Fall Brokstedt: E-Mails aus Hamburg doch in Kiel aufgetaucht
Die Zuwanderungsabteilung Kiel hat über den mutmaßlichen Täter von Brokstedt mehr Informationen aus Hamburg erhalten als bisher bekannt. In einer internen Prüfung sind zwei Nachrichten aus dem Jahr 2022 wiedergefunden worden.
In der Zuwanderungsabteilung in Kiel sind E-Mails von der Hamburger Polizei und der Justizvollzugsanstalt Billwerder wieder aufgetaucht, die Informationen über den späteren mutmaßlichen Täter von Brokstedt enthalten. Darüber haben Vertreterinnen und Vertreter aus Schleswig-Holstein am Mittwoch im Justizausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft informiert. Demnach hat die Zuwanderungsabteilung Kiel bereits zwei Monate früher als bislang bekannt davon erfahren, dass der Mann in Hamburg in U-Haft saß.
E-Mail-Eingänge wurden erneut geprüft
Nachdem der Hamburger Justizstaatsrat Holger Schatz (SPD) im Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags detaillierte Angaben zum E-Mail-Verkehr mit der Zuwanderungsabteilung gemacht hatte, seien diese in Kiel eingehend geprüft worden, teilte die Stadt mit. Dabei seien zwei der angesprochenen E-Mails gefunden worden. Konkret handelt es sich laut Stadt um die Antwort der Polizei Hamburg vom 10. März 2022, die in dem persönlichen Postfach eines Mitarbeitenden aufgefunden wurde und die Antwort aus der JVA Billwerder vom 6. Mai 2022, die wiederhergestellt wurde. Damit sei die Kieler Zuwanderungsbehörde über die Haft des mutmaßlichen Täters informiert worden, allerdings nicht über den dafür vorgeschriebenen Weg, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.
Information über U-Haft bereits im März
Schatz hatte in der vergangenen Woche gesagt, spätestens ab dem 10. März hätten in Kiel alle Informationen vorgelegen, auch über die U-Haft in Hamburg. Vorangegangen waren demnach mehrere Kontaktversuche der Polizeieinheit GERAS, die sich mit ausländischen Straftätern befasst. Am 9. März 2022 antwortete die zuständige Sachbearbeiterin der Zuwanderungsabteilung in Kiel und informierte gleichzeitig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). In dieser E-Mail ging es jedoch noch nicht um die U-Haft. Diese Information ist erst in der Antwort der Ermittlungseinheit vom 10. März enthalten, die jetzt wiedergefunden wurde. Nach Angaben der Stadt ging diese Antwort nur an die Zuwanderungsabteilung, nicht aber an das BAMF. Warum die Angabe zur U-Haft zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Ausländerakte vermerkt wurde, ist unklar. Möglicherweise wurde sie übersehen oder ihre Relevanz falsch eingeschätzt, sagte Stadtrat Christian Zierau (parteilos).
Antwort der JVA wiederhergestellt
Die zweite wiedergefundene E-Mail ist Teil eines Austausches zwischen der Zuwanderungsabteilung Kiel und der JVA Billwerder, in der der mutmaßliche Täter zu diesem Zeitpunkt saß. Der Ausländerberater hatte sich an die Zuwanderungsabteilung gewandt, weil er eine Drogentherapie vorbereiten wollte. Die Zuwanderungsabteilung antwortete darauf mit weiteren Nachfragen, unter anderem, seit wann der Beschuldigte in Hamburg in U-Haft säße. Bislang hatte die Stadt davon gesprochen, keine Rückmeldung von der JVA bekommen zu haben. Diese Antwort konnte nun aber wiederhergestellt werden.
Kiel: Hamburg hat Mitteilungspflichten nicht erfüllt
Weitere von der Justizbehörde Hamburg angesprochene Kontaktversuche konnten nach Angaben der Stadt bisher nicht aufgefunden werden. Insbesondere seien keine offiziellen Mitteilungen erfolgt, wie sie in Strafsachen vorgeschrieben seien. Der Fall zeige, dass E-Mails die gesetzlichen Meldepflichten nicht ersetzen könnten, betonte Zierau. In E-Mails sei mitunter nicht eindeutig zu erkennen, ob ein Handlungsbedarf bestehe oder die Information für eine Akte relevant sei. Bei Hunderten Nachrichten am Tag könne es passieren, dass Angaben verloren gehen. "Es ist aber auch ganz klar: Das sollte nicht sein", so Zierau. Man brauche Standards und gemeinsame Register, sodass den beteiligten Behörden alle notwendigen Informationen zur Verfügung stehen.
Kämpfer: Gemeinsam an Vorgaben arbeiten
Natürlich müsse man sich in Kiel nun fragen, warum nicht entsprechend reagiert worden sei, sagte Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). Das ändere aber nichts daran, dass die Mitteilungspflichten von Hamburger Seite nicht ordnungsgemäß erfüllt worden seien. In beiden E-Mails sei es inhaltlich um andere Sachverhalte gegangen und die entscheidenden Informationen nebenbei erwähnt worden. Diese Art der Kommunikation sei fehleranfällig und nicht nur in Kiel seien solche Fehler dann auch passiert. "Das reiht sich ein in verschiedene Punkte bei verschiedenen Behörden, wo man sagen kann: Wenn da jemand geschaltet hätte, dann wäre die Information früher geflossen", meinte Kämpfer. Man müsse nun gemeinsam gesetzliche Vorschriften überdenken und praktische Regeln erarbeiten.
Auch die Hamburger Behörden sehen Verbesserungsbedarf bei der Kommunikation. In einem am Mittwoch vorgestellten Maßnahmenpaket wird unter anderem genannt, dass Zuständigkeiten und Meldungspflichten klarer benannt und zum Teil auch angepasst werden sollen. Dazu sollen bundesweit einheitliche Standards erarbeitet und Informationen an einem Ort gebündelt werden. Auch bei der Abschiebung ausländischer Straftäter sollen die Bundesländer enger zusammenarbeiten.