und diese Kurve, die kann man sich im Labor anschauen und da sieht man auch schon dran, ist das wirklich positiv? Oder ist das zum Beispiel nur eine Zackenlinie, die einmal diese Linie überschritten hat? Und das passiert zum Beispiel, wenn Sie Material einsetzen, was sehr viel schäumt, dann kann das ein unruhiges Signal geben und dann detektiert vielleicht die Maschine positiv. Aber dann guckt die TA oder der Arzt auf die Kurven und sagt: "Ach, das ist gar nicht echt." Also da wird noch viel korrigiert. Und immer wieder kritisiert oder benutzt wurde dafür dieser INSTAND-Ringversuch. Da muss man sagen, ein Ringversuch hat eine ganz andere Funktion, als eine Spezifität für einen Test zu bestimmen. Und zwar ist das so ein Zwischen-Laborvergleich zur Qualitätskontrolle von Externen.
Hennig: INSTAND, muss man vielleicht mal dazu sagen, ist ein Verein, ein gemeinnütziger Verein, der diese Qualitätssicherung für Labore durchführt standardmäßig.
Ciesek: Genau. Und dazu sind wir auch verpflichtet, wenn wir akkreditiert sind, und das sind fast alle Labore oder viele Labore. Dann macht man in der Regel zweimal im Jahr so einen Ringversuch. Den machen wir nicht nur für SARS-CoV-2, sondern für alle Viren, die wir diagnostisch detektieren. Das sind dann Proben, die INSTAND vorbereitet, die charakterisiert sind, wo bekannt ist, was da drin ist und gefunden werden soll und die dann einheitlich an Labore gegeben werden. Und wie gesagt, das ist kein genereller Rückschluss auf den Test, sondern nur eine indirekte Bewertung des Tests, es dient dazu, die Labore zu beurteilen. Das heißt, wenn ich als Labor den Ringversuch nicht bestehe, weiß ich, ich muss noch mal an mir arbeiten und muss mir zum Beispiel einen anderen Test aussuchen. Oder irgendetwas stimmt nicht mit meiner Methode. Und gerade dieser Ringversuch für SARS-CoV-2, der war im April, also relativ früh, und der hat gar nicht den Einfluss von der sogenannten Pre- oder Postanalytik oder medizinischen Validation überprüft. Sie mussten gar nicht einen Befund erstellen und interpretieren oder man hat verglichen, welche Abstriche benutzt wurden, sondern es ging nur um diese technische Durchführung der PCR.
Kontrolle der PCR
Hennig: Ich muss eine Nachfrage trotzdem noch mal zu den Befunden erstellen, weil dieses Thema so wichtig ist und so viel diskutiert wird. Sie hatten vorhin gesagt, wenn wir uns unsere Befunde angucken, die wir rausgeben, dann sind da sehr wenige Falsch-Positive darunter. Woher wissen Sie das genau? Wie prüfen Sie die Befunde eigentlich, bevor Sie die rausgeben. Gibt es da noch einen nachträglichen Kontrollmechanismus?
Ciesek: Ja, zum Beispiel haben wir, was wir gesagt haben, zwei Gene oder drei Gene, die wir nachweisen. Wenn man dann zum Beispiel eine Probe hat, wo das eine Gen negativ ist, das andere Gen hat einen ganz hohen Ct-Wert von 37, 38, dann würden wir daraus nie einen positiven Befund machen, weil dann guckt man sich das an und sagt: "Das könnte was sein. Bitte schicken Sie uns einen neuen Abstrich." Und man würde dann, wenn der in einer Klinik liegt, sagen: "Schickt uns einen neuen Abstrich, lasst den Patienten solange isoliert, aber wir müssen erst mal klären, ob das stimmt." Und dann stellt man fest, dass viele von denen sich gar nicht noch mal als positiv herausstellen bei dem neuen Abstrich und dass zum Beispiel auch gar nicht die Symptome oder so passen. Und das ist dann die Kontrolle, die wir noch durchführen. Also wir sprechen auch mit den Kollegen und führen dann zusammen aus, ob das wahrscheinlich ist. Und ich habe noch ein anderes Beispiel zur PCR, weil ich mich immer sehr wundere, dass die PCR so kritisch gesehen wird in der Öffentlichkeit. Und ich finde das immer sehr schade, weil eigentlich die PCR eine sehr sensitive Methode ist. Das ist jetzt nicht perfekt, das Beispiel, aber ich denke, es lässt die Leute vielleicht ein bisschen nachdenken.
Also wenn ich an den Blutspendedienst oder den Blutspender denke, da werden die Blutspender alle getestet im Pool auf HIV, HCV, HBV. Und wenn eine Blutkonserve positiv wäre auf HIV, dann würde in der PCR, das ist auch ein PCR-Verfahren, würde ja niemand diese Blutkonserve einem Patienten geben. Und sicherlich muss dieser Spender jetzt nicht AIDS haben. Also wissen Sie, was ich meine? Das heißt ja nicht, dass die PCR falsch ist, sondern man kann diese Viren nachweisen, ohne dass man immer das komplette Bild der Erkrankung haben muss, also in dem Sinne AIDS oder Covid-19 und intubiert und beatmet sein muss. Trotzdem kann man infiziert sein, aber vielleicht einfach dadurch einen sehr milden Verlauf oder sogar asymptomatisch sein.
Gründe für falsch-negative Proben
Hennig: Und gerade, wenn man noch einmal über Zeiten nachdenkt, die sich Leute dann isolieren sollen und diese Zeiten vielleicht reduziert, dann wird die Auswirkung von solchen Grenzfällen im gesellschaftlichen Leben und im Privatleben vielleicht gar nicht mehr so groß sein. Wir haben schon ganz kurz über Sensitivität gesprochen. Da müssen wir noch ein Thema kurz abhandeln, falsch-negative Proben, auch das gibt es ja. Welche Faktoren führen dazu, wenn doch eigentlich die Sensitivität sehr hoch ist, also die Empfindlichkeit des Tests, einen Infizierten tatsächlich auch als solchen zu erkennen?
Ciesek: Da gibt es verschiedene Gründe für falsch-negative Tests. Zum Beispiel, Sie haben einfach zu früh getestet. Also stellen Sie sich vor, Sie hatten gestern Kontakt mit jemandem mit SARS-CoV-2, der positiv ist, und rennen heute sofort zum Arzt. Dann wäre das zu früh. Und dann könnte der falsch-negativ sein, obwohl Sie sich vielleicht gestern bei dem Kontakt infiziert haben. Der Test wäre aber erst nach ein paar Tagen positiv. Dann gibt es technische Probleme, dass die Probe zu lange unterwegs war oder schlecht gelagert wurde. Dann ist ein großes Problem, wie der Abstrich durchgeführt wurde. Da haben wir schon viel darüber gesprochen, wenn Sie keinen adäquaten Abstrich durchführen, zu wenig Material haben, ein schlechtes Abstrichbürstchen haben oder wenn Erregermaterial sehr ungleich verteilt ist, das kann alles dazu führen, dass es ein falsch-negatives Ergebnis gibt.
Hennig: Wissen Sie aus der Praxis mittlerweile was über den bestmöglichen Zeitpunkt im Infektionsverlauf für eine PCR? Auch da hat es Metastudien zu gegeben, die verschiedene Studien ausgewertet haben, weil Sie gerade sagten, ich habe mich vielleicht gestern erst infiziert. Wir wissen aber, dass ein bis zwei Tage vor Symptombeginn die Viruslast wahrscheinlich am höchsten ist. Kann man da so ungefähr einen Anhaltspunkt haben oder ist das auch noch völlig offen?
Ciesek: Ja, man sagt, um den Symptombeginn ist es am besten zu testen. Aber das ist auch sehr schwer, das genau festzulegen, weil Sie das eigentlich erst im Nachhinein wissen, wann denn der Symptombeginn war. Aber es ist sicherlich so, dass um den Symptombeginn, also zwei Tage vorher, zwei Tage danach, die Viruslast am höchsten ist. Dann würde man einfach sagen, “Kommen Sie in zwei Tagen wieder“, und führt noch mal einen Test durch. Das ist auch der Sinn von diesen Antigentests, dass man zwar eine niedrigere Sensitivität hat, das heißt, der erkennt nicht jede Viruslast, aber durch die hohe Frequenz und Schnelligkeit können Sie das ausgleichen. Da ist ein bisschen die Idee hinter diesen Antigentests und deren Einsatz. Und wie gesagt, ich finde ihn nicht ganz ideal für symptomatische Patienten, weil da will ich wirklich ein sensitives Verfahren haben. Aber für asymptomatische zum Beispiel, die ihre Oma im Altenheim besuchen wollen und einfach ein bisschen mehr Sicherheit haben wollen, oder auch bei der Problematik der Reisenden, finde ich das eigentlich eine ganz gute Lösung, solche Tests zu verwenden.
Antigentests als schnelle Alternative
Hennig: Die sind auch in der Diskussion im Zusammenhang mit größeren Veranstaltungen im Kulturbereich zum Beispiel. Da auch noch mal zur Erklärung. Der Antigentest weist nicht das Erbgut des Virus nach, sondern das Protein auf der Virushülle.
Ciesek: Genau. Und ja, mit den Veranstaltungen, ich glaube, das würde gehen. Ich glaube nur, dass so mein Gefühl ist, auch nach den ersten Tagen in unserer Studie, dass Sie immer, wenn Sie einen Antigentest machen, irgendeinen Prozess oder eine Anbindung brauchen an jemanden, der dann schnell eine PCR durchführen kann. Auch diese Tests können falsch-positiv sein und wenn Sie den Test zu Hause machen, ohne Kontrolle, ohne Begleitung, würde das dazu führen, dass einige vielleicht Angst kriegen, nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, an wen sie sich wenden sollen. Ich glaube, wenn man diese Tests zu Hause macht, dann muss es ganz klar eine Telefonnummer oder Kontaktadresse geben, wo man, wenn der positiv ist, sich schnell hinwenden kann und wo schnell, möglichst am gleichen Tag, eine PCR durchgeführt wird. Das wäre so für mich jetzt das Ideal, um diese Tests einzusetzen.
Hennig: Sie haben gerade auf Ihre Studie angespielt. Da geht es um eine Studie mit Lehrern, die sich selbst testen mit Antigentests. Ist das so eine Erfahrung, die Sie gemacht haben tatsächlich, dass Lehrer verunsichert sind, weil sie dann ein positives Testergebnis haben?
Ciesek: Unsere Lehrer, da bin ich eigentlich ganz begeistert, auch noch mal hier herzlichen Dank für die Teilnahme, dass so viele da engagiert mitmachen. Das finde ich wirklich toll. Nein, wir haben einfach gesehen, wir haben für die eine Hotline und die können sich jederzeit an uns wenden und werden dann betreut. Und wenn ein Test positiv ausfällt, kümmern wir uns darum, dass die Probe abgeholt wird und hier im Labor am gleichen Tag eine PCR erfolgt. Das ist auch wichtig, weil das doch zu Unsicherheiten führt, wenn auf einmal zwei Streifen auf so einem Test sind und man dann erst mal überlegen muss, an wen wende ich mich. Das ist schon so die Erfahrung. Ich denke mal, bei den Lehrern funktioniert das sehr gut, weil es genaue Prozedere gibt und einen Prozess, was passiert, wenn der Test positiv ist. Wenn es das nicht geben würde, stelle ich es mir schwierig vor, muss ich sagen.
Hennig: Das heißt aber unter bestimmten Voraussetzungen, sagen Sie, können Antigentest auch vom Laien durchgeführt werden und gehören nicht immer nur in die Hände von geschultem Fachpersonal.
Ciesek: Das ist was, was die Politik entscheiden muss. Von der Durchführung her ist das möglich. Das ist ähnlich einem Schwangerschaftstest. Schon ein bisschen komplizierter, aber das funktioniert sehr gut, wenn man ein Video an die Hand gibt und eine genaue Beschreibung, wenn das durchgeführt wird vom Laien. Das funktioniert sehr gut. Aber die Frage ist eher eine politische, ob das gewünscht ist. Und wie gesagt, ich halte es für wirklich förderlich, dass es dann, wenn man das macht, ganz klare Anweisungen gibt: Was mache ich, wenn der Test positiv ist? An wen wende ich mich? Und das möglichst an jedem Tag in der Woche. Und das gilt es zu organisieren, denke ich.
Der LAMP-Test
Hennig: Dieses gesamte Test-Szenario, ist auch eine Kapazitätsfrage mit Blick auf steigende Infektionszahlen. Ich möchte deshalb kurz noch einen anderen Test ansprechen, weil es im August Meldungen gab, dass man in Großbritannien verstärkt auf sogenannte LAMP-Tests setzt. RT-LAMP, im Fall von RNA-Viren, kein neues Verfahren, sondern ein anderer Weg, der mit der PCR vergleichbar ist vielleicht, mit der man Nukleinsäure aus Probenmaterial gewinnen kann. Wie genau funktioniert der und ist das auch für Deutschland eine Perspektive?
Ciesek: Es gibt verschiedene Forschungseinrichtungen, die auch hier in Deutschland einen LAMP-Test entwickelt haben, zum Beispiel in Heidelberg oder am Fraunhofer-Institut. Der Vorteil ist, Sie brauchen keinen Cycler, weil das eine isothermale Amplifikation ist, das heißt bei der gleichen Temperatur. Aber man braucht ähnliche Komponenten. Sie brauchen auch ein Enzym. Sie brauchen Primer, diese - wie hatten Sie es vorhin erzählt?
Hennig: Bausteine.
Ciesek: Genau, diese Bausteine, das genau definieren und auch Nukleotide. Und man bedient sich da nicht diesen Zyklen im Cycler, der immer abkühlt und erhitzt, sondern sogenannter Primer, die ein bisschen länger sind und dann Schleifen bilden und dadurch erfolgt eine schnellere Vervielfältigung des Gens oder des Abschnitts, den Sie suchen.
Hennig: Also erhitzen nur einmal am Anfang.
Ciesek: Genau. Aber Sie sehen daran, Sie brauchen die gleichen Bausteine, wo das Problem ist. Ein Problem ist sicherlich auch, dass Sie dann konkurrieren mit den PCR-Anbietern. Ich hatte auch mit einer Firma gesprochen, die diese Nukleotide herstellt, die stellen einfach nur sehr wenige Firmen her. Und die brauchen beide Verfahren. Dann brauchen Sie natürlich diese Platten, in denen die Reaktion läuft. Das brauchen Sie auch bei der PCR. Und bei dem LAMP-Test, wenn Sie das in Platten machen. Sie brauchen trotzdem Abstrichröhrchen, was auch ein Nadelöhr ist. Und das ist eine elegante Methode, die oft von Naturwissenschaftlern etabliert und entwickelt wurde, die aber bisher im medizinischen Bereich wenig Anwendung findet. Da fehlt irgendwie noch der Schritt in die Markteinführung. Das liegt, glaube ich, daran, dass das noch sehr theoretisch ist. Sie müssen das dann in einem medizinischen Labor auch in einem ganzen Ablauf einbinden können. Zum Beispiel unsere Cycler, die man dann nicht braucht, die sind mit unserer Laborsoftware verbunden und reden miteinander. Die schieben praktisch ihre Ergebnisse rüber an unsere Laborsoftware und das wäre dann nicht möglich. Und Sie müssen trotzdem sicherstellen, dass jeder Patient, wenn Sie 1000 LAMP-Tests machen, auch einen Befund bekommt. Das ist ein wahnsinniger logistische Aufwand, der noch dazukommt. Ich glaube, in Studien wird das erfolgen, dass man LAMP benutzt. Bisher fehlt mir noch ein bisschen die Anwendung und Marktreife für den täglichen Alltag in einem Medizinlabor.
Hennig: Und auch keine Alternative, falls die Reagenzien, also die Zutaten für die PCR-Testung, knapp werden, wenn ich Sie richtig verstanden habe.
Ciesek: Genau. Und natürlich brauchen Sie ein medizinisches Labor, was eine Akkreditierung hat, geschultes Personal hat. Da gibt es strenge Richtlinien, was die alles können müssen und wie die trainiert sind. Das müssten Sie dann erst einmal für so eine neue Methode überhaupt trainieren. Das würde auch noch mal Wochen oder Monate dauern, bis Sie das dann in einem Labor einführen können unter diesen akkreditierten Bedingungen.
Wann ein Test Sinn macht
Hennig: Wir wollen aus dem Labor zum Schluss zurückkehren ins Hier und Jetzt. Viele Ärzte stehen vor der Frage: Wann soll ich testen? Wann soll ich einen Abstrich machen? Das ist eine Frage, die uns von Hörerinnen und Hörern, die entweder Patienten sind oder selber Ärzte und Ärztinnen, oft erreicht. Die Kapazitäten sind nicht unbegrenzt und die Symptome sind nicht immer eindeutig, gerade von der Grippe ist das schwer zu trennen. Was raten Sie, wenn Sie sich denn da vorwagen, Hausärzten und Hausärztinnen, wann sollen sie einen Abstrich machen und einen PCR-Test auf das Virus? Bei welcher Konstellation von Symptomen?
Ciesek: Ja, das RKI empfiehlt nun erst mal, dass man bei allen akuten respiratorischen Symptomen, jeder Schwere und/oder Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn alle Patienten testen soll. Und das ist natürlich schwierig, das verstehe ich. Wenn die ganze Praxis voll ist mit Leuten, die Husten oder Schnupfen haben, würde das bedeuten, dass sie alle testen müssen. Das wäre natürlich der Idealzustand. Es gibt auch eine nationale Teststrategie von BMG, die auch vorsieht, dass alle Symptomatischen getestet werden sollten und die höchste Priorität haben. Leider haben die aber nicht genau definiert, was mit Symptomen gemeint ist. Und ich denke, das ist, was den Kollegen ein bisschen die Probleme bereitet. Und wie gesagt, ich möchte mich da gar nicht gegenstellen. Wenn wir viel Testkapazität haben, macht es Sinn, vor allem Symptomatische zu testen. Wenn ich jetzt eine Praxis hätte oder das Problem hätte, dass es nicht genug Tests geben würde, würde ich schon bei einigen Symptom hellhörig werden. Gerade dieser Geschmacks- und Geruchsverlust ist relativ typisch. Und wenn es nicht möglich wäre, alle zu testen, würde ich mir für die Praxis so einen Fragebogen machen, um für mich selber das Risiko einzuordnen.
Ich würde da zum Beispiel abfragen: Haben Sie in den letzten 14 Tagen eine Reise unternommen ins Ausland? Hatten Sie irgendein Risikoverhalten wie Familienfeiern in geschlossenen Räumen oder irgendwelche Superspreader-Events, die auch noch nicht gut definiert sind. Aber dass man sich da so beispielhafte Situation auf den Zettel schreibt, die man abfragt. Ob man Kontakt hatte mit jemandem mit Covid-19, ist eine wichtige Frage, und ob jemand im Bekanntenkreis das hat. Und ich würde auch noch bei Patienten abfragen, ob es Risikofaktoren gibt für einen schweren Verlauf. Also ist das zum Beispiel jemand, der älter ist, der Diabetes hat oder metabolische Syndrome hat. Da ist es relevant, auf jeden Fall die Erkrankung zu detektieren und vielleicht antiviral zu behandeln. Deshalb würde ich auf jeden Fall versuchen, mit einem Zettel oder Fragebogen das Risiko einzuordnen und dann primär die zu testen, die ein Risikoverhalten oder ein Risikoprofil haben. Natürlich sollten sich alle, die einen Infekt haben, solange sie symptomatisch sind, isolieren und nicht auf eine Party gehen.
Hennig: Das heißt aber, wenn ich als Patientin unterstützen möchte, dann kann das schon jetzt mehrfach zitierte Kontakt-Tagebuch helfen. Also zumindest habe ich mich vage vorbereitet und kann dem Arzt gleich sagen, ich gehe immer dienstags zum Boxtraining und freitags zum Chor. Und letzte Woche war ich auf einer Grillparty.
Ciesek: Genau, das wäre natürlich gut. Das hilft natürlich. Wenn Sie mich fragen, was ich letzte Woche gemacht habe, kann ich es gar nicht so spontan sagen. Mir fehlt von der Politik im Moment noch ein bisschen die Definition dieser Events. Dass man wirklich der Bevölkerung die häufigsten Superspreader-Events auflistet, an Beispielen. Das wäre dann viel einfacher für den Einzelnen nachzuvollziehen, was ist denn eine Gefahr oder wo muss ich vielleicht aufpassen? Was könnte ich eher vermeiden? Aber auch wenn man eine Erkältung oder Symptome bekommt, dass man weiß, was war jetzt wahrscheinlich das Kritische, wo ich zum Beispiel am ehesten Kontakt haben konnte. Das wäre schön, wenn es so eine Liste geben würde. Das würde es den niedergelassenen Kollegen erleichtern, so einen Fragebogen zu machen und natürlich auch den Bürgern helfen, genau diese Situationen zu vermeiden.
Hennig: Hausaufgaben an die Politik vielleicht, aber auch an uns alle. Was die Symptomatik angeht, bleibt es trotzdem schwierig, die von der Grippe zu unterscheiden. Darüber haben wir beide vor zwei Wochen in der Podcast-Folge auch schon gesprochen. Was für Möglichkeiten gibt es denn schon, beides in einem Test abzuprüfen und dann getrennte Ergebnisse zu haben?
Multiplex-Tests identifizieren mehrere Erreger
Ciesek: Da bereiten die Hersteller im Moment Tests vor, sogenannte Multiplex-PCR, die beide Erreger detektieren können. Es gibt sogar Testhersteller, die noch viel mehr Viren auf einmal detektieren können. Die kommen nach und nach auf den Markt. Influenza kommt meist erst später im Jahr, Januar, Februar, sodass die dann auf jeden Fall vorhanden sind, dass wir mit einem Abstrich und einem Test beide Viren detektieren können. Das ist auch gar nicht so uninteressant, denn man hat schon Patienten gesehen, die eine Co-Infektion hatten. Das heißt, sie hatten beide Erreger nachweisbar. Das ist sehr selten. Man weiß nicht, warum das sehr selten ist. Aber es ist möglich, dass man sich auch mit beiden Viren infiziert. Und da hilft natürlich, dass man sich gegen Grippe impfen lässt. Auch wenn der Impfstoff nicht hundertprozentigen Schutz bietet, habe ich persönlich noch keine schweren Verläufe gesehen, wenn man geimpft war. Unter schweren Verläufen verstehe ich jetzt, auf Intensivstation beatmet zu liegen. Also, auch wenn man vielleicht Influenza bekommen kann, schützt es wie gesagt schon auch vor schweren Verläufen.
Ciesek: Kommt darauf an, von welcher Multiplex-PCR man redet. Es gibt sogenannte Point-of-Care-Tests, die auch PCR basiert sind, die mit Kartuschen arbeiten, die können Sie sogar in die Ambulanz stellen. Innerhalb von einer halben Stunde kriegen Sie ein PCR-basiertes Ergebnis. Das Problem ist nur, dass es dafür nicht genug Kartuschen gibt. Also diese Firmen kommen mit der Produktion nicht hinterher. Und dieses System sollte Krankenhäusern vorbehalten werden für kritisch kranke Patienten, wo man ganz schnell ein Ergebnis braucht. Und das wäre natürlich ideal, aber da sehe ich wirklich Kapazitätsprobleme. Und eine Multiplex-PCR führt nicht jedes Labor durch, wenn man die längere Variante nimmt, die auch vier, fünf Stunden dauert, das muss man schauen, das ist halt sehr teuer. Also wir haben zum Teil PCR-Systeme, die können über 20 Erreger nachweisen, die zu respiratorischen Infekten führen, inklusive Rhinoviren und Influenza. Das ist wirklich teuer und aufwendig. Da muss man sich dann auch immer fragen: Was ist genau der Nutzen? Weil viele dieser Erreger haben auch keine klinische Konsequenz. Also ob jetzt jemand Rhinoviren hat und das weiß oder nicht, ist für jemanden, der einfach nur Schnupfen hat und im ambulanten Bereich ist, vielleicht nicht ganz so essenziell wie jemand, der auf Intensivstation ist und beatmet wird und wo man einfach wissen will, was ist da los.
Hennig: Warten wir also ab, was die Politik entscheidet, was solche Zentren und die Ausstattung der Zentren angeht. Frau Ciesek, wir haben eben über Hörerfragen gesprochen. Zum Abschluss möchte ich gerne eine konkrete Frage aus dem Alltag aufgreifen, die man aber virologisch beantworten kann. Stichwort Umgang mit den Alltagsmasken. Das ist eigentlich nicht so ein Thema für Virologen, sondern eher für Hygieniker. Trotzdem können Sie uns da eine Erklärung liefern. Oft heißt es, möglichst heiß waschen bei 60 Grad, womöglich sogar bei 90 Grad. Dagegen steht aber die Aussage von den amerikanischen Seuchenschützern, auch 40 Grad reichen zum Beispiel schon, wenn Waschmittel benutzt wird. Das Coronavirus ist ein behülltes Virus. Was genau bedeutet das für den Umgang mit Seife und Temperaturen?
Seife zerstört Hülle des Virus
Ciesek: Genau, das ist eine klassische virologische Frage. Es gibt Viren, die eine Hülle haben, eine Lipid-Hülle, aus Fetten bestehend. Und es gibt Viren, die haben keine Hülle. Zum Beispiel das berühmte Rhinovirus hat keine Hülle und SARS-CoV-2 hat eine Hülle. Das ist wichtig für den Hygieniker und für den Umgang mit den Viren: Wie leicht kann man die eigentlich kaputtmachen, also inaktivieren? Da ist es so, Viren mit einer Hülle sind viel empfindlicher als Viren, die keine Hülle haben. Keine Hülle haben zum Beispiel Noroviren oder andere Rotaviren. Und das, was die CDC und das RKI sagen, ist beides richtig. Ich glaube, das kommt ein bisschen darauf an, worauf Sie schauen. Die Temperatur alleine weiß man, dass 60 Grad für 30 Minuten das Virus vollständig inaktiviert, oder 90 Grad viel schneller. Das ist aber für die Bedingung, wenn kein Waschmittel, keine Seife dabei ist. Wenn Sie ein Waschmittel oder Seife hinzufügen, dann zerstört das diese Hülle von den Viren. Dann ist die Temperatur gar nicht so wichtig. Deswegen sage ich auch immer, wenn Sie sich die Hände waschen, dann bitte mit Seife, reines Händewaschen bringt nicht so viel, da ist die Seife wirklich essenziell und zerstört von diesen umhüllten Viren die Hülle und inaktiviert die. Das ist aber wiederum anders bei Rhinoviren zum Beispiel, die keine Hülle haben.
Hier muss man einfach sagen, dass die viel stabiler sind. Die überleben viel länger in der Umwelt und die lassen sich viel schwieriger inaktivieren. Wenn man zum Beispiel Desinfektionsmittel, was jeder in einer Apotheke oder einer Drogerie kaufen kann, anguckt, gibt es auch verschiedene Klassen. Da gibt es zum Beispiel das normale Desinfektionsmittel. Dann gibt es ein begrenzt viruzides, dann gibt es begrenzt viruzid plus und viruzid. Und das Normale ist begrenzt viruzid, das wirkt sehr gut gegen SARS-CoV-2, ist meist alkoholisch, also mit Alkohol versetzt, und zerstört diese Hülle. Dann gibt es dieses viruzide, das ist, was wirklich auch gegen nicht umhüllte Viren wirkt, auch zum Beispiel gegen Rhinoviren. Aber das ist eher für spezielle Situationen, wie wenn wir im Labor mit nicht umhüllten Viren arbeiten. Oder bei einem Ausbruch von Magen-Darm-Erkrankungen wird das eingesetzt, weil das oft nicht so hautschonend ist. Also das nutzen wir im Labor, wenn wir müssen, aber nicht als Standard, weil es einfach sehr hautreizend sein kann. Und begrenzt viruzid plus heißt, es hat noch eine Wirksamkeit gegen Rotaviren und Noroviren. Aber wie gesagt, das normale Standard-Desinfektionsmittel, begrenzt viruzid, ist für SARS-CoV-2 ausreichend, für Rhinoviren aber nicht.
Hennig: Die normale Seife tut es aber auch.
Ciesek: Genau, Seife tut es auch. Das stimmt.