Bürgerschaft: Tschentscher wirbt um Zustimmung zum MSC-Deal
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat vor der Bürgerschaft am Mittwoch eindringlich für eine Zustimmung zum umstrittenen Einstieg der Großreederei MSC bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) geworben. Die gesamte Opposition übte Kritik an dem Deal.
In einer Regierungserklärung bat Tschentscher die Abgeordneten um eine Entscheidung, "die neue Perspektiven für die Hafenwirtschaft eröffnet - neue Perspektiven für den Anschluss unseres Hafens an die Entwicklungen im weltweiten Seeverkehr und für die Stärkung der Hamburgs als internationale Wirtschaftsmetropole".
"Wollen und müssen unseren Hafen fit machen"
An dem Einstieg von MSC führe kein Weg vorbei, um den Hafen wettbewerbsfähig zu halten, sagte Tschentscher: "Wir wollen und müssen unseren Hafen fit machen für die Zukunft. Er ist deshalb zum größten deutschen Seehafen geworden, weil er sich immer wieder dem Lauf der Zeiten angepasst hat." Als Beispiele nannte Tschentscher den Wandel von der Segel- zur Dampfschifffahrt, die Einführung der Containerlogistik, die Entwicklung der Schiffsgrößen und die zunehmende Bedeutung des Güterverkehrs auf der Schiene. "Hierzu waren immer wieder Entscheidungen nötig, die Mut und Entschlossenheit erfordern", so der Bürgermeister.
Tschentscher: Umschlagsrückgang im Hafen bedrohlich
Die aktuellen Zahlen zum Umschlag im Hafen würden die Dringlichkeit einer solchen Entscheidung unterstreichen, sagte Tschentscher. Erst am Dienstag hatte Hamburg Hafen Marketing für das vergangene Jahr einen deutlichen Umschlagrückgang verkündet. "Diese Entwicklung ist für die HHLA und ihre Beschäftigten bedrohlich. Es wäre verantwortungslos, den Dingen weiter ihren Lauf zu lassen. Es ist Zeit, eine Entscheidung zu treffen", sagte Tschentscher. Er schloss mit den Worten: "Denken Sie nicht an Kategorien von Opposition und Regierung, denken Sie an die Zukunft des Hamburger Hafens und seine Bedeutung für unsere Stadt."
CDU: "Deal ist schlecht für Hamburg"
Die Opposition kritisierte den geplanten Einstieg der Reederei MSC bei der HHLA scharf. "Dieser Deal ist schlecht für Hamburg", sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering im Anschluss an die Regierungserklärung Tschentschers. Die SPD verscherbele städtisches Eigentum. Gleichzeitig glänze der Senat durch Intransparenz. Dabei erwarte die Öffentlichkeit zu Recht, "dass der Senat die Gründe darlegt, warum letztendlich mit MSC abgeschlossen wurde und nicht mit anderen wichtigen Hafenplayern hier bei uns in Hamburg".
Thering wirft Senat schlechte Hafenpolitik vor
Thering bescheinigte dem rot-grünen Senat eine schlechte Hafenpolitik. Die CDU lehne externe Beteiligungen im Hafen nicht ab, auch sei MSC nicht der falsche Partner. Die CDU halte vielmehr die Herangehensweise des Senats und die gewählte Konstruktion für komplett falsch. "Der Hamburger Senat bindet sich 40 Jahre an die Containerreederei MSC mit einer Kündigungsfrist von fünf Jahren." Die Tragweite der Entscheidung werde sich aber wohl erst in fünf Jahren zeigen. "Mich und meine Fraktion haben Sie heute nicht überzeugen können", sagte Thering. Gleichzeitig appellierte er an die Abgeordneten, den Deal bei der Abstimmung voraussichtlich Ende Mai abzulehnen. "Tun Sie das Richtige für unsere Stadt."
Linke verweist auf Reederbeteiligungen in Bremerhaven
Die Motive des Senats für den Deal mit MSC seien auch nach der Regierungserklärung des Bürgermeisters unklar geblieben, sagte Norbert Hackbusch (Die Linke). "Ich habe das Gefühl, dass es so ein Wunsch ist, dass alles besser werden soll, wenn man sich einem großen Reeder an den Hals schmeißt. Das ist aber keine Grundlage für einen solchen Deal." Auch das Argument, dass durch die MSC-Beteiligung der Containerumschlag in Hamburg gesichert werden könne, ließ er nicht gelten: "In Bremerhaven gibt es Reederbeteiligungen, auch Bremerhaven hat Umschlag verloren."
Hackbusch: "Denken Sie mal an den Elbtower"
Für den Erhalt der Hafen-Infrastruktur und die Bereitstellung von Flächen seien hohe Investitionen nötig. "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich MSC irgendwie daran beteiligen würde", sagte Hackbusch. "Und deshalb versprechen Sie auch hier ein Wolkenkuckucksheim", sagte Hackbusch. Er erinnerte auch an andere Geschäfte der Stadt mit Privatinvestoren: "Denken Sie mal an die Benko-Geschichte mit dem Elbtower: Wo Sie uns immer versprochen haben, es wäre alles abgesichert - und jetzt kriegen wir nichts abgesichert und kämpfen damit."
AfD spricht von hausgemachter Krise
"Die Krise des Hamburger Hafens ist hausgemacht", sagte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. Das ständige Überkreuzliegen von SPD und Grünen habe eine Instandhaltung und Weiterentwicklung des Hafens jahrelang verhindert und das Vertrauen der Wirtschaft geschwächt. "Während der Glanz vergangener Jahre hochgehalten wurde, vergammelte für jeden sichtbar die Hafeninfrastruktur."
FDP: "Deal bedroht Hamburger Wirtschaft"
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein wies auf die Risiken des Deals hin. "Dieser Deal bedroht die Herzkammer der Hamburger Wirtschaft." Was mache denn der Senat, wenn sich die MSC-Eigentümerfamilie Aponte entschiede, das eigene Unternehmen zu verkaufen, "zum Beispiel an Tollerort-frustrierte Chinesen", fragte sie in Anspielung auf die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco am HHLA-Terminal Tollerort. Wie wolle der Senat dann verhindern, dass der Hafen dann nicht unter fremde Kontrolle gerate?
Einigkeit über alle Fraktionsgrenzen hinweg gab es am Mittwoch nur in einer Frage: Es muss etwas passieren, damit der Hamburger Hafen wieder auf Kurs kommt.
Hamburg und MSC wollen HHLA gemeinsam führen
Der rot-grüne Senat will MSC bei der HHLA mit an Bord holen, um den Containerumschlag zu stabilisieren. Der Senat hatte dem Teilverkauf der HHLA vor zwei Wochen zugestimmt. Die Stadt und die italienische Mediterranean Shipping Company (MSC) mit Sitz in Genf sollen die HHLA künftig als Gemeinschaftsunternehmen führen, bei dem die Stadt eine Mehrheit von 50,1 Prozent hält. Bislang gehören der Stadt rund 70 Prozent der börsennotierten HHLA. Im Gegenzug will die Reederei MSC ihre Deutschlandzentrale in Hamburg bauen, das Ladungsaufkommen im Hafen von 2025 an erhöhen und bis 2031 auf eine Million Standardcontainer zusätzlich pro Jahr steigern. Zudem wollen MSC und die Stadt das Eigenkapital der HHLA um 450 Millionen Euro erhöhen.
Gewerkschafter und Hafenarbeiter gegen MSC-Einstieg
Seit Wochen laufen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sowie Hafenarbeiterinnen und -arbeiter Sturm gegen die Einstiegspläne. Hamburgs DGB-Chefin Tanja Chawla hatte sich am Dienstag besorgt gezeigt. Hamburg habe eine leidvolle Geschichte, wenn es um Privatisierungsmaßnahmen gehe, sagte sie mit Blick auf die Energienetze, die nach einem Volksentscheid inzwischen wieder in städtischer Hand sind. Beim HHLA-Deal werde erneut die Zusammenarbeit mit einem starken Partner angestrebt, "dessen Unternehmensinteressen sich nicht unbedingt mit denen einer Stadt decken müssen". Für den DGB Hamburg sei entscheidend, dass die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten durch die Übernahme nicht beschnitten werden.