Round Midnight
Donnerstag, 11. Mai 2023, 23:30 bis
00:00 Uhr
Eine Sendung von Ralf Dorschel
Als die Rockmusik in den 60ern groß wurde, wusste der Jazz nicht mehr weiter. Weil die Trends nun woanders gesetzt wurden, weil die Fans nun woanders aufliefen und nicht zuletzt, weil die Dollars nun woanders gemacht wurden - und das waren plötzlich unvorstellbare Mengen an Dollars. Die westliche Welt hatte sich dramatisch weitergedreht und nun musste sich auch der Jazz drehen.
Jazzrock war eine Befreiung, eine mächtige Bewegung. Jazzrock war der Versuch, die Routine der Traditionen mit der rebellischen Widerständigkeit der Rockmusik aufzuladen. Jazzrock begann mit dem psychedelischen Funk von Miles Davis' "Bitches Brew". Jazzrock, das waren bahnbrechende Alben und die schiere elektronisch verstärkte Wucht, die der Rock jener Tage zu entfesseln wusste. Jazzrock, das waren aber auch Gurus und esoterische Sinnsuche, war Größenwahn, waren selbstverliebte Instrumental-Exkurse auf Wolke Sieben und am Ende war es oft sinnfreie Egomanie.
Sucht man den Anfang, dann wird der meist bei "Bitches Brew" 1970 festgemacht - obwohl dieses radikale Album für Miles Davis eigentlich ein logischer Schritt auf einem Weg war, den er bereits mit "Filles de Kilimanjaro" und "In a Silent Way" beschritten hatte. Sucht man das Jahr, in dem der Jazzrock seinen Höhepunkt erreichte, dann war das 1973: Die Weggefährten von Miles Davis waren nun ausgeschwärmt - John McLaughlins Mahavishnu Orchestra kam mit "Birds of Fire", Chick Coreas Return to Forever mit "Hymn of the Seventh Galaxy", Herbie Hancock mit seinen "Head Hunters" und Joe Zawinul und Wayne Shorter mit dem epochalen Weather Report-Album "Sweetnighter".
In drei Sendungen erzählt Round Midnight eine kleine Geschichte des Jazzrock - von den Anfängen über jenen Höhenflug vor 50 Jahren und bis hinein in die Gegenwart, wo eine Gruppe junger Jazzer*innen wie Nubya Garcia und Shabaka Hutchings an der Themse den radikalen Faden von "Bitches Brew" in "London Brew" wieder aufnehmen wollte.