(105) Coronavirus-Update: Risiko für Ungeimpfte könnte steigen
In der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update spricht Christian Drosten über vorläufige Daten zur neuen Virusvariante Omikron und darüber, dass B.1.1.529 den Übergang von der pandemischen in die endemische Situation markieren könnte.
"Wir haben es hier mit einem perfekten Nach-Pandemie-Virus zu tun, mit einem perfekten ersten endemischen Virus", sagt Drosten im Gespräch mit Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig. Jedenfalls dort, wo die Mutante entstanden ist, könnte Covid-19 wohl bald zu einer Krankheit werden, die regelmäßig und gehäuft auftritt, aber nicht mehr die Ausmaße einer Epidemie erreicht.
Die zentralen Themen der Folge im Überblick - per Klick direkt zur Textstelle springen
Aktuelle Lage: Warum sinkt der R-Wert?
Infektionsdynamik mit der Omikron-Variante in Südafrika
Immunescape: Erste Daten zu Reinfektionsquote
Unterschied Schutz durch Impfung/Genesung
Mutationsrate Omikron im Vergleich zu anderen Varianten
Pathogenität und Daten aus südafrikanischen Krankenhäusern
Mehr Krankenhauseinweisungen im Kindergartenalter
Impfstoff-Update und zweiter Booster
Omikron und Impfquote in Deutschland
Superspreading-Events in Dänemark und Norwegen
Zusammenfassung der Erkenntnisse und Ausblick
Korinna Hennig: Bevor wir uns der Variante widmen, lassen Sie uns einen ganz kurzen Blick auf die aktuelle Lage in Deutschland werfen, wo ja bisher noch Delta den Ton angibt. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt heute bei 432, fast 400 Tote sind zuletzt dazugekommen und es gibt Gegenden, da rufen die Krankenhäuser schon Medizinstudenten an, damit sie in den Intensivstationen aushelfen können. Aber das Wachstum verlangsamt sich. Die Sieben-Tage-Inzidenz geht im Wochenvergleich langsam zurück, und der R-Wert liegt laut RKI nun schon seit gut zehn Tagen unter eins. Wie deuten Sie das?
Aktuelle Lage in Deutschland: Warum sinkt der R-Wert?
Christian Drosten: Das stimmt, der R-Wert liegt vielleicht ganz knapp unter eins. Der wird aber leider ja auch immer nach ein paar Tagen wieder ein bisschen hochkorrigiert. Heute liegt er offiziell bei 0,88. Aber man muss schon mit einberechnen, dass eben nach ein paar Tagen wieder ein bisschen was obendrauf kommt. Das liegt zum Teil auch an diesen Wochenende-Effekten. Das Nowcasting scheint das nicht ganz genau alles auszugleichen. Es gibt natürlich jetzt auch die Vermutung, dass Labore an einigen Stellen überlastet sind und deswegen im Moment Fälle fehlen, dass also gar nicht mehr so stark getestet wird und so weiter. Diese Effekte gibt es bestimmt alle. Aber ich glaube, das generelle Bild ist schon, wir nähern uns, wie wir das übrigens in Deutschland immer gemacht haben, von oben an den R-gleich-eins-Zustand an.
Die Frage ist, ob wir dieses Mal zusätzliche Werkzeuge haben in Form der jetzt schon vorhandenen Impfung und in Form der noch immer weiter nachgeschärften 2G-Regeln, dass man jetzt auch mal unter eins kommt, also auch Richtung 0,7, wo wir hinmüssen, um wirklich zu einer Senkung zu kommen in absehbarer Zeit. Oder ob es jetzt wieder so ein lauer Zustand wird, wo wir irgendwo im Bereich von R gleich eins liegen und es unerträglich hochbleibt, das Ganze. Und 400 Tote heute, das ist einfach zu viel. Wir müssen da irgendwie von diesem Niveau runterkommen. Und da ist weiterhin die Frage, und das ist eine unbeantwortete Frage, ob diese 2G-Werkzeuge reichen?
Hennig: Also ein bisschen ein positives Signal, weil es vielleicht Verhaltensänderungen gibt, weil Impfungen und Booster vielleicht ein bisschen was bringen können. Ich habe bei den über 60-Jährigen geguckt, da liegt die Booster-Quote jetzt bei ungefähr 30 Prozent. Aber die Labore sind auch regional teilweise überlastet. Da gibt es ja noch immer steigende Test-Positiv-Raten. Und in Baden-Württemberg zum Beispiel meldet die Arbeitsgemeinschaft der medizinischen Labore einen rechnerischen Wert von 140 Prozent Auslastung. Also eine Mischung aus allem, würden Sie sagen?
Drosten: Ja, sicher. Das Ganze ist regional strukturiert. Und alle diese Faktoren sind richtige Beobachtungen, die sich zum Teil auch einfach ein bisschen gegenseitig ausgleichen. Es ist relativ schwierig, da im Moment eine ganz einfache Antwort drauf zu geben. Ein Eindruck ist auch, dass die Zahl der neuen Intensivaufnahmen in Deutschland im Moment etwas geringer ausfällt, als man das nach Modellrechnungen erwarten würde. Da könnte man zum Beispiel auch vermuten, dass da jetzt bereits die Booster-Impfungen bei den über 60-Jährigen zu Buche schlagen. Denn wir haben weiterhin natürlich die schweren Fälle im höheren Alter. Und wenn wir da jetzt sogar schon 30, 33 Prozent Booster-Quote haben, dann könnte man so langsam hoffen, dass sich erste Effekte zeigen.
Hennig: Aber wir haben auch in dem hohen Alter eben noch eine große Zahl Ungeimpfter. Eine Impflücke von, ich glaube, fast 15 Prozent.
Drosten: Ja, das ist das deutsche Spezialproblem, muss man jetzt so langsam fast sagen. Von den großen europäischen Industrienationen ist das einfach so, dass wir diejenigen sind, mit der größten Impflücke und leider eben auch bei den über 60-Jährigen, wo wir immer noch nur eine Impfquote von ungefähr 86 Prozent haben. Das ist einfach viel zu wenig. Das führt in der Gesamtschau dazu, dass wir nicht so wie andere Länder alles öffnen konnten. Also in England beispielsweise wurde relativ früh die Bremse losgelassen und das gesellschaftliche Leben dort auf der Straße fühlt sich zum Teil dann an, als wäre gar keine Pandemie mehr.
Und dennoch stagnieren die Infektionszahlen, weil eben zusätzlich zu einer ganz guten Impfquote auch eine hohe Durchinfektionsquote kommt. Also viele, viele Leute haben die Infektion inzwischen hinter sich. Bei den Jüngeren ist es so, dass viele jetzt im Moment erkältet sind wegen Corona und zum Teil gar nicht mehr merken, dass sie gerade Teil einer, sagen wir mal, Nachdurchseuchungsphase sind. Diesen Begriff haben wir ja hier im Podcast schon mal früher verwendet. Das führt jetzt eben dazu, dass die Bevölkerung insgesamt eine höhere Immunlage gegen dieses Virus hat. Und dass man jetzt mit gelockerter Bremse erst mal weiterfahren kann, während wir das in Deutschland nicht können. Also wir haben weiterhin Maßnahmen. Die 2G-Maßnahmen werden eher noch zu einer Verschärfung führen, würde ich denken. Ich denke, dass man da ja jetzt erst immer weiter zu einer Umsetzung kommt. Und in Gegenden, wo besonders hohe Inzidenzen sind, schärft man ja auch auf Länderebene nach. Siehe die Entscheidungen gestern in Sachsen. Das wird natürlich in Deutschland seine Wirkung haben. Und das wird auch zu einer Spezialisierung der Situation in Deutschland führen hinsichtlich der Omikron-Variante, wenn wir das mit anderen Ländern wie England oder Südafrika vergleichen.
Infektionsdynamiken mit der Omikron-Variante in Südafrika
Hennig: Ich habe es ja schon gesagt, wir müssen und wollen natürlich fast ausschließlich heute über Omikron reden, weil da so viele Fragen offen sind. Und genau das ist aber der Grund, warum es nach wie vor nicht so ganz einfach ist, das muss man vorausschicken. Es wird heute viel vage bleiben im Podcast, viele Vermutungen, viele vorläufige Vermutungen. Es gibt nach wie vor mehr Fragen als Antworten. Wenn wir versuchen, das mal der Reihe nach zu sortieren und erst mal die Erkenntnisse aus Südafrika zusammentragen und dann aber natürlich auch den Blick nach Europa richten, insbesondere nach England. Da gibt es, wie bekannt ist, besonders gute Zahlen. Und die Entwicklung wird da oft vorweggenommen, die dann später hier ankommt. Zunächst angefangen in Südafrika. Wie schnell ist der Anstieg der Infektionszahlen dort momentan? Und was kann das für den R-Wert von Omikron bedeuten?
Drosten: Ja, wir haben aus Südafrika Daten, vor allem aus der Gauteng-Provinz. Da ist es, glaube ich, am wichtigsten hinzuschauen, weil dort das Ganze bemerkt wurde und dort offenbar auch ein Fokus der Inzidenz ist. Wir können davon ausgehen, dass wir im Moment so ungefähr 10.000 Fälle am Tag haben. Das Ganze hat sich langsam aufgebaut. Wir sind jetzt wahrscheinlich so bei 50.000, 60.000 bekannten Fällen im Moment, wenn man jetzt in die Meldestatistiken schauen würde. Und das ist erst mal eine Fallzahl, die ganz schwer zu bewerten ist. Wir haben in Südafrika eine ganz andere Gesamtsituation als bei uns. Um das zu erklären, wir sind da auf der Südhalbkugel. Dort gab es eine schwere Winterwelle, das ist die schon die dritte große Welle in Südafrika gewesen. Die erste war das ursprüngliche Virus. Dann kam die, jetzt Beta genannte Virusvariante, B.1.351, das war die zweite Welle. Und dann kam die dritte Welle, das war die Delta-Variante im dortigen Südhalbkugel-Winter, also in unseren Sommermonaten. Und das Ganze war im Prinzip von selbst zum Stillstand gekommen. Mit anderen Worten, die Durchimmunisierung, vor allem durch Infektionen, zu geringen Teilen auch durch Impfung ist im Prinzip in Südafrika, sagen wir mal ruhig, fast abgeschlossen gewesen. Die Inzidenz war von selbst zur Ruhe gekommen.
Sommereffekt in Südafrika?
Man muss aber auch sagen, man geht jetzt wieder in ein wärmeres Klima rein. Man kommt dort jetzt wieder in den Sommer. Das hat sicherlich auch ein bisschen mitgeholfen, dass die Inzidenz sich praktisch von selbst beruhigt hat und hatte nur noch geringe Kontrollmaßnahmen. Und jetzt hat man also ganz plötzlich gesehen, da kommt so ein neues Virus hoch. Aufgefallen ist das wieder mal durch den sogenannten S-Gene-Target-Failure, also eine bestimmte PCR-Methode, die dort im Land viel verwendet wird. Sie zeigt einen Ausfall eines der Zielgene. Und das ist der N-Terminus, also der Anfangsteil vom Spike-Protein. Da ist eine kleine Lücke im Gen, im Virus drin bei dieser Virusvariante, genau wie auch damals bei der Alpha-Variante, da kann man sich vielleicht daran erinnern. Anfang letzten Jahres haben wir da viel darüber gesprochen. Da ist ja auch in England durch den Ausfall dieses PCR-Targets die Sache aufgefallen und wurde dann durch Sequenzierung bestätigt. Und so ist es jetzt in Südafrika auch. Man hat das gemerkt über PCR. Es wurde über Sequenzierung bestätigt. Und wir sind jetzt in einem Bereich, wo man langsam auch eine ganze Reihe von Tagen hintereinander auftragen kann, in ein Histogramm, und sagen kann, wie viel da eigentlich jetzt pro Tag an Fällen dazukommt. Wohlgemerkt in einer Situation, wo wir kaum Kontaktbeschränkungen haben. Und eben nach ein paar Tagen, sodass man sagen kann, das ist jetzt wahrscheinlich nicht mehr alles nur ein Aufmerksamkeitseffekt. In den ersten Tagen war das zum Beispiel so, da wusste man, das ging von bestimmten Ausbrüchen in Universitäten aus. Man hat gemerkt, da stimmt was nicht. Und dann hat man die Ausbrüche auch stärker nachverfolgt, während man im Rest der Gesellschaft eher ein entspanntes Gefühl hatte und sicherlich nicht mehr jeder Infizierte zur Testung gegangen ist.
Zumal wir hier ja in einem Medizinsystem sind, das nicht so gut gestellt ist wie bei uns, dass man wegen einem kleinen Schnupfen mal schnell zur Corona-Testung geht, sondern die Leute sind schon eher kränker, wenn sie sich testen lassen. Die haben schon eher Symptome. Und viele werden auch erst bei Krankenhausaufnahme getestet wegen schwerer Symptome. Also, es ist schon eine andere Gewichtung.
Zuwachsrate von 25 Prozent
In dieser Situation, wo wir jetzt also so langsam so weit sind, dass wir sagen können, es sind schon einige Tage ins Land gegangen, jetzt können wir wirklich mal gucken, wie die Zuwachsrate ist pro Tag, kommen wir auf einen Wert von 25 Prozent pro Tag. Und das ist erschreckend viel.
Hennig: Das entspricht einer Verdopplung spätestens alle vier Tage.
Drosten: So ungefähr. Das Ganze hat natürlich eine gewisse Unschärfe. Aber 25 Prozent, das ist schon wirklich viel. Da fällt es schon schwer, jetzt wirklich über die R-Werte zu reden. Was beispielsweise jetzt im Moment geschätzt wurde, anhand der Beobachtung in Gauteng, da liegt der R-Wert für diese Omikron-Variante so knapp über 2,2, während er zur gleichen Zeit für Delta bei ungefähr 0,8 liegt. Das heißt, das ist fast eine Verdreifachung. Da muss man schon sagen, das ist besorgniserregend. Und natürlich ist es auch besorgniserregend, zu wissen, dass wir alle drei bis vier Tage eine Verdopplung haben.
Ausbreitung in England
Hennig: Jetzt habe ich eben schon gesagt, aus England haben wir ja immer ganz gute Daten. Und die Dynamik, die wir in Südafrika offenbar sehen, kann man die mit England vergleichen? Sind das da ähnliche Wachstumsraten, auch wenn es noch bei niedrigen absoluten Zahlen von Omikron ist?
Drosten: Ja, das Erstaunliche in England ist, wir haben hier natürlich sehr viel geringere Zahlen. Und man muss immer vorsichtig sein. Ein großer Teil der jetzt bemerkten Fälle in England ist noch direkt importiert. Das heißt, solange wir ausschließlich importierte Fälle in einem Land anschauen, haben wir in diesen Zahlen praktisch keine Informationen über die Verbreitung in dem Land, sondern wir haben ausschließlich eine Stichprobe aus dem Herkunftsland. Das ist, glaube ich, verständlich.
Hennig: Das sind ganz konkrete Reisevorgeschichten.
Drosten: Genau. Wenn wir jetzt nur am Flughafen testen würden, und das wären beispielsweise nur Einreisende aus Südafrika, dann würden wir hier nicht in Deutschland testen, an einem deutschen Flughafen, sondern wir würden stellvertretend für die Südafrikaner eine Bevölkerungsstichprobe aus Südafrika nehmen. Das muss man sich klarmachen. Was man sich auch klarmachen muss, ist, in England haben wir eine Situation, die so ein bisschen zwischen Deutschland und Südafrika gestellt ist. Also Südafrika, bei den jüngeren Leuten hat es eine Impfquote von 22 Prozent und bei der Gesamtbevölkerung liegt sie so etwas über 30, also eine ganz geringe Impfquote. Boostern ist da bisher in großem Maße gar nicht erreicht worden. Und viele dieser Geimpften sind einfach mit Johnson und Johnson Geimpfte. Das ist eine andere Situation.
Unterschied Südafrika und England
Mit anderen Worten, wenn das alles von selbst zum Stillstand in Südafrika gekommen ist, dann heißt das, dass es in allererster Linie eine natürliche Infektionsimmunität in Südafrika auf Bevölkerungsebene ist. Während es in England so ist, die Impfquote ist ähnlich wie bei uns. Aber die Gewichtung auf das Alter ist besser. Also die älteren Leute in England sind viel besser geimpft, die haben nicht so eine große Impflücke bei den über 60-Jährigen wie wir. Und der Booster-Erfolg bei den über 60-Jährigen ist auch schon weiter fortgeschritten als bei uns. Gleichzeitig haben wir, das betrifft jetzt vor allem die Jüngeren, auch eine sehr hohe Durchinfektionsquote, weil ja auch in der letzten Winterwelle viele, viele Leute krank geworden sind. Und weil seit dem Sommer geöffnet wurde und junge Leute sich jetzt in England sehr stark infiziert haben. Wir sehen jetzt auf der Gesamtebene in England auch eine ähnliche Beobachtung wie in Südafrika. Dass wir eigentlich eine Stagnation des Wachstums haben, obwohl wir eine sehr offene gesellschaftliche Situation haben, wenig Kontrollmaßnahmen. Dennoch geht der R-Wert jetzt nicht durch die Decke, sondern bleibt spontan so knapp um die eins im Moment. Also wir können sagen, das ist so ein bisschen ähnlich wie in Südafrika. Wenn wir jetzt so die ersten vielleicht ungefähr 200 Fälle zusammenfassen können, also in England sind jetzt glaube ich so knapp 200 Fälle inzwischen bekannt, dann muss man schon sagen, wir sehen erschreckenderweise auch in England 25 Prozent Wachstum am Tag. Ich muss schon sagen, darüber muss man sehr besorgt sein. Und man kann da natürlich die Überschlagsrechnung anstellen, dass man dann praktisch schon vor Weihnachten gesättigt wäre. Das heißt, dass diese Variante schon vor Weihnachten zumindest mal genauso stark vorhanden wäre wie das Delta-Virus.
Hennig: In England.
Drosten: In England. Ich will nicht sagen, dass sie das Delta-Virus verdrängt, denn im Gegensatz zu Südafrika, wo das Delta-Virus spontan einen R-Wert im Bereich von 0,7, 0,8 hat, ist der R-Wert von Delta in England im Moment um die eins, sogar einen Tick über eins im Moment. Aber es kann auch wieder runter undulieren. Jedenfalls, das heißt, das würde auch nicht verdrängt werden. Denn es ist jetzt für das Virus auch nicht so, nach dem Motto, entweder in diesem Dorf gibt es Delta oder Omikron und die können nicht nebeneinander existieren. Das ist nicht so. Die können nebeneinander existieren. Wenn beide im R-Wert über eins sind, werden sich beide vermehren. Im Moment ist Delta relativ konstant auf hohem Niveau, das andere scheint auch einen hohen R-Wert zu haben. Also ich will hier jetzt auch keinen R-Wert für England nennen. Diejenigen, die sich das ausrechnen wollen, man muss diese Wachstumsrate, wenn es wirklich 25 Prozent am Tag sind, dann ist das 0,25, und das multipliziert mit der Generationszeit der Infektion. Da kann man jetzt so von vier bis fünf Tagen ausgehen.
Hennig: Von einem Infizierten zum nächsten.
Drosten: Richtig, genau. Wir wissen bei dem Omikron-Virus noch nicht, wie lange die Generationszeit ist. Es gibt erste Meldungen im Kollegenkreis, die sagen, man beobachtet eher eine verkürzte Generationszeit. Das wäre gut, denn das ist ein Multiplikator im Exponenten der Eulerschen Zahl, also Euler hoch die 0,25, mal vier oder fünf oder sechs, was man jeweils annehmen will, dann hat man den Unterschied im R-Wert.
Erste Daten zur Reinfektionsquote
Das ist besorgniserregend. Man müsste sich schon überlegen, was das jetzt bedeutet. Wenn man in einer Situation ist, dass man bis Weihnachten eigentlich eine Epidemie hat, die plötzlich dominiert wird von der Omikron-Variante, mit Delta noch dabei. Das ist tatsächlich im Moment zu erwarten.
Hennig: Jetzt ist die Gretchenfrage: Warum ist das so? Wir haben in der vergangenen Woche in einer Sonderfolge mit Sandra Ciesek auch schon drüber gesprochen: Also wenn sich das Virus in der Form dieser Variante so stark ausbreitet, und wir wissen, in Südafrika sind es mehrheitlich genesene Menschen in der Bevölkerung, ein bisschen Impfung ist auch dabei, dann können ja zwei verschiedene Dinge für diese stärkere Ausbreitung verantwortlich sein. Der Vorteil aus Sicht der Variante kann sein, dass sie stärker übertragbar ist und eben auch, dass sie den bereits bestehenden Immunschutz umgeht. Bisher neigen ja alle dazu, zu sagen, die Sache mit der Immunflucht deutet sich belastbarer an. Würden Sie das, Stand jetzt, auch so sagen?
Drosten: Wir haben dazu noch keine eigenen Labordaten. Und ich habe auch noch keine von irgendeinem anderen Labor gesehen. Also der Labortest dafür wäre ja, dass man schaut, wie sehr der Neutralisationstiter von Seren von beispielsweise Geimpften oder Genesenen absinkt, wenn man den Neutralisationstest durchführt, nicht mehr beispielsweise mit der Delta-Variante, sondern mit der Omikron-Variante.
Hennig: Also wie gut die Antikörper das Virus neutralisieren.
Drosten: Richtig, genau. Also die Aktivität der Antikörper. Und die wird sicherlich sehr stark verloren gehen. Ich rechne schon damit, dass das ein Neutralisationsverlust wird, wie man ihn bisher noch bei keiner anderen Virusvariante gesehen hat. Das ist meine feste Erwartung. Wir werden das wahrscheinlich hier im eigenen Labor auch noch vor Weihnachten gesehen haben. Und das ist natürlich so ein Anhaltswert. Es gibt ja andere Methoden, das anzuschauen.
Eine Studie ist schon veröffentlicht als Preprint aus Südafrika. Da sieht man, je nach verwendeter Methode, dass eindeutig die Quote an Mehrfach-Infizierten, also an Zweitinfektionen in dem Fall, ansteigt. Je nach Auswertungsmethode kann man da den Eindruck bekommen, dass die Reinfektionsquote vielleicht um das Zweieinhalbfache angestiegen ist, seit der Zeit, in der es plötzlich das Omikron-Virus in der untersuchten Bevölkerung gibt. Das ist jetzt kein sehr direkter Zusammenhang zwischen Daten und Interpretationen aufs Omikron-Virus. Aber dieser zeitliche Zusammenhang besteht und den muss man natürlich auch ernst nehmen.
Impfdurchbrüche mit Omikron
Daran sieht man, auch an dieser Studie, dass die Zahl der Impfdurchbrüche sich wahrscheinlich vervielfacht hat. Ich will jetzt da eben auch wieder keine genaue Zahl sagen, denn diese Studie hat deutliche Einschränkungen in der Datengrundlage. Das ist eine hervorragende statistische Arbeit, aber wie bei vielen anderen statistischen Arbeiten auch, kann man nicht alle Ungenauigkeiten und Unwägbarkeiten der Datengrundlage korrigieren. Und auch das Problem der kleinen Zahl kann man nicht korrigieren. Diese Studie arbeitet im Moment mit sehr kleinen Anfangszahlen. Bis die irgendwann mal offiziell veröffentlicht wird, in vielleicht zwei, drei Monaten, sind natürlich im Zuge des Begutachtungsprozesses einer solchen Arbeit auch die Zahlen nachgepflegt nach aktuellen Daten, dann wird das eine sehr robuste Arbeit sein. Aber im Moment muss man schon vorsichtig sein mit dieser Arbeit. Da gab es, ich hatte mal in den Medien gesehen, so als Vorbewertungen: Dreimal so viele Reinfektionen wie vorher. Das kann ich so nicht unterschreiben. Ich wäre da sehr vorsichtig. Aber was man eben sieht, ist, es gibt jetzt schon in der Epidemiologie sichtbar eine deutliche Erhöhung. Das sind wahrscheinlich nicht nur ein paar Prozent, sondern das ist ein Vielfaches. Es kann sein, dass es beispielsweise eine Verdopplung von Reinfektionen ist, und das muss man natürlich auch sehr ernst nehmen. Jetzt kann man das vielleicht geistig so ein bisschen in diesen R-Wert reinrechnen.
Fitnessgewinn und Immunescape
Wenn wir davon ausgehen, dass das eine Virus einen R-Wert von eins hat, das andere hat einen R-Wert von 3 oder 3,5, dann ist vielleicht die Hälfte von diesem Zuwachs beigetragen durch eine Erhöhung des Immunescapes, also ein Durchbrechen der Immunitätsschranke. Und die andere Hälfte muss dann wohl ein Fitnessgewinn in dem Virus sein. Das ist natürlich immer gerade die blödeste Kombination, wenn so ein Virus beides mitbringt, also Fitnessgewinn und Immunescape. Da müssen wir bei diesem Virus wahrscheinlich mit rechnen.
Hennig: Das ist besonders blöd, weil es dann alle trifft. Also die Impfung dann nicht mehr so gut schützen kann. Trotzdem ist das ja ein Unterschied zwischen der Immunantwort von Genesenen und Geimpften. Sie haben es ja auch schon gesagt, das ist diese Unwägbarkeit, wenn man jetzt die südafrikanische Situation versucht zu vergleichen mit anderen Ländern, wo die Impfquote eine größere Rolle spielt.
Drosten: Genau. Da muss man als erstes Mal weiter nach England schauen. Ob das wirklich so bleibt, dass es in England auch mit dieser Geschwindigkeit zuwächst. Das müssen wir tatsächlich noch mindestens eine, eher zwei Wochen beobachten. Also es ist nicht möglich, aus so einer kleinen Anfangszahl was zu sagen. Denn wir wissen gar nicht genau, wie diese Infektionstätigkeit sich jetzt überhaupt verteilt. Wahrscheinlich sind das noch lokale Ausbrüche, die ganz nah in Verbindung stehen mit rezenten Importen. Das wird wahrscheinlich im Moment nicht bei älteren Leuten betont sein, sondern eher bei jüngeren, reisefreudigen Leuten, die auch reisefreudige Bekannte, jüngere Leute haben. Das wird sich, glaube ich, in England noch mal regulieren und wahrscheinlich auch noch mal anders darstellen. Das würde ich zumindest im Moment erwarten. Und da ist dann eben eine Differenzierung gegeben, je nachdem, woraus eigentlich die Immunität besteht. Also haben wir die Infektion mal überstanden oder haben wir wirklich eine geboosterte, vollständige Impfimmunität? Da wäre im Moment, und das kann ich nur raten, dass wohl die geboosterte Impfimmunität auch besser gegen dieses Omikron-Virus schützt als die überstandene natürliche Infektion. Mal ganz einfach gesagt, dieses Virus wurde von der Evolution in einer geografischen Region selektiert, in der die Wirtspopulation in der Regel schon eine Infektion überstanden hat.
Nachdurchseuchungsvirus
Das ist so gesehen ein perfektes Nachdurchseuchungsvirus, also für eine Bevölkerung, wo anfangs die Erstdurchseuchung abgeschlossen ist. Da kommt nun dieses Virus und nutzt die Restschwächen der Immunität in der Bevölkerung hervorragend aus. In so einer Bevölkerung, in der es keine Kontaktmaßnahmen mehr gibt, weil man die Pandemie gefühlt als beendet empfindet, kann es sich dann eben sehr gut weiterverbreiten. Das ist in England auch anders. In England haben wir auch große Komponenten von Impfimmunität, die wahrscheinlich hier in diesem Fall jetzt akut robuster ist. Akut, damit meine ich, gerade bei den Leuten, die jetzt noch mal frisch geboostert sind, die jetzt noch mal wieder neues IgA auf den Schleimhäuten haben und so weiter. Da wird das wahrscheinlich jetzt im Winter noch mal besser schützen. Aber wie gesagt, das ist nur ein Raten, was ich hier mache. Dafür gibt es leider noch keine Daten. Also wir können nicht unterscheiden, da gibt es noch nicht mal Anfangsgerüchte im Kollegenkreis, zwischen dem Schutz gegen Omikron durch eine überstandene Infektion und dem Schutz gegen Omikron durch eine Impfung.
Unterschied Schutz durch Impfung/Genesung
Hennig: Solange wir noch so wenig Genaues aus der Situation jetzt wissen, kann man aber zumindest ein paar grundsätzliche Überlegungen beziehungsweise Erklärungen anstellen. Ich lese immer mal wieder die laienhafte Überlegung: Warum sollte eigentlich die Impfung besseren Schutz bieten? Wer sich infiziert, hat ja mit dem ganzen Virus Kontakt gehabt, während das Immunsystem Geimpfter sich ja, zumindest bei denen hier bei uns zugelassenen Impfstoffen, nur mit dem Spike-Protein auseinandersetzen muss. Viele schreiben oder sagen, da müsste doch die Immunantwort nach Infektion im Vorteil sein, weil das eine viel breitere wäre. Warum geht man nach wie vor trotzdem immer noch davon aus, die Impfung bietet einfach, gerade, wenn man eine dreifache Impfung hat, einen guten Schutz?
Drosten: Das liegt daran, dass die Impfung konstanter ist. Es ist natürlich gar nicht falsch zu sagen, wer das echte Virus gehabt hat, der hatte Kontakt mit allen Proteinen dieses echten Virus. Das stimmt. Und vor allem sehr viele T-Zell-Epitope liegen eben nicht nur im Spike, sondern die liegen tatsächlich überall im Virus, gerade in den Strukturproteinen. Und das sind einige. Die sind natürlich in der Impfung, in dem Impfstoff nicht drin. Nur hat die natürliche Infektion die Schwäche, dass es was Natürliches ist. Einige Leute haben eben eine milde natürliche Infektion. Die haben wenig Viruskontakt gehabt. Relativ früh hat die angeborene Immunität und die frühe Immunreaktion das Ganze zum Stoppen gebracht. Dadurch war dann insgesamt, wir sagen, der Antigenstimulus gering. Also ganz bildlich gesprochen. Wir haben wenig Reiz fürs Immunsystem gehabt, weil da wenig Virus in dieser milden Infektion war. Während die Impfung immer relativ viel Dosis an Spike-Protein bringt und auch konstant. Also stellen Sie sich vor, wir würden nicht jedem Geimpften die gleiche Menge Impfstoff verabreichen, sondern würden ab und zu nur so eine kleine Restspritze geben und ab und zu mal nur ein Zehntel der Impfstoffdosis. Je nachdem, wie der Arzt gerade Lust hat. Dann hätten wir auch eine Schwäche in der Immunität, die dazukäme. Wir haben, das muss man vielleicht noch mal erklären, schon diese Feststellungen, wie belastbar eine überstandene Infektion ist. Es gibt da so Feststellungen, zum Beispiel aus der SIREN-Studie in England, dass man sagen kann, eigentlich schützen überstandene Infektionen zu 80 Prozent gegen eine Reinfektion. Das ist so das große Ergebnis dieser Studie. Und andere Studien bestätigen das auch, nur hat das zwei große Fragezeichen.
Infektionsimmunität
Das eine ist, auch diese Infektionsimmunität hat eine begrenzte Lebensdauer. Die geht auch nach einiger Zeit wieder weg oder wird weniger. Also ganz weg geht die nie, aber die wird weniger. Das ist das eine Problem. Ich würde jetzt mal speziell die SIREN-Studie ausnehmen, die hat nämlich sehr sorgfältig getestet. Aber es gibt populationsbasierte Studien, auf denen diese Erkenntnisse basieren, beispielsweise die Datensätze, die auch sehr gut sind, zum Beispiel aus Dänemark, die auch zu ähnlichen Ergebnissen kommen, dass auch so ungefähr 80 Prozent Schutz durch eine überstandene Erstinfektion resultiert. Die basieren aber mit einer Betonung auf symptomatischen Fällen. Einfach deswegen, man hat in der zweiten Welle geschaut, wer infiziert sich eigentlich? Und hat das korreliert mit den vorbekannten Testergebnissen dieser Person. Man hat gefragt: Infiziert sich eigentlich jemand, der in der ersten Welle PCR-positiv getestet wurde, geringer als jemand, der noch nie vorher einen PCR-Test hatte, weil er nie krank war? Da kommt man eben zu dem Schluss, ja, die damals PCR-Positiven, die infizieren sich jetzt in geringerem Maße. Der Schutz ist toll, der ist so um die 80 Prozent. Das Problem ist nur, in der ersten Welle haben sich ja vor allem Leute PCR-testen lassen, die damals symptomatisch waren. Da hat man ja nicht so leicht mal eben schnell einen PCR-Test gemacht. Das war ja alles neu. Das betont eben auf symptomatische Verläufe, auf schwerere Verläufe in der Grundimmunisierung. Die haben einen höheren Antigenstimulus gehabt. Und darum sind wahrscheinlich diese Auffassungen über die Schutzwirkung der Vorinfektion ein bisschen überschätzt. Deswegen mein Ratschlag im Moment, dass eine geboosterte Vollimmunisierung durch die Impfung auch gegen Omikron wahrscheinlich besser schützen wird, als eine irgendwann mal überstandene Erstinfektion. Das ist die Situation in Südafrika. Die meisten haben eher die überstandene Erstinfektion. Viele haben sogar schon zwei Infektionen gehabt, aber eben natürliche Infektionen. Und da wäre ich ein bisschen optimistisch, dass vielleicht eine geboosterte Impfimmunität besser schützt. Darum bin ich für England optimistischer.
Mutationsrate Omikron im Vergleich zu anderen Varianten
Hennig: Sie haben eben schon T-Zell-Epitope gesagt, also die Stellen am Virus, die wichtig sind für den Einsatz der zellulären Immunantwort, über die wir hier auch schon oft gesprochen haben und die ja gerade im Zusammenhang mit der Impfung so wichtig ist, weil sie eben den Schutz vor dem schweren Verlauf möglicherweise sicherstellen kann. Können Sie für uns versuchen zu quantifizieren, anhand der bekannten Mutationen, wie groß die Veränderungen in diesem Bereich sein können bei den T-Zell-Epitopen? Wir haben ja jetzt immer schon mal wieder gehört, wie viele Mutationen es im Spike-Protein gibt, die aus verschiedenen Varianten eben auch bekannt sind.
Drosten: Ja, dazu gibt so eine kleine Vorstudie. Die hat sich das mal theoretisch angeschaut. Also bei der Omikron-Variante, da sind ungefähr 30 Prozent der T-Zell-Epitope und B-Zell-Epitope betroffen, die im Impfstoff vorkommen, also im Spike-Protein. Bei den anderen Varianten lag das immer so im Bereich von so zehn Prozent der B-Zell-Epitope. Ach so, da muss ich sagen, das sind eben die Antikörper-Epitope, also letztendlich die Stellen im Protein, wo die Antikörper dran binden, und dann eben meist auch zu einer Neutralisierung des Virus in dem Neutralisationstest führen. Und das ist so die wirklich unmittelbare Abwehrschranke, Antikörper, die auf der Schleimhaut sind, die das Virus blocken. Das sind so gesehen akut jetzt mal die wichtigeren Epitope. Bei den T-Zell-Epitopen denken wir eher, das sind die Schutz-Epitope gegen den schweren Verlauf. So ganz einfach gesagt. Und da ist es jetzt so, 30 Prozent von beider Sorte Epitope sind betroffen durch die Omikron-Mutationen, wenn man im Spike-Protein schaut. Das, was der Impfstoff an Epitopen vermittelt, da sind 30 Prozent beider Sorten bei der Omikron-Variante betroffen. Bei den anderen Varianten, die man so kennt, liegt es im Bereich von zehn Prozent der B-Zell-Epitope und 15 Prozent der T-Zell-Epitope. Auch das sagt voraus, dass wir einen Schwund der Impfimmunität haben werden und natürlich auch der natürlichen Immunität.
Hennig: Aber keinen absoluten Schwund möglicherweise.
Drosten: Also kein vollkommenes Verschwinden, sondern eine Reduktion.
Hennig: Dann kann man zusammenfassen, die Sorge, dass Risikogruppen nach der Booster-Impfung sogar wieder bei null anfangen müssten, ist mutmaßlich übertrieben. Oder?
Drosten: Es ist ein bisschen informiertes Bauchgefühl: Ich glaube, im Moment nicht, dass jemand, der geboostert geimpft ist, seinen gesamten Immunschutz verloren hat und wieder so dasteht wie am Anfang der Pandemie.
Pathogenität und Daten aus südafrikanischen Krankenhäusern
Hennig: Damit kommen wir aber zu einem ganz wichtigen anderen Thema, das wir noch nicht so angesprochen haben, nämlich die Frage: Wie krank macht denn die neue Variante? Also die Pathogenität. Wenn wir jetzt natürlich in Südafrika vor allem Genesene haben, kann man ja noch gar nicht sagen, was das zum Beispiel für immunologisch naive Menschen bedeutet. Aber trotzdem ist für uns ja auch wichtig: Was bedeutet das für Geimpfte? Wir wissen, dass man da Länder nicht einfach eins zu eins miteinander vergleichen kann, weil auch der Altersschnitt maßgeblich ist für die Krankheitslast. Also sind es eher Jüngere oder Ältere, die sich infizieren und so weiter. Es gibt ja aber zumindest Beobachtungsdaten zu Omikron aus den Krankenhäusern in Südafrika, aus denen man vielleicht irgendwas ableiten kann.
Drosten: Ich glaube, wir müssen den Ländervergleich wahrscheinlich noch ein bisschen hintenanstellen. Ich glaube, für Deutschland müssen wir noch mal ganz separat reden. Und sollten wir auch. Aber bei Südafrika, da gibt es eben inzwischen ein paar Daten. Das sind jetzt Daten, die sind auf einer Homepage veröffentlicht, Daten von einer Krankenhausgruppe in Pretoria. Die kann ich hier mal ganz kurz vielleicht zusammenfassen. Ich nenne aber jetzt eher die Dinge, die vielleicht wichtig für ein allgemeines Verständnis.
Das ist so eine Mischung aus Datenzusammenstellung und einer Eindrucksbeschreibung der klinischen Kollegen dort. Sie sagen beispielsweise, von den aufgenommenen Patienten brauchen jetzt so ungefähr 21 Prozent Sauerstoff, jeder Fünfte, was total wenig ist. In früheren Wellen waren das praktisch alle der Patienten, die wegen Covid eingeliefert wurden, die Sauerstoff brauchten. Und viele der Fälle, die sie jetzt haben, haben eigentlich unterliegende andere Diagnosen. Die sind nicht unbedingt wegen Covid eingeliefert worden, sondern Covid haben sie zusätzlich zu einer Grunderkrankung. Dann gibt es aber eine kleine Vorsichtsnotiz dazu, die sagt, dass gerade die sehr rezenten Fälle, die jetzt gerade in den letzten Tagen reinkommen, vielleicht wieder schwerer werden. Da muss man also noch ein bisschen warten.
Aber es gibt auch andere Indikatoren, beispielsweise von den Krankenhauspatienten. In letzter Zeit sind mit Covid 6,6 Prozent verstorben. Früher war das eher so im Bereich von 17 Prozent. Es ist eine andere Situation als bei uns im Krankenhaus. Das ist eben Südafrika. Da wartet man, glaube ich, auch länger, bis man ins Krankenhaus geht. Also man ist da schwerer krank. Die Krankenhausaufenthaltsdauer hat sich verkürzt, ungefähr drei Tage sind es jetzt und es waren mal 8,5 Tage in den früheren Wellen. Das Auffälligste ist, das Alter hat sich verändert. Man kann sagen, jetzt sind 80 Prozent der Fälle unter 50 Jahre. Früher war der Schwerpunkt der Fälle eher im älteren Bereich, also über 50 Jahre oder über 40 Jahre. Das ist eine sehr starke Änderung. Und man kann sich natürlich klarmachen, es gibt eigentlich zwei Möglichkeiten, warum man diese Reduktion der Krankheitsschwere sieht. Das eine ist, dass jetzt praktisch jeder in Südafrika schon einmal in den vorangegangenen Wellen, gerade nach der schweren Delta-Welle im Winter, mal eine Infektion hatte und jetzt praktisch alle Infektionen schon Zweitinfektionen sind. Und da gibt es eine gewisse zugrunde liegende Immunität und darum auch eine geringere Krankheitsschwere. Zum anderen, wenn sich das Alter der Patienten verschiebt, weil dieses Virus, aus welchen Gründen auch immer, jetzt betont jüngere Leute infiziert, dann ist dieses jüngere Alter natürlich auch schützend gegen den schwereren Krankheitsverlauf des durchschnittlichen Patienten. Also beides ist wahrscheinlich richtig in diesem Fall.
Mehr Krankenhauseinweisungen im Kindergartenalter
Dann muss man noch was dazusagen, das ist etwas, wo man noch genauer schauen muss und wo man sich auch separat drüber Sorgen machen muss. Hier werden 20 Prozent genannt, also 19 Prozent der Krankenhausaufnahmen waren Kinder zwischen null und neun Jahren, was ganz anders ist als früher. Es gibt unabhängig davon andere Berichte aus Südafrika, die das bestätigen und die eher noch suggerieren, dass es bei den noch kleineren Kindern ist, also eher so in der Altersspanne null bis vier, null bis fünf Jahre, dass da in überproportionalem Maße die Krankenhausaufnahme-Rate wegen Covid angestiegen ist mit Beginn der Omikron-Durchseuchung oder Omikron-Welle. Man sieht schon, dass eigentlich der Fokus der Inzidenz jetzt bei den mittelalten und jüngeren Erwachsenen ist. Dann ist da aber eine Lücke bei den Studenten- und Schüler-Altersgruppen, wo der Anstieg nicht so stark durch Omikron ist, und dann speziell bei den jüngeren Kindern unterhalb des Schulalters, dort steigt es jetzt wieder ganz stark an. Und wohlgemerkt, wir sprechen hier von Krankenhausaufnahmen, also von symptomatischen Verläufen. Das heißt jetzt nicht, dass da Kinder direkt dran versterben und so weiter. Es hat wohl schon erste Fälle gegeben. Aber das heißt es nicht, sondern es heißt eben, jüngere Kinder sind offenbar auffälliger krank mit der Omikron-Variante in Südafrika.
Hennig: Geht das denn aber einher mit höheren absoluten Zahlen an Infektionen unter Kindern, also der Anteil proportional der schwereren Verläufe an Infizierten bei Kindern, da kann man noch nicht sagen, dass der jetzt gestiegen wäre. Oder?
Drosten: Es sieht ein bisschen so aus, als wäre dieser Effekt über alle Altersgruppen gleichmäßiger verteilt, also das Verbreiten dieses Virus, aber das Ansteigen eben der schwereren Infektionen, das ist ein bisschen überbetont bei den kleinsten Kindern, genau wie es zum Beispiel überbetont ist bei den mittleren Erwachsenen-Altersgruppen gegenüber den Älteren. Das ist interessant. Also es könnte auch damit zu tun haben, dass man eben auch in Südafrika bei den Impfungen die Älteren priorisiert hat. Man hat versucht, schon die Ältesten zuerst zu impfen.
Hennig: Das heißt, es könnte so ein doppelter Effekt sein. Also zum einen, dass sich das in die jüngeren Altersgruppen verschiebt, weil die Impfung da eben andere schützt. Und wenn es dann ein Immunescape gibt, dass sich Kinder vielleicht bei ihren genesenen Eltern in der Familie anstecken, die aber eben möglicherweise nicht geimpft sind.
Drosten: So kann man es sich zum Beispiel vorstellen, also in diesem Alter unterhalb des Schulalters ist es ja sicherlich in der Winterwelle nicht dazu gekommen, dass eine spezielle Durchseuchung durch Infektion stattgefunden hat. Denn die nehmen ja nicht am Schulbetrieb teil. Bei diesen jüngeren Kindern wird jetzt weniger Immunität sein, so würde ich mir das mal vorstellen. Und da wird dieses Omikron-Virus jetzt offenbar schwerere Verläufe machen und wahrscheinlich in größerer Zahl in der Familie weitergegeben. Das kann man sich ja gut vorstellen, wenn auch gleichzeitig eben die mittleren Erwachsenen-Altersgruppen, also die Eltern-Altersgruppen, Eltern kleiner Kinder auch, wenn die der Fokus der neuen Infektionstätigkeit sind. Also dort gibt es diese vielen Durchbruchsinfektionen. Dann werden natürlich sekundär in den Familien auch die kleineren Kinder infiziert werden. Und jetzt sieht man dort schwerere Verläufe als vorher oder mehr Krankenhausaufnahmen, muss man sagen, in absoluter Zahl als vorher.
Das deutet ein bisschen auf etwas hin, das vielleicht auch wichtig ist hier mitzunehmen in unserer großen Ratestunde: Wir können hier keine richtige, datenbasierte Wissenschaftsinformation machen, sondern das ist wirklich eine Ratestunde. Das muss ich auch immer wieder sagen. Aber ich nehme daraus mit, dass es wahrscheinlich nicht so ist, dass dieses Omikron-Virus für Ungeimpfte ein harmloses Virus ist. Das würde ich jetzt mal schätzen, weil ich würde in Südafrika vor allem bei den jüngsten Kindern noch die größte Anzahl an nicht-immunen Leuten vermuten. Also dort wird es wahrscheinlich noch eine Immunitätslücke geben. Wenn wir jetzt sehen, dass dort im Gegensatz zu früher, also früher war es nicht so, dass wir da eigentlich schwere Fälle hatten bei den jüngsten Kindern. Auf einmal sehen wir da Krankenhausaufnahmen, das heißt für mich nichts Gutes für die immunologisch-naive Bevölkerung, wenn sie mit Omikron in Kontakt kommt. Also Omikron ist wahrscheinlich für immunologisch-naive Leute kein harmloses Virus.
Kinderimpfung
Hennig: Das wirft auch noch mal ein neues Licht vielleicht auf die Frage der Risiko-Nutzen-Abwägung der Impfung für Kinder. Auch in Südafrika werden ja unter Zwölfjährige noch nicht geimpft.
Drosten: Ja, wir müssen aufpassen. Wir sollten hier nicht, sagen wir mal, eine ganz schlimme Situation an die Wand malen. Es ist weiterhin auch in Südafrika, auch mit der Omikron-Variante so, dass Kinder einen milderen Verlauf haben. Nur sehen wir eben jetzt mit Anlaufen dieser Omikron-Welle mehr Krankenhausaufnahmen als sonst. Das ist eine Verschiebung. Und natürlich, meine Haltung dazu ist ja sowieso, glaube ich, einigermaßen klar aus den vergangenen Podcast-Folgen.
Wir können jetzt inzwischen auch sagen, in den USA hat man ja von den kleineren Kindern durchaus auch fünf Millionen geimpft und hat keine schweren Nebenwirkungen gesehen. Insofern können wir da sehr optimistisch sein und auch vielleicht großzügig in den Empfehlungen für die Impfung kleinerer Kinder. Und das wird ja kommen, selbst für die unter Fünfjährigen laufen ja Studien. Biontech rechnet damit, dass Anfang des Jahres Daten da sind, Studiendaten für die Vakzine ab null Jahre, also für die jüngste Altersspanne. Und wir werden uns da auch weiterentwickeln im Prozess und auch in diese Richtung irgendwann Vakzinen haben. Wir müssen vielleicht auch noch darüber reden, dass es wegen der Omikron-Variante wahrscheinlich notwendig sein wird, die jetzigen Vakzinen anzupassen, denn die wirken einfach nicht mehr gut genug. Man wird wahrscheinlich mit diesen Vakzinen auf Dauer nicht mehr weiterarbeiten können. Im Moment ist es sicherlich noch gut, die zu verwenden und auch die Booster-Impfung unbedingt voranzutreiben. Vielleicht sollten wir darüber reden, wenn wir über Deutschland reden.
Impfstoff-Update und zweiter Booster
Und trotzdem wird es so sein, dass es besser ist, dass man dann den Vakzinen ein Update gibt. Man wird im zweiten Quartal des nächsten Jahres damit rechnen können, dass man anfängt, mit der nächsten Generation von Impfstoffen zu impfen.
Hennig: Dann auch für eine vierte Impfung, für einen Booster, zumindest für Risikogruppen womöglich.
Drosten: Zumindest für Risikogruppen. Ich würde es auch nicht ausschließen für die gesamte Bevölkerung. Hier beziehen wir uns jetzt auf Deutschland. Und dennoch würde ich ebenfalls auch noch mal dagegenhalten, wo wir das jetzt hier an dieser Stelle erwähnen, weil da so viel Hitze in der Diskussion ist. Das heißt natürlich nicht, wie das von einigen Leuten auch auf Social Media behauptet wird, dass das jetzt der Eintritt in ein lebenslanges Impfabo ist. Dass man sich also ab jetzt immer impfen lassen muss. Nein, wir sind auf dem Weg in einen endemischen Zustand. Südafrika ist schon viel weiter auf diesem Weg. Dieses Omikron-Virus ist ein Nachdurchseuchungsvirus, vielleicht das erste endemische Virus, also ein Virus, das endemisch werden will und es auch kann, dafür optimal von der Evolution selektiert wurde. Und vielleicht wird dieses Virus in Südafrika die letzte Lücke schließen und wir sind dann in Südafrika endemisch und vielleicht in einigen anderen ähnlichen Ländern auch. Leider mit hohen Zahlen von Opfern, zum Glück wegen des jüngeren Altersprofils nicht solche Opferzahlen, wie wir hier bei uns erwarten müssten und auf keinen Fall tolerieren können, darum unsere Kontrollmaßnahmen. Aber auch bei uns, wir müssen vielleicht jetzt als Nächstes darüber reden, wie das moderiert werden kann, dieser Übergangsprozess. Aber der wird bei uns stattfinden. Wir werden auch in einem endemischen Zustand sein.
Und in diesem Zustand werden wir mit dem Virus zunächst so umgehen wie mit Influenza. Das heißt, dann werden wir nur noch die Risikogruppen nachimpfen, die Älteren, wahrscheinlich schwangere Frauen, wahrscheinlich einige Grunderkrankte. Das haben wir ja alles x-mal in früheren Podcast-Folgen beschrieben. Es kann sogar sein, dass wir nach Jahren, eigentlich haben wir mit einem Virus wie Omikron eher so für das nächste Jahr gerechnet und nicht schon jetzt. Aber jetzt ist es eben da. Aber nach einigen Jahren mag es auch so sein. Es wäre im Moment meine Vermutung, dass wir dann vielleicht gar nicht mehr nachboostern müssen, weil die Coronaviren anders als Influenza evolvieren. Die Corona-Viren sind auf eine gewisse Art stabiler als Influenza. Und es kann sein, dass wir dann irgendwann auch aus der Pflicht, die Älteren immer abzudaten, immer nachzuboostern, wie wir das jetzt auch bei Influenza machen, dass wir da auch irgendwann rauskommen. Aber bis dahin sind es viele Jahre, die wir erst mal in dem Übergang sind, wo wir schon endemisch sind. Aber die Risikopatienten wahrscheinlich nachboostern müssen. Ich will im Moment nicht ganz ausschließen, dass wir sogar die gesamte Bevölkerung noch ein paar Jahre zum Winter hin mit angepassten Impfstoffen der nächsten Generation nachboostern müssen.
Hennig: Also dann möglicherweise auch Kinder und Jugendliche, soweit sie schon geimpft wurden?
Drosten: Ja, das würde das dann beinhalten. Eine Boosterdosis im Herbst für möglichst viele, sagen wir mal so.
Omikron und Impfquote in Deutschland
Hennig: Wir wollen jetzt gleich mal nach Europa und insbesondere nach Deutschland gucken. Das haben Sie ja schon angedeutet. Ich möchte an der Stelle trotzdem noch mal nachfragen, weil das so eine große Laien-Befürchtung ist, die sich jetzt natürlich im Angesicht von Omikron einstellen kann: Das endet nie mit der Evolution. Sie waren ja schon mal relativ optimistisch, was die Mutationen angeht. Alle Varianten, das griechische Alphabet hat ja noch mehr Buchstaben, die wir gar nicht wahrgenommen haben. Da gab es Varianten, die haben aber keine große Bedeutung gespielt, die mutieren ganz ähnlich. Jetzt haben wir eine Variante, die aber so das schlechte aus mehreren Varianten in sich vereint und da verschiedene Kategorien zusammenschmeißt. Sie gehen aber nicht davon aus, danach kann noch eine kommen mit einem noch größeren Immunescape, einer noch größeren Fitness, sondern das könnte wirklich der Übergang sein?
Drosten: Diese Virusevolution, die hat erst mal natürlich biologische Grenzen, die wir nicht genau kennen. Die hat aber auch einen Entstehungsgrund. Und der Entstehungsgrund ist einfach eine massive Replikation in einer Bevölkerung, die zunehmend immun wird, wie eben in diesen Ländern im südlichen Afrika. Ich bin übrigens gar nicht davon überzeugt, dass das Virus speziell aus Südafrika kommt. Das kann auch eines der Nachbarländer gewesen sein. In all diesen Ländern hatten wir im Südhalbkugel-Winter eine ganz große Delta-Durchseuchungswelle. Und das kann ja in anderen Erdteilen auch passieren. Aber jetzt hier war es so, große Durchseuchungswelle und ein ganz großer Hühnerhaufen von Viren, die durcheinanderflattern und sich miteinander vermehren. Also gerade in solchen Situationen, wo wir sehr hohe Infektionstätigkeit in einer Bevölkerung haben, da kommt es dann auch zu Mehrfachinfektionen, zur Rekombination. Die Viren werden dann pseudosexuell, also die tauschen dann in vielen, vielen Vermehrungsvorgängen ihr Erbgut miteinander aus, was sie sonst nicht machen. Sonst müssen sie eine Mutation nach der anderen anhäufen. Das dauert viel länger. Und so ist es hier sicherlich wohl auch gewesen, dass optimale Eigenschaften verschiedener Viruslinien zusammengesteckt wurden. Da kommt dann am Ende, wenn der Hühnerhaufen zur Ruhe kommt, so ein Küken rausgepiepst, und das ist dieses Omikron-Virus. Das wächst. Das wird wieder zu einem echten Huhn. Und das haben wir jetzt so langsam vor uns. So kann man sich das vielleicht vorstellen. Aber dieser Riesenhühnerhaufen, der entsteht nicht jedes Jahr wieder von Neuem. Das wird weltweit eine gewisse Beruhigung finden, das ganze Geschehen. Wir werden also nicht weiter weltweit pandemische Durchseuchungswellen haben, sondern wir werden in allen Teilen der Erde endemische Situationen haben. Und wir kommen eher in so ein Fahrwasser wie bei der Influenza rein.
Hennig: Lassen Sie uns nach Europa und nach Deutschland gucken. Was wissen wir denn über Omikron in Deutschland? Das ist ja eigentlich im Moment noch das Stadium, wo einzelne Infizierte vermeldet werden. Aber wenn wir nach England gucken, dann ist natürlich bei niedrigen Zahlen eine Wachstumsgeschwindigkeit etwas, wo man genau hingucken muss.
Drosten: Ja, in Deutschland wissen wir noch gar nicht genau, wie viele Fälle wir überhaupt haben. Im Kollegenkreis an den Unikliniken tauscht man natürlich Daten aus, informell. Ich denke, wir haben im Moment so 25 oder 30 bekannte Omikron-Fälle in Deutschland. Das wird in ganz kurzer Zeit zunehmen. Also was wir jetzt hier so zusammengetragen haben, ist noch gar kein offizieller Datenstand. Das ist nicht vollständig. Gleichzeitig läuft ja die Sequenziertätigkeit in den großen niedergelassenen Laboren, wo auch viele Proben zusammenkommen. Und wir können schon damit rechnen, dass wir jetzt in ein oder zwei Wochen wohl auch im Hunderterbereich liegen werden. 200, 300 Fälle würde mich überhaupt nicht wundern, wenn wir die nächste Woche hätten. Aber es ist jetzt im Moment reines Guesswork, also Spekulation. Und auch dann wäre das noch ein Zustand, wo die meisten dieser Fälle entweder gerade frisch importiert sind oder direkte Folge-Cluster sind von importierten Fällen, die also damit noch in Zusammenhang stehen. Wir haben ja so unser Ziel, fünf Prozent der nachgewiesenen Viren zu sequenzieren. Ich glaube, wir müssen jetzt nicht unbedingt eine große Hauruck-Aktion machen, wie am Anfang des Jahres. Im Januar, als die Sequenziertätigkeit nicht etabliert war. Und wir dann per PCR schnell gucken müssten, was wir eigentlich haben an Alpha-Virus in Deutschland. Das wird jetzt einfach mit der Sequenzierung kommen. Also das ist zwar etwas weniger sensitiv, weil wir nicht jedes Virus sequenzieren können, aber das führt höchstens zu einer kleinen Zeitverzögerung.
Verbreitung in Deutschland
Wir werden sicherlich, sagen wir mal bis Anfang Januar ganz konstant sehen können, wie sich dieses Virus in Deutschland auch vermehrt, vor dem Hintergrund der Delta-Variante. Ich will im Moment, in der heutigen Ratestunde, auch nicht ausschließen, dass wir vielleicht sogar über die Weihnachtstage schon in einen Bereich kommen, der beängstigend ist. Also wo wir dann vielleicht schon sagen, wir sind hier schon irgendwo über 50 Prozent oder 70 oder sogar schon gesättigt, wer weiß. Das ist im Moment alles gar nicht auszuschließen. Man muss da jetzt einfach noch ein bisschen Geduld mit der Situation haben. Es gibt Unwägbarkeiten, an die man im Moment nicht denkt. Wir sind in Deutschland nicht wie England, und das ist nicht nur deswegen so, weil wir eine andere Impfverteilung haben. Das ist das Schlechte in Deutschland, dass wir diese Impflücke haben. Und wir haben ja gerade darüber gesprochen, wenn das so ist, dass die kleinen Kinder in Südafrika auf einmal stärker krank werden, dann müssen wir befürchten, dass die Ungeimpften in Deutschland auch stärker krank werden von der Omikron-Variante. Das ist einfach, sagen wir mal, kein Unkenruf, kein Teufel an die Wand oder so etwas, sondern das ist einfach eine Vorsichtsüberlegung, also etwas, wo wir uns nicht im Nachhinein ärgern dürfen oder bedauern dürfen, dass wir das übersehen oder ignoriert haben. Ich möchte hier darauf einfach nur hinweisen, dass es diesen Zusammenhang geben könnte. Das wäre ganz schlecht.
Hennig: Und da sind besonders die ungeimpften Alten natürlich im Fokus. Die große Lücke, die wir haben.
Drosten: Genau. Und das sind in Deutschland viel zu viele. Da liegt jetzt eine wirkliche Gefahr, dass durch ein schnell aufkommendes Omikron-Virus in Deutschland ein ganz plötzlicher Umschwung der Situation kommt. Während wir hier versuchen, Delta zu moderieren, durch immer besseres Nachanpassen der 2G-Regeln, haben wir plötzlich, und das schneller, als wir uns das irgendwie überhaupt vorstellen können, eine neue Situation. Die dann vielleicht sogar als Erstes bei den Krankenhausaufnahmen und bei den schweren Fällen bemerkt wird. Das ist eine Möglichkeit. Ich sage aber noch was anderes dazu. Wir müssen uns klarmachen, dass wir in Deutschland die ganze Zeit jetzt schon wegen Delta mit angezogener Handbremse fahren. Das macht man in England viel geringer und in Südafrika noch geringer. Also diese rasende Verbreitung mit 25 Prozent Zuwachs pro Tag und einem R-Wert um die drei…
Hennig: Über drei meinen Sie, wenn die Entwicklung in Südafrika so weitergehen würde?
Drosten: Genau. Das ist natürlich in einer Situation mit, sagen wir mal, losgelassener Handbremse, und bei uns ist die Handbremse nicht losgelassen. Das ist dann natürlich auch eine Situation, wo wir uns für Deutschland schon klarmachen müssen oder klarmachen können, dürfen, dass es vielleicht langsamer geht mit dem Zuwachs hier bei uns.
Hennig: Was Zeit geben würde, doch noch mal bei den Impfungen nachzulegen.
Drosten: Ja. Wir brauchen ganz dringend die Zeit. Entweder wir kriegen diese Zeit, weil unsere Handbremse schon ein bisschen angezogen ist. Oder, wenn sich das zeigen sollte, dass die Krankheitslast in Deutschland hoch ist, wegen der Impflücke durch Omikron und dass das so schnell zuwächst wie in England, auch auf die Bremse treten, weil dann ist es irgendwann ganz schnell zu spät bei diesem schnellen Zuwachs.
Hennig: Andererseits ist die Sache mit der Handbremse natürlich eine leicht angezogene Handbremse. Aber Sie haben das Stichwort Weihnachten eben schon gesagt. Und es ist jetzt nicht so, dass in Innenräumen gar keine Menschen mehr zusammenkommen, auch in Deutschland nicht.
Superspreader-Events in Dänemark und Norwegen
Wir haben so Ausbreitungsereignisse einigermaßen gut dokumentiert, zum Beispiel aus Norwegen und Dänemark, wo es Partys gegeben hat. In Norwegen, habe ich mal geguckt, das waren 120 Partygäste. Davon war anschließend mehr als die Hälfte infiziert. Omikron hat da eine große Rolle gespielt. In Dänemark ist es ein bisschen ähnlich. Das war, wenn ich das richtig gelesen habe, ein Weihnachtsessen, das auch mit einem Konzert zusammenhing in der Infektionsdynamik. Und das waren 150 Schüler, von denen gut ein Drittel davon infiziert war, vermutlich fast alle mit Omikron.
Drosten: Ja, dieses Virus scheint einfach extrem verbreitungsfähig zu sein. Man weiß natürlich gar nicht genau, woran das liegt. Wir können davon ausgehen, dass in diesen Ländern viele oder die meisten dieser Teilnehmer bei diesen Weihnachtsfeiern grundimmunisiert waren. Auf die eine oder andere Art, also zumindest eine erste Dosis Impfung werden auch diese jüngeren Leute inzwischen alle gehabt haben, gerade in den skandinavischen Ländern. Andere sind, weil ja schon relativ früh geöffnet wurde, gerade in Dänemark, natürlich auch vorinfiziert. Unter diesen Bedingungen sehen wir diese unglaubliche Verbreitung. Ich meine, man kann da jetzt keine sekundäre Attack-Rate draus rechnen oder so. Aber das sieht ja in diesen Ausbrüchen fast so aus, als wäre deutlich über die Hälfte der anwesenden Leute einfach infiziert worden aus einer einzelnen Quelle, und das zum Teil über längere Zeiten, also zum Teil, nachdem sich dann diese Gesellschaft offenbar aufgelöst hat, einfach durch die gleiche Raumluft, die man noch weiter geatmet hat. Wahrscheinlich wird da also relativ viel Virus auch ausgeschieden. Also, das ist schon besorgniserregend. Das muss man schon sagen.
Omikron-Quoten
Hennig: Wenn jetzt andere Länder in Europa schon so Quoten angeben für Omikron, ich meine, Holland und Belgien haben einen Anteil von fünf Prozent oder so geschätzt. Ist das eine Überschätzung aus Ihrer Sicht? Oder kommt das hin vielleicht?
Drosten: Ja, also in diese Länder wird extrem viel frisch importiert. Und gleichzeitig gibt es auf diese frischen Importe eben Aufmerksamkeitseffekte, dass man versucht, durch die Testung diese Patienten wieder ganz genau nachzuverfolgen, wie man das praktisch am Anfang der Pandemie mit höchster Energie gemacht hat und jetzt natürlich in vielen Teilen bereits aufgegeben hat. Also dass man noch so eine strikte Fallverfolgung macht, das ist ja in Wirklichkeit schon längst passé, weil man letztendlich ein bisschen davor kapituliert hat und sich über die Impfquote jetzt auch denkt, es ist nicht mehr so notwendig. Hier schaut man jetzt wieder ganz doll hin. Gerade in Ländern, die klein sind, wo die Absolutzahl der Tests auch nicht so groß ist, dass ein paar Flugzeuge mit Erstfällen gibt, deren Erstfälle man dann ganz genau verfolgt und die Cluster dann sieht und testet, dass das auch zu Überbetonungen führt. Das sind eben diese Aufmerksamkeitseffekte in den Statistiken. Deswegen bin ich mir jetzt nicht so sicher, ob sich das wirklich bewahrheitet, dass wir wirklich im Moment schon fünf Prozent Omikron in Belgien und den Niederlanden haben. Das wäre natürlich nicht so gut. Denn auch da kennen wir die Verdopplungsgeschwindigkeit jetzt nicht definitiv, aber man mag sich das gar nicht durchrechnen, wenn das wirklich so wäre, dass sich das alle drei Tage verdoppelt.
Wir haben einige Hinweise, die wir vielleicht noch mal nennen sollten. Ein Hinweis, den wir jetzt erarbeitet haben, ist, wir sollten damit rechnen, das vollständig geimpfte Leute wohl auch gegen Omikron besser geschützt sind als Leute, die die Infektion nur hinter sich haben.
Zusammenfassung der Erkenntnisse und Ausblick
Wir sollten auch noch mal sagen, wir müssen aus einer Vorsichtsüberlegung heraus, aber auch angesichts der Information über die schwereren Fälle bei Kindern, davon ausgehen, dass das Omikron-Virus bei Ungeimpften nicht harmlos ist, also bei immunologisch Naiven, die die Infektion nicht hinter sich haben. Dort wird es wahrscheinlich weiterhin, wie jedes andere SARS-2-Virus auch, durchaus zu schweren Verläufen führen.
Also wir müssen ganz stark aufpassen, dass wir hier nicht in Euphorie verfallen, angesichts von Zeitungsmeldungen, die in den nächsten Tagen aus Südafrika kommen werden. Die werden sagen, der Krankheitsverlauf ist milder bei Omikron. Das gilt in Südafrika, wo jeder schon mindestens eine Infektion hinter sich hat. Und das mag bei uns gerade in unserer Impflücke nicht gelten. Das müssen wir unbedingt schon aus reiner Vorsicht mit einberechnen. Und dann sollten wir uns auch klarmachen, wenn das so schnell zuwächst, alle drei Tage Verdopplung in Deutschland, dann ist das eine Entwicklung, die schneller ist als jede politische Entscheidungsmöglichkeit. Also dann hätten wir bald ein ernstes Problem. Aber wir fahren mit angezogener Handbremse im Vergleich zu unseren Referenzländern Südafrika und England, deswegen könnte es auch gut sein, dass die Zuwachsgeschwindigkeit in Deutschland geringer ist. Aber sie wird nicht null sein. Das Virus wird auch in Deutschland zuwachsen. Das wäre im Moment mein Bauchgefühl, dass man vielleicht sagen könnte, das Delta-Virus ist unser Problem bis in den Januar hinein. Und das Omikron-Virus ist unser Problem bis zum Sommer.
Ich sage deswegen nicht bis Ostern, weil wir in Südafrika im Moment sehen, dass der dort einsetzende Sommer nicht gerade dazu führt, dass Delta verringert wird. Man muss sich das jetzt vorstellen wie Italien im Mai schon von der Temperatur, vom Klima. Das wächst ziemlich explosionsartig in die Sommerwelle hinein, in die Sommerzeit hinein. Darum würde ich im Moment auch nicht sagen: Bis Ostern ist in Deutschland die Pandemie vorbei, wenn Omikron übernimmt, also bei dieser hohen Übertragbarkeit. Wenn ein Virus eine sehr hohe Übertragbarkeit hat, dann sind ein paar Prozent Reduktion durch den Wärmeeffekt nicht mehr ausreichend, um den R-Wert unter eins zu kriegen. Deswegen, ich denke, ab Januar werden wir mit Omikron in Deutschland ein Problem haben. Dieses Problem, das mag ähnlich von der Krankheitslast ausfallen und möglicherweise auch von der Verbreitungsgeschwindigkeit wie Delta jetzt. Aber es könnte sein, dass es sich in beiden Parametern anders darstellt. Und es gibt noch eine Warnung für die Ungeimpften, die ich wirklich auch noch hier aussprechen muss. Wir haben es hier offensichtlich mit einem Virus zu tun, das zusätzlich zum Immunescape auch einen Anstieg der intrinsischen Fitness des Virus hat. Und wir haben bis jetzt immer gesehen, damit meine ich bei Alpha und bei Delta, dass ein Anstieg der intrinsischen Fitness auch mit einem Anstieg der Krankheitsschwere einhergegangen ist. Das wird natürlich besonders die Ungeimpften treffen. Es könnte sogar sein, dass die Krankheitsschwere bei Ungeimpften nicht nur nicht verringert ist, entgegen der Erwartung der Daten aus Südafrika, sondern es könnte sogar sein, dass die Krankheitsschwere, dass die Symptome noch schwerer werden. Einfache Überlegung, falls dieser Fitnessgewinn, der Verbreitungsgewinn einfach daherkommt, dass das Virus noch stärker repliziert und noch mehr Virus entsteht, dann kann man sich denken: Viel Virus, viel Krankheit.
Hennig: Das heißt, die Kategorien, diese drei möglichen Kategorien, in denen man da denken muss, die kann man ohnehin nicht vollständig voneinander trennen und sagen: Das eine trifft zu, das andere nicht. Sondern wie vieles andere spielt es ineinander rein.
Drosten: Ja. Wir werden in den nächsten zwei oder drei Wochen deutlich bessere Daten bekommen, sowohl aus Südafrika als auch aus England und vielleicht auch aus anderen Ländern, die sehr genau hinschauen können, weil sie eben eine durchgehende Datenstruktur haben. Also vielleicht Israel. Aber die haben jetzt sehr früh zugemacht. Da bin ich mir nicht sicher, ob die genug Fälle haben. Aber es wird vielleicht noch ein paar andere Länder im skandinavischen Bereich geben, die uns da helfen können. Aus Deutschland werden wir das wahrscheinlich wieder nicht kriegen. Das liegt aber einfach an unserer Durchgängigkeit der Datenstruktur, die bei uns einfach nicht gegeben ist. Aber wir werden das auseinanderdividieren können. Also diese Ratestunde, die wir heute machen, die wird nicht immer so bleiben.
Wir werden da durchaus mehr sagen können. Im Moment können wir nur grobe Sachen sagen und ich will hier nicht irgendwelche Teufel an die Wand malen. Aber ich muss schon eben auch aus Verantwortung hier immer sagen: Wir sollten im Zweifelsfall, angesichts einer solchen Veränderung des Virus, immer auch eine Vorsichtsüberlegung walten lassen. Und da habe ich ja jetzt schon genügend Dinge gesagt. Wir haben es hier im Prinzip mit einem perfekten Nachpandemievirus zu tun, also ein perfektes erstes endemisches Virus. Da, wo das Virus auch selektiert wurde und entstanden ist, in den südlichen afrikanischen Ländern. Aber wir sind eigentlich noch nicht bereit für eine Nachdurchseuchung in diesem Sinne. Wir sind noch nicht so weit mit unserer Impfimmunität. Wir haben eine so alte Bevölkerung, dass wir es uns bisher nicht leisten wollten und es auch in Zukunft nicht leisten sollten, die zugrunde liegende nötige Immunität für den Eintritt in die endemische Phase durch Infektionen zu erlangen. Das würde zu viele schwere Verläufe und Todesfälle verursachen. Darum müssen wir dann im Zweifelsfall die Zeit gewinnen, die es braucht, um über die Impfung weiterzukommen.
Hennig: Und dann ist die Impfung, also die Überhaupt-Immunisierung, die Erst- und Zweitimpfungen sind dann womöglich fast noch wichtiger als der Booster, auf den jetzt so viele setzen, der einen zusätzlichen Schutz bietet. Aber die, die den Booster bekommen, die haben ja zumindest schon eine Grundimmunisierung.
Drosten: Ja, das ist richtig. Also vielleicht kann man es sich im Moment ein bisschen so vorstellen: Die geboosterte Impfung ist die neue Doppelimpfung, wenn man so mit Omikron rechnet. Also das, was Omikron an Immunschwund macht, ist vielleicht der Unterschied zwischen zwei Dosen und drei Dosen. Das ist im Moment mein Bauchgefühl. Aber Sie haben komplett recht, und wir haben es ja auch x-mal gesagt, und die Botschaft ist leider in den Medien und Politik wieder mal unvollständig übertragen worden. Wir haben immer gesagt, die erste Priorität ist das Schließen der Impflücken und die zweite Priorität ist das Boostern. In der Politik ist jetzt immer gesagt worden, hätte man uns doch vorher gesagt, man muss Boostern, so wie in Israel. Also erstens, natürlich haben wir es gesagt, alle Wissenschaftler haben das gesagt. Natürlich haben wir auch seit dem Frühjahr schon begonnen zu sagen, der Immunschutz schwindet, darum muss man das auch irgendwann auffrischen. Aber was wir auch gesagt haben, und was in der öffentlichen Debatte im Moment mal wieder vollkommen verloren gegangen ist, ist, dass wir in allererster Linie die Impflücken schließen müssen, wenn wir in die endemische Phase reinwollen. Wir brauchen eine gesamtgrundimmunisierte Bevölkerung, um uns den Eintritt in die endemische Phase von den Todeszahlen her leisten zu können. Wenn wir das geschafft haben, können wir in die endemische Phase rein. Das Boostern hilft uns nicht zum Eintritt in die endemische Phase. Denn der Unterschied zwischen ungeimpft und dreifach geimpft ist immer noch der gleiche. Es ist immer noch Schwarz gegen Weiß. Und das Virus darf nicht in diese Lücken rein bei seiner jetzigen Pathogenität, vor allem bei der hohen Impflücke bei den Alten, die wir hier in Deutschland haben. Darum müssen wir speziell in Deutschland noch mehr auf das Schließen der Impflücken achten.
Delta und Bevölkerungsimmunität
Und die Booster-Kampagne, das haben wir in zwei Podcasts im September auch mehrmals gesagt, die Booster-Immunität ist eine Notfallmaßnahme, die in Israel ergriffen wurde und die wir jetzt auch ergreifen, um eine Bevölkerungsimmunität noch mal zu retten. Also wir haben schon wegen Delta eigentlich die Hoffnung auf die Bevölkerungsimmunität aufgeben müssen. Und wir haben eben gesagt, wie in Israel auch, man kann aber durch das Boostern für eine Zeit von ein paar Monaten, wo die Leute dann wieder IgA-Antikörper kriegen nach dem Booster, diese Verbreitungsimmunität, diese Bevölkerungsimmunität wieder retten, wieder zum Leben erwecken, durch die Booster-Immunisierung. Aber immer noch besteht dieselbe Impflücke. Und in dieser Impflücke wird es viele Todesfälle geben, wenn man dann das Virus laufen lassen würde, wenn man die Handbremse losmachen würde. Und darum können wir das einfach weiterhin nicht machen. Wir müssen die Handbremse sogar zu einem diffizileren Instrument machen, nämlich zu einer 2G-Regelung, die gezielt dort ansetzt, wo die Ungeimpften sind und diese Ungeimpften schützt. Ob die das jetzt nun verstehen oder nicht, das sei mal dahingestellt. Aber es führt einfach kein Weg dran vorbei, mit Omikron ist die Situation noch mal verschärft. Die Hoffnung auf eine Bevölkerungsimmunität schwindet mit Omikron noch mehr. Wir müssen hier voll auf den Individualschutz setzen. Und wir müssen alle Impflücken schließen.