Nachgedacht: Von Paris nach Kamala und zurück
Schwarzsehen hat jetzt mal Pause, trotz zahlreicher potentieller Anlässe, findet Lena Bodewein, und bittet Sie, die Ohren aufzuhalten.
Es ist eines der herrlichsten Geräusche der Welt: die sanfte Ruhe, wenn das Gemecker aufhört. Die ganze Zeit ging es mäk-mäk-mäk, nur Gemotze, alle doof, Trump doof, Kriege erst recht, Biden zu alt, Athletenbetten in Paris zu pappig, das Essen auch, Koalition zu zerstritten, Straßen kaputt, Bahn zu spät, CDU zu rechts, AfD sowieso, Sommer zu kalt, Sommer zu heiß, Scholz zu maulfaul, bei Olympia in Paris zu viel Polizei, Hotels zu leer, Bettwanzen zu hungrig, Seine zu dreckig, mäk-mäk-mäk, … es schien, als wären Meckern und Mäkeln nicht mehr nur deutscher Volksport, sondern hätten pandemiegleich die Welt umspannt - so schien es aber nur. Denn auf einmal war da eben dieses herrlichste Geräusch, das Schweigen der Mäkler.
Feiern statt Meckern
Und dann baut sich ganz langsam und vorsichtig ein neuer Klang auf, erst langsam und vorsichtig im Hintergrund glucksend wie ein Bergbach … ist das … Lachen? Fröhlichkeit? Lockerheit? Das ist dann ein noch schöneres Geräusch: Menschen genießen, Menschen atmen auf, Menschen feiern - zum Beispiel die olympische Gemeinschaft, das herausgeputzte Paris, die bildstarken Kulissen mit Eiffelturm, Champs Elysées, Grand Palais, verbindender Jubel statt geifernder Verbissenheit.
Man denke an eine singende Kugelstoßerin oder die Zweit- und Drittplatzierten beim ersten nur mit schwarzen Turnerinnen besetzten Podium: Sie huldigten der Goldmedaillengewinnerin wie einer Königin, anstatt sich über ihren eigenen Nicht-Gewinn zu grämen. Auch dass die deutschen Sportlerinnen und Sportler nicht so viele Medaillen wie sonst geholt haben - wen kümmert's? Sie wurden ebenfalls gefeiert, und die einzige verbale Dresche gab's nach vorn gewandt: Wie können wir die Sportförderung verbessern? Aufbruchstimmung.
Lachen als Zeichen der Schwachheit?
Aber auch jenseits des Atlantik war auf einmal statt Mäkeln und Hetzen ein Lachen zu vernehmen, das der Kamala Harris. Sie wurde von der zurückhaltenden Vizepräsidentin zur schwungvollen und rechtsstarken Herausforderin eines verbiesterten Verbrechers, samt ihrem Markenzeichen, einem - genau - mitreißenden Lachen.
Uuh, das kann ihr Gegenüber gar nicht verknusen: "Habt ihr mal ihr Lachen gesehen?" fragt Trump - er deutet ihr strahlendes Grinsen mit vielen blitzenden Zähnen als "crazy". Aber: Hat jemand mal Trump lachen gesehen? Nee? Richtig. Er lacht nicht. Er ist nur verkrampft, verkämpft, verkniffen, garstig, feindlich, sein klitzekleiner Mund verzieht sich nur zu einer hasserfüllten Fratze. Er diffamiert Lachen als crazy, also verrückt, weil er es als Zeichen der Schwachheit sieht - dabei ist es ein Ausweis von Stärke, über sich selbst und mit anderen lachen zu können.
Kamala bringt das Lachen zurück
Gleichzeitig sind Lachen und Freude etwas, wovor Mächtige Angst haben, wenn es gegen sie gewendet wird. Beweis gefällig? Tim Walz, dem demokratischen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft, ist es gelungen, mit dem kleinen, freundlich-nachsichtig geäußerten Wort "weird", also seltsam, den ganzen aufgeblähten Zinnober von Donald Trump in sich zusammenfallen zu lassen wie ein Soufflé.
So wie man leicht amüsiert bis mitleidig auf den etwas seltsam-peinlichen Onkel bei der Familienfeier schaut, der immer noch großspurig die Zoten von früher erzählt und nicht merkt, dass er Pipi auf der Hose hat. Und was Tim Walz noch sagte, an Kamala Harris gewandt: "Thank you for bringing the joy back", danke, dass du die Freude zurückgebracht hast. Ja, das ist die Botschaft des Sommers: Freude, Fröhlichkeit und Lachen sind wieder auf Tour, von Paris nach Kamala und zurück. Und noch weiter.
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