Nachgedacht: Was sich im Nebel verbirgt
Es sind diese Tage, an denen es gar nicht hell zu werden scheint, sich Nebel über Straßen, Felder und Flüsse legt. Böse und tödlich, kann er sein. Und doch birgt er auch Schönheit, wie unsere Kommentatorin Lena Bodewein meint.
Nebel! Haben Sie in den vergangenen Tagen vielleicht auch gesehen oder sich gar durchkämpfen müssen, fahrend oder laufend, auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, mit dem Hund. Grau und wabernd liegt der Nebel in den Straßen. Verdeckt die freie Sicht. Zerstört die Weite. Drückt nicht nur auf die Stimmung. Sondern birgt auch Gefahren. Autos verlieren den Weg, die Menschen am Steuer konnten Baum und Rand und Band und Straße nicht mehr voneinander trennen, Containerschiffe steuern auf Böschungen und blockieren Kanäle, Frachter laufen im Nebel auf Grund, wo schon die Strandräuber lauern.
Der Hund von Baskerville und der Erlkönig lauern im Nebel
Nebel! Schon sind wir mitten in den Edgar Wallace-Krimis auf den Docks der Londoner Themse-Docks, bei Zinker, Hexer und Doppelgänger, denn merke: Im Nebel siehst du keinen Feind. Nebel! Und der Hund von Baskerville verfolgt uns durch die tückischen Weiten des Dartmoors. Nebel! Und schon sitzen wir mit Vater und Sohn auf dem Pferd, reiten durch Nacht und Wind, und fürchten den Nebelstreif - ist‘s doch der Erlkönig mit Kron' und Schweif.
Böse und tödlich kann der Nebel sein. Der Fog of War - der Kriegsnebel ist eine feste Wendung, nach der kriegswichtige Informationen immer mit Unsicherheiten behaftet und unvollständig sind. Das könnte einiges erklären, denkt man sich als nicht kriegsführender Laie, und spürt Mitleid mit all den Menschen, die durch solchen Nebel und die dadurch womöglich fehlerhaften Entscheidungen betroffen sind. Benebelte Kriegsherren sind eine furchteinflößende Vorstellung. Einer von ihnen war Robert McNamara, US-Verteidigungsminister in Zeiten des Vietnamkriegs, und er sagte: "Was 'Der Nebel des Krieges' bedeutet, ist, dass der Krieg so komplex ist, dass er die Fähigkeit des menschlichen Verstandes übersteigt, alle Variablen zu erfassen.
Von der grauen Suppe zu leuchtend-zarten Spitzen
Und das machen sich einige zunutze: Unter der Nebeldecke werden finstere Machenschaften unsichtbar. Doch an dieser Stelle möchte ich zu bedenken geben: Er birgt auch viel Schönheit, der Nebel! Fahre ich mit der Fähre von meinem Wohnort durch den Nebel über die Elbe hinweg, so sehe ich wenig, aber vernehme das Lied der Glockentonnen. Leise wiegen sich diese Seezeichen auf den Wellen, schwapp, und lassen ihre Klöppel auf das Läutwerk klingen, schwapp, bong, bong,schwapp!
So vielen Bildern würde etwas fehlen, wenn der Nebel nicht wie ein Schleier davor hinge. Morgennebel über einem Frühlingssee. Zartes Weiß zwischen Berggipfeln oder über Feldern und Flüssen. Sonnenstrahlen, die langsam durch die Nebelschweife brechen, Löcher hineinleuchten und die ehemalige graue Suppe in zarte Spitze verwandeln.
Und dann scheint es doch, als wäre der Nebel gar nicht feindlich. Sondern einfach ein paar zu Besuch gekommene Wolken. Schon wirkt alles viel freundlicher. Man muss nur die Perspektive wechseln. Lesen Sie mal Nebel rückwärts - Sehen Sie!
Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie diese Kolumne geben die persönliche Sicht der Autorin wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sie sich bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.