Nach Messerattacke von Brokstedt: Hamburg legt Maßnahmenpaket vor
Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Brokstedt haben die Hamburger Behörden ein Maßnahmenpaket vorgelegt. Der mutmaßliche Täter war kurz vor dem Angriff in einem Regionalzug in Hamburg aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Ab sofort sollen wegen eines Gewaltdelikts inhaftierte Untersuchungsgefangene, die aggressive Verhaltensauffälligkeiten zeigen oder drogenabhängig sind, in den Blick genommen werden, um frühzeitig auf mögliche Gefahren nach ihrer Entlassung reagieren zu können, sagte Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Sie stellte das Paket am Mittwoch gemeinsam mit Innensenator Andy Grote (SPD) vor. Dabei sollen Justizvollzug, Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaft und Ausländerbehörde zusammenarbeiten.
Extremismus-Hinweise sollen weitergeleitet werden
Ferner müssten alle Hinweise auf extremistische Haltungen oder Gefährdungspotenziale von Gefangenen an den Verfassungsschutz und den polizeilichen Staatsschutz weitergeleitet werden. Alle bereits angelegten sogenannten Wahrnehmungsbögen, in denen Justizvollzugsbedienstete ihre Beobachtungen festhalten, sollen überprüft werden, ob sie noch nicht gemeldete Extremismus-Hinweise enthalten.
Tödliche Messerattacke in Regionalzug
Am 25. Januar soll der staatenlose Palästinenser Ibrahim A. in der Regionalbahn von Kiel nach Hamburg mit einem Messer auf andere Fahrgäste eingestochen habe. Zwei junge Menschen starben, fünf weitere wurden schwer verletzt. Sechs Tage zuvor war der Mann aus einjähriger Untersuchungshaft in der Hamburger Justizvollzugsanstalt Billwerder entlassen worden, wo er auch wegen eines Gewaltdelikts mit einem Messer eingesessen hatte. Später war bekannt geworden, dass er sich während der Haft mit dem islamistischen Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verglichen hatte.
Grote: "Wahrscheinlichkeit solcher Taten reduzieren"
"Diese Tat muss Anlass sein, das Geschehene intensiv aufzuarbeiten und auf allen Ebenen in Bund und Ländern alles zu tun, die Wahrscheinlichkeit solcher Taten möglichst weitgehend zu reduzieren", sagte Grote. "Wir werden das Risikomanagement bei Gefangenen verbessern und Untersuchungsgefangene besser unterstützen", ergänzte Gallina.
Bessere Hilfen nach Haftentlassung
Wie Strafgefangenen soll auch Untersuchungsgefangenen vor der Entlassung ein dokumentiertes Übergangsgespräch angeboten werden, in dem sie auf weitere Hilfen nach der Entlassung hingewiesen werden. Zudem sollen ihnen Übergangscoaches zur Verfügung stehen und das mehrsprachige Informationsmaterial zu Anlaufstellen nach der Haftentlassung verbessert werden.
Grote für mehr Sicherheit in Zügen und auf Bahnhöfen
Grote will sich für eine Verbesserung der länderübergreifenden Zusammenarbeit bei der Abschiebung ausländischer Straftäter einsetzen. Es müsse sichergestellt werden, "dass auch bei ausländerbehördlicher Zuständigkeit anderer Bundesländer Rückführungen aus Haft konsequent vorbereitet und umgesetzt werden". Zudem kündigte er an, sich für mehr Sicherheit in Zügen und auf Bahnhöfen einsetzen zu wollen. Unter anderem müsse eine Videoüberwachung in Regionalbahnen und im Fernverkehr zum Standard werden. Außerdem soll eine Ausweitung von Waffenverboten in Zügen und auf Bahnhöfen geprüft werden.
Zuständigkeiten und Meldungspflichten sollen klarer werden
Verbesserungsbedarf sieht die Hamburger Behörde auch bei der landesinternen und bundesweiten Kommunikation in ausländer- oder asylrechtlichen Fragen. Hier müssten Zuständigkeiten und Meldungspflichten klarer benannt und zum Teil auch angepasst werden, sagte Gallina. "Wir brauchen bundesweit Klarstellungen und Vereinheitlichungen bei den Mitteilungspflichten und den Mitteilungswegen", sagte die Justizsenatorin.
Sondersitzung des Justizausschusses
Gallina nahm am Mittwoch auch an einer Sondersitzung des Justizauschusses der Hamburgischen Bürgerschaft teil. Nach Bekanntwerden von Äußerungen des mutmaßlichen Täters Ibrahim A. mit islamistischem Bezug hatten sich alle Fraktionen dafür ausgesprochen, die Sitzung vorzuziehen - ursprünglich war die nächste Sitzung erst für den 23. März geplant. Abgeordnete der Opposition hatten Gallina vorgeworfen, dem Justizausschuss "entscheidende Informationen" vorenthalten zu haben. Die Senatorin hatte hingegen "ermittlungstaktische Gründe" geltend gemacht.
E-Mails aus Hamburg doch in Kiel aufgetaucht
Vertreterinnen und Vertreter aus Kiel räumten am Mittwoch im Justizausschuss ein, dass sie doch deutlich früher über die Untersuchungshaft des mutmaßlichen Täters informiert waren, als bislang bekannt. Demnach wurden alte E-Mails aus Hamburg in einem Postfach eines Mitarbeitenden der Kieler Zuwanderungsbehörde gefunden, die das belegen. Kiel hatte Hamburg vorgeworfen, nicht rechtzeitig über die U-Haft des Mannes in der Justizvollzugsanstalt Billwerder informiert zu haben. Ibrahim A. war vor seiner Haft in Hamburg bereits in Köln wegen Straftaten verurteilt worden und zuletzt in Kiel gemeldet.