Umfrage: Lage auf Kinder-Intensivstationen "katastrophal"
Intensiv- und Notfallmediziner schlagen bei ihrem Jahreskongress in Hamburg Alarm. Die Lage in den Kinderkliniken - und insbesondere auf den Intensivstationen - sei "katastrophal", so die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
Nach einer aktuellen Umfrage sind in ganz Deutschland im Moment nur 83 Betten auf Kinderintensivstationen frei. Das ist weniger als ein freies Bett pro Klinik, wie die DIVI-Umfrage ergab. Ein Ausweg aus der Krise ist aus Sicht der Medizinerinnen und Mediziner erst mal nicht in Sicht. Denn es würden vor allem Pflegekräfte auf den Intensivstationen fehlen, viele Betten könnten deshalb nicht genutzt werden. Und die Pflegekräfte, die noch da sind, würden - ebenso wie die Ärzte und Ärztinnen - längst über ihrem Limit arbeiten. Es brauche also eine dauerhafte Entlastung, bessere Bedingungen, um diese Abwärtsspirale zu stoppen. Zurzeit sei die Situation so, dass ständig die Gefahr bestehe, dass schwerstkranke Kinder nicht optimal versorgt werden könnten.
Deutlicher Anstieg von RSV-Fällen an Hamburgs Kinderkliniken
Erschwert wird die Situation durch die vielen RSV-Erkrankungen, die sich gerade vor allem unter Kleinkindern verbreiten und auch Kinderkliniken in Hamburg an ihre Belastungsgrenzen bringen. RSV steht für Respiratorisches Synzytial-Virus - es geht um ein Virus, das die Atmung betrifft. Es ist ein bekanntes Virus, das derzeit aber mit aller Wucht kommt und an dem viele Kinder gleichzeitig erkranken. Gesundheitsexperten und -expertinnen vermuten, dass sich viele Kleinkinder aufgrund der allgemeinen Maskenpflicht und der Corona-Lockdowns in den Jahren zuvor seltener mit dem RS-Virus angesteckt hatten - und viele die Infektion jetzt "nachholen".
Wilhelmstift: Patientenzahl nahezu verdoppelt
Im Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift wurden von Ende Oktober bis Ende November mehr als 4.900 Kinder behandelt, damit habe sich die Patientenzahl nahezu verdoppelt. "Teilweise haben wir kein freies Bett für ein krankes Kind und versuchen dann, in andere Kinderkliniken zu verlegen", sagte eine Sprecherin. In den meisten Fällen könnten die Kinder aber wieder nach Hause geschickt werden. "Einen geringen Anteil an Kindern nehmen wir stationär zur weiteren Beobachtung auf." Einige bekommen unterstützend Sauerstoff zugeführt.
Auch im Altonaer Kinderkrankenhaus ist der Andrang von Eltern mit ihren Kindern sehr groß. "Viele Kinder müssen überwacht werden, bekommen Sauerstoff und haben aufgrund ihrer Atemnot einen sehr hohen pflegerischen Betreuungsbedarf", sagte der leitende Arzt der Pädiatrie, Kinderpneumologie und Allergologie, Prof. Philippe Stock.
Kinder-UKE: Versorgung sichergestellt
Die Kinderklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) verzeichnet ebenfalls zurzeit eine erhöhte Anzahl von kleinen Kindern mit Atemwegsinfektionen. "Die Intensität der Erkrankungswelle, die andere Bundesländer aktuell berichten, sehen wir im Kinder-UKE bisher noch nicht", sagte Prof. Jun Oh, Vize-Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit dem RS-Virus im Kinder-UKE sei derzeit sichergestellt.
Eltern sollten bei Anzeichen einer Infektion der oberen Luftwege frühzeitig einen Kinderarzt aufsuchen, um überprüfen zu lassen, ob eine Infektion mit dem RS-Virus vorliegt, sagte Oh. Vor allem Familien mit Neugeborenen und Kleinkindern sollten die bisher geltenden Hygienemaßnahmen weiter einhalten, um schwere Verläufe zu vermeiden.
Mediziner-Kongress noch bis Freitag im CCH
Mit der Lage der Notfall- und Intensivmedizin beschäftigt sich derzeit ein Kongress im Hamburger CCH. Insgesamt sind weit mehr als 5.600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet. Die Mediziner und Medizinerinnen beklagen hohen Personalmangel und fordern bessere Arbeitsbedingungen in den Kinderkliniken.