NDR Elbphilharmonie Orchester
Freitag, 02. Juni 2023, 20:00 bis
22:00 Uhr
Rotziges Tastenviech, kecker Kuckuck, samtpfötige Löwenkönigin von diamantener Kraft - der Kritikerfantasie scheinen keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, die pianistische Kunst von Anna Vinnitskaya zu beschreiben. Angriffslustig, swingend, dezent, barbarisch, cool sind einige der Attribute, die die Presse ihr zuschreibt. Gebürtig aus dem russischen Noworossijsk, lebt Vinnitskaya mittlerweile in Hamburg. Seit vielen Spielzeiten ist die Starpianistin gern gesehener Gast beim NDR Elbphilharmonie Orchester. Eine enge Zusammenarbeit pflegt Vinnitskaya auch mit dem langjährigen 1. Gastdirigenten des NDR Elbphilharmonie Orchesters, Krzysztof Urbański.
Volle Fahrt in die Moderne: Prokofjews zweites Klavierkonzert
Wer in Prokofjew nur den Modernisten und Parodisten sieht, für den beginnt das Zweite Klavierkonzert mit einer Überraschung. Denn der Komponist zeigt sich im ersten, schwelgerischen Thema - mit der Vortragsanweisung "narrante" (erzählend) - ganz von seiner romantischen Seite. Erst das zweite Thema schlägt die gewohnt parodistischen Töne an. Höhepunkt des ersten Satzes ist die längste und schwierigste Solo-Kadenz der gesamten Konzertliteratur. Ohne Ruhepause für den Pianisten folgt ein irrwitziges Perpetuum mobile als Scherzo und dann ein dröhnend-gewichtiger Satz mit dem ironischen Titel "Intermezzo". Im Finale zeigt Prokofjew sich zunächst wieder von seiner virtuos-modernistischen Seite, um zur Mitte des Satzes hin auf ein Thema im Tonfall russischer Volksmusik umzuschwenken.
"Sinfonismus" mit Happy End: Schostakowitschs fünfte Sinfonie
Seine Fünfte Sinfonie, die Schostakowitsch zwischen April und Juni 1937 schrieb, wurde schon immer im Licht dieser Vorgeschichte gehört. Ist sie das Werk eines reuigen Sünders, der hierin zu einer einfacheren Kunst für "anspruchsvolle Massenhörer" zurückkehrt, wie Schostakowitsch es im offiziösen Begleittext seiner Sinfonie nahelegte? Oder schildert sie einen Jubel, der mit der Knute erzwungen wurde, wie es später in den - womöglich nicht authentischen - "Memoiren" des Komponisten heißt? Unzweifelhaft ist eines: Die Fünfte war beim Publikum von Anfang an ein voller Erfolg. Von der Uraufführung berichtete ein Zeitzeuge: "Die elektrisierende Kraft der Musik führte dazu, dass schließlich alle aufstanden." Bald liebte man diese Musik auch im Westen, nicht ihres doppelten Bodens, sondern ihrer formalen Klarheit und relativen Übersichtlichkeit wegen, weil ihre Idiome so vertraut klangen, und weil das Werk mit einem triumphalen Rausch von D-Dur-Klängen endete. Zusammen mit seiner Ersten ist die Fünfte bis heute die am meisten gespielte von Schostakowitschs Sinfonien.
Eine Sendung von Stephan Sturm.