Welt der Musik

Unbegreiflich und unwiderstehlich: 200 Jahre Beethovens Neunte

Sonntag, 26. Mai 2024, 18:00 bis 19:00 Uhr

Ludwig van Beethoven, Porträt von Joseph Karl Stieler um 1820 © picture alliance/CPA Media

7. Mai 1824. Wien, Kärntnertortheater. Beethoven ist taub, aber da. Seine neunte Sinfonie erklingt zum ersten Mal. Über 30 Jahre sind vergangen, seit er die "Ode an die Freude" von Friedrich Schiller kennengelernt hat. Für diese Ode suchte er eine Form, fand aber lange keine passende. Erste Skizzen entstehen 1817, doch die eigene philosophische Grundhaltung auszukomponieren, das brauchte Zeit! Das Ergebnis vermag uns auch 200 Jahre später noch zu erschüttern. Es ist die Botschaft der Menschlichkeit - pathetisch, euphorisch. Beethoven konnte es nicht mehr hören - eine Sängerin drehte ihn nach der Uraufführung auf der Bühne in Richtung Publikum, damit er die enthusiastischen Reaktionen wenigstens sehen konnte.

Bahnbrechend - Beethoven und Schiller

Beethoven und Schiller sind sich nie persönlich begegnet. Aber aus den Schriften von Beethoven wird deutlich, dass er sich sein Leben lang immer wieder mit Schiller beschäftigt hat. Trotzdem haben sich nur wenige Skizzen und Vertonungen erhalten. Schillers "Ode an die Freude" war 1786 veröffentlicht worden. Ein paar Jahre später schrieb Bartholomäus Fischenich, ein Jurist in Bonn, der mit Schiller und Beethoven befreundet war, an Schillers Ehefrau Charlotte über ein Gespräch mit Beethoven: "Er wird auch Schillers Freude, und zwar jede Strophe, bearbeiten. Ich erwarte etwas Vollkommenes, denn so viel ich ihn kenne, ist er ganz für das Große und Erhabene."

Eine Sinfonie gegen Metternich und Rossini

Es dauert lange, ehe auf die achte Sinfonie die neunte folgt: Elf Jahre. Das hat viele Gründe: Da sind familiäre Sorgen, Beethoven plagen Erkrankungen, er fühlt sich immer einsamer. Und politisch schaut es düster aus: Die dominierende Restauration, die Wandlung der Verhältnisse können ihm nicht gefallen haben. Auch in seinem Metier, der Musik, hatte er seine Schwierigkeiten: Mit der überschwänglichen Begeisterung für Rossini konnte er wenig anfangen. Beethoven fühlt sich in seiner Stadt Wien allein gelassen, und in der Allgemeinen musikalischen Zeitung steht: "Für grössre Arbeiten scheint er gänzlich abgestumpft zu seyn."

Ein Werk, das über seine Zeit weit hinausweist

Was für eine Täuschung! Mit der "Missa solemnis" und der neunten Sinfonie hat Beethoven eine Musik komponiert, die dem Geist der Zeit entgegensteht - was Beethoven da schreibt, ist kein Spiegel der Restauration oder des Biedermeier. Seine Musik schöpft aus anderen Quellen. Sie ist denkbar weit entfernt von den herrschenden politischen Umständen und der Musik seiner Zeit, was allerdings nicht Absicht ist, sondern die Folge der Arbeit. Es geht ums große Ganze und trifft nebenbei Metternich und Rossini. Beethoven hat es so ausgedrückt: "Wahre Kunst ist eigensinnig, läßt sich nicht in schmeichelnde Formen zwängen."

Eine Sendung von Raliza Nikolov.

 

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Hier können Sie die Sendung anhören

Ludwig van Beethoven, Porträt von Joseph Karl Stieler um 1820 © picture alliance/CPA Media
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